Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Radstar Mathieu van der Poel
Er fährt im Lamborghini vor und bespuckt auch mal unflätige Fans

Netherland's Mathieu van der Poel celebrates as he crosses the finish line to win the men's Paris Roubaix, a 260 kilometer (162 miles) one-day-race, at the velodrome in Roubaix, northern France, Sunday, April. 7, 2024. (AP Photo/Christophe Ena)
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Am Ende schüttelt er noch den Kopf, dann streckt er die Arme aus, schaut in den Himmel und fährt über die Ziellinie. 60 km war Mathieu van der Poel alleine vorausgefahren, hatte den Abstand zwischen sich und seinen Konkurrenten stetig vergrössert. Und nun hat er eine Woche nach der Flandern-Rundfahrt auch Paris–Roubaix gewonnen. Der Letzte, dem dieses Double gelang, war Fabian Cancellara 2013.

Doch dass Mathieu van der Poel genau Paris–Roubaix zum zweiten Mal hintereinander gewonnen hat, ist kein Zufall. Das Rennen, das über viele gepflasterte Abschnitte führt und oft von Schlamm und Dreck geprägt wird, vereint all das, was dem 29-jährigen Niederländer liegt.

Denn Van der Poel siegt nicht nur auf der Strasse wie am Sonntag im Vélodrome von Roubaix. Im Winter dominiert er die Radquer-Rennen (er ist sechsmaliger Weltmeister). Und auch auf dem Mountainbike ist er Weltspitze.

Egal, in welcher Disziplin er zu einem Rennen startet – die Chance, dass er es gewinnt, ist sehr gross. Doch das ist nur einer der vielen Faktoren, die ihn zum Phänomen machen.

Die Familiengeschichte

Enkel und Grossvater: Mathieu van der Poel (links) und Raymond Poulidor.

Schaut man in Mathieu van der Poels Gesicht, sieht man ein Stück Radsportgeschichte. Die Augen, die Wangenknochen – es sind die gleichen wie bei seinem Grossvater. Raymond Poulidor war einer der ganz grossen Radfahrer seiner Zeit. Dreimal wurde er in den 60er-Jahren Zweiter bei der Tour de France, fünfmal Dritter. In der Geschichtsschreibung wird er immer als «der ewige Zweite» in Erinnerung bleiben, obwohl er auch einiges gewonnen hat.

Es überrascht also nicht, dass Klein Mathieu mit 11 Jahren zu seinem Vater ging und sagte: «Ich möchte Radfahrer werden.» Er war damals polysportiv unterwegs, spielte Tennis, machte Leichtathletik, ging in den Fussballclub. «Okay», erwiderte dieser, «aber das sagst du deinen Trainern selbst.» Das machte Mathieu dann auch. «Die Coaches waren überrascht. Es gibt nicht viele 11-Jährige, die so genau wissen, was sie wollen», erzählte Vater Adrie van der Poel dem Magazin «Cycling Weekly». Adrie war übrigens ebenfalls Quer-Weltmeister und gewann auf der Strasse zwei Klassiker.

Das Team

Nachdem sich der Sohn für den Radsport entschieden hatte, ging Vater Van der Poel auf den ehemaligen Profi Christoph Roodhooft zu. 2013 unterschrieb Mathieu an seinem Küchentisch den ersten Profivertrag in Roodhoofts Radquer-Team. Dieses wurde später zum Strassen-Team, durchlief gemeinsam mit Van der Poel alle Stufen bis zur World-Tour-Lizenz. Wenn er heute im Trikot von Alpecin-Deceuninck an den Start geht, kümmern sich immer noch die gleichen Leute um ihn wie damals.

Das ist wohl auch ein Grund, warum sein Sonderweg funktioniert. Schliesslich muss die Freiheit, eine Saisonplanung über drei verschiedene Disziplinen zu machen, einem Fahrer auch gewährt werden. Und auch im Training macht Van der Poel vor allem das, was ihm Spass macht. Für die Tour de France fuhr er sich auch schon auf dem Mountainbike fit.

Not Everybody’s Darling

Freiheiten nennen es die einen – Extrawurst die anderen. Denn Mathieu van der Poel hat nicht nur Freunde. Ins gängige Radfahrer-Klischee des zurückhaltenden Asketen passt er nicht. An die Rennen fährt er gerne mit seinem eigenen Lamborghini.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Und es gibt auch die Episode aus dem Jahr 2022, als er in der Nacht vor dem WM-Rennen im australischen Wollongong von der Polizei abgeführt wurde. Zwei Teenager sollen laut Van der Poel ständig an seine Hoteltür geklopft haben, worauf sich dieser lauthals beschwerte und ruppig wurde. Van der Poel gestand und bezahlte eine Strafe.

Kürzlich wurde er erneut gebüsst, weil er auf der letzten Runde eines Radquer-Rennens einem Zuschauer ins Gesicht spuckte. Er war während des gesamten Rennens von derselben Gruppe ausgebuht worden.

Auch während der Flandern-Rundfahrt wurde er mit Bier beworfen. Vor allem die Belgier mögen ihn gar nicht. Einer ihrer Superstars, Wout van Aert, ist schon seit Juniorenzeiten Van der Poels Erzrivale. Auch er ist im Winter mit dem Quer-Velo unterwegs, die Duelle der beiden mobilisieren in Belgien und den Niederlanden massenhaft Fans. Zuletzt gingen sie allerdings meist zugunsten von Van der Poel aus.

Der Instinkt

Strassenrennen findet er am Anfang meist langweilig. Oft sucht er sich im Feld einen Fahrer, mit dem er plaudern kann. Über Autos – oder «Fortnite». Van der Poel ist auch ein passionierter Gamer.

Doch wenn es dann losgeht, ist er dabei. Van der Poel kann die Rennen sehr gut lesen, spürt, wann der richtige Zeitpunkt ist, um anzugreifen. Dank der gesammelten Erfahrung aus drei verschiedenen Disziplinen hat er einen Instinkt, auf den er sich verlassen kann. Er hat die Explosivität, die ihn vom Feld wegkommen lässt. Er hat die Kraft, seine Gegner mürbe zu fahren, und er hat die Verbissenheit, es bis ins Ziel durchzuziehen.

Die Erfahrung aus Tausenden Rennkilometern hilft ihm auch, nicht den Kopf zu verlieren, wenn etwas nicht nach Plan läuft. Im vergangenen August wurde das Rennen um den Weltmeistertitel wegen Demonstranten unterbrochen. Die Fahrer mussten fast eine Stunde warten. Wie lange die Pause dauert, war nicht klar. So ging Van der Poel zu einem nahe gelegenen Haus, klingelte und fragte, ob er schnell die Toilette benutzen könne. Erleichtert stieg er wieder in den Sattel und feierte Stunden später nach einer Soloflucht den Weltmeistertitel. «Thank Poo Very Much» titelte ein schottisches Boulevardblatt am nächsten Tag.