Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Unfall im Baskenland
Wer bremst, verliert: Warum der Radsport immer gefährlicher wird

Kam verhältnismässig glimpflich davon: Giro-Champion Primoz Roglic, der die Baskenland-Rundfahrt nach dem Sturz auf der vierten Etappe aufgeben musste.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Die Sturzserie von Top-Fahrern und die traumatischen Bilder des schwer verletzten Tour-de-France-Siegers Jonas Vingegaard erschüttern den Radsport. Der dramatische Unfall des Dänen, der bei der Baskenland-Rundfahrt neben Knochenbrüchen auch eine Lungenquetschung erlitt, verschärft die Sicherheitsdebatte – und sorgt auch bei den Organisatoren des nächsten schweren Klassikers für Entsetzen.

«Stopp, stopp, stopp, lassen Sie uns das Massaker beenden», sagte Thierry Gouvenou, Renndirektor von Paris–Roubaix, das am Sonntag stattfindet. Der frühere Profi forderte in der «L’Équipe» eine Grundsatzdebatte: «Fangen wir an, über die Geschwindigkeitsprobleme nachzudenken.» Es sei an der Zeit, sich Grenzen zu setzen.

Der deutsche Profi Simon Geschke fuhr nach dem Massencrash am Donnerstag vor Legutio an seinen gestürzten Kollegen vorbei. «Es war hundertprozentig die Schuld der Fahrer. Die waren einfach zu schnell. Die Strasse war gut, es war trocken. Es war keine Kurve, die völlig überraschend kam», sagte der 38-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. «Ich bin froh, dass keiner im Koma liegt.»

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Vingegaard wurde nach dem Sturz unter Sauerstoffzugabe und mit Halskrause auf einer Trage aus dem Strassengraben abtransportiert. Zuvor hatte der 27-Jährige lange regungslos am Streckenrand gelegen. Zeitfahr-Weltmeister Remco Evenepoel verletzte sich auch schwer. Der dreifache Vuelta-Sieger Primoz Roglic ging ebenfalls zu Boden. Alle mussten die sechstägige Rundfahrt beenden.

Van der Poel: «Das Gefährlichste sind die Fahrer selbst»

«Stürze sind nie etwas, das wir im Radsport sehen wollen. Leider haben wir heute einen wirklich schlimmen gesehen», schrieb der nicht an dem Rennen teilnehmende Topstar Tadej Pogacar nach der Etappe auf X. Weltmeister Mathieu van der Poel wurde am Freitag von der «L’Équipe» mit den Worten zitiert: «Ich glaube, das gefährlichste Element des Radsports sind die Fahrer selbst. Es wird etwas riskiert, und das grösste Problem ist: Alle wollen vorn am gleichen Platz sein, und das ist nicht möglich», erklärte der 29-jährige Niederländer, der am Sonntag bei Paris–Roubaix startet.

Auf der vorletzten Etappe der Baskenland-Rundfahrt kam es einen Tag nach dem heftigen Massensturz erneut zu Stürzen. Der spanische Kletterspezialist Mikel Landa ging wie drei andere Profis etwa 94 Kilometer vor dem Ziel in Amorebieta-Etxano zu Boden. Landa erlitt laut seinem Team einen Schlüsselbeinbruch und musste ins Spital gebracht werden.

In der noch jungen Saison kam es bereits zu mehreren heftigen Vorfällen. Dazu schockierte ein Trainingsunfall des deutschen Hoffnungsträgers Lennard Kämna am Mittwoch auf Teneriffa. Der 27-Jährige erlitt dabei zahlreiche Verletzungen, befinde sich aber in stabilem Zustand, hatte sein Rennstall Bora-hansgrohe mitgeteilt.

Vor einer Woche verletzte sich mit Wout van Aert bei Quer durch Flandern ein weiterer grosser Name schwer. Durch die besseren Räder und damit höheren Durchschnittsgeschwindigkeiten werden Stürze begünstigt. Hinzu kommt der Ehrgeiz der Profis. «Es ist diese Wer-bremst-verliert-Mentalität», sagte Geschke. «Es ist super tragisch, aber es ist aus meiner Sicht die Nervosität der Fahrer. Jeder wollte in die ersten zehn in dieser Abfahrt rein. Und wenn dann keiner bremst, dann passiert so etwas. Aber es ist schwer, einen Schuldigen auszumachen.» Fahrer bräuchten sich laut Geschke nicht «über Streckenführung und schlechten Strassenbelag beschweren», findet er: «Viele Stürze sind die Schuld der Fahrer.»

PAVIA, ITALY - MARCH 15: Simon Geschke of Germany and Team Cofidis attends the 115th Milano-Sanremo 2024 - Team Presentation / #MilanoSanremo on March 15, 2024 in Pavia, Italy. (Photo by Sara Cavallini/Getty Images)

Auch der deutsche Profi Nils Politt hatte vor dem Vorfall im Baskenland vor der zunehmend aggressiveren Fahrweise im Feld gewarnt. «Allgemein ist das Stresslevel deutlich höher. Die Rennen werden immer schneller und immer früher eröffnet», sagte der 30-Jährige im Interview der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung».

Und nun kommt die Hölle des Nordens

Am Samstag endet die Baskenland-Rundfahrt ohne die Topfavoriten in Eibar. Nur einen Tag später steht für viele andere Profis in Frankreich der Klassiker Paris–Roubaix an. In der sogenannten Hölle des Nordens mit ihren berüchtigten Kopfsteinpflaster-Passagen kommt es immer wieder zu schweren Stürzen. Für das Eintagesrennen haben die Planer eine Schikane eingebaut, um die Geschwindigkeit und somit die Sturzgefahr zu mindern.

Hätte der Sturz im Baskenland verhindert werden können? Angesichts der schweren Verletzungen wird sich der Weltverband UCI den Vorfall genau anschauen. Vingegaard erlitt neben einen Schlüsselbeinbruch sowie mehreren Rippenbrüchen eine Lungenquetschung und einen Pneumothorax. Davon ist die Rede, wenn Luft in den Raum zwischen der Lunge und der Brustwand eindringt. «Er ist stabil und hatte eine gute Nacht. Er bleibt im Spital», teilte sein Visma-Team am Freitag mit.

Auch Evenepoel musste in einer Klinik behandelt werden. Der Belgier zog sich einen Bruch des Schlüsselbeins und eine Fraktur des Schulterblatts zu. Giro-Sieger Roglic, der im Gelben Trikot in Richtung Gesamtsieg unterwegs war, verliess zumindest im Team- statt im Spitalauto die Unfallstelle. Er überstand den Tag ohne Knochenbrüche. Der Australier Jay Vine aus dem UAE-Team um Topstar Pogacar hatte grösseres Pech. Der 28-Jährige zog sich einen Halswirbelbruch zu, zwei Brüche der Brustwirbelsäule wurden diagnostiziert.

Erinnerungen an Mäder kommen hoch

Immer wieder kommt es zu schwerwiegenden Zwischenfällen im Radsport. Erst im vergangenen Sommer starb der Schweizer Gino Mäder auf der fünften Etappe der Tour de Suisse. Nach einem heftigen Sturz auf der Abfahrt vom Albulapass erlag er seinen schweren Kopfverletzungen. Der tragische Vorfall war auch bei Geschke wieder präsent. «Am Donnerstag kamen schlimme Erinnerungen wieder hoch», sagte er. «Es geht sehr schnell, dass auch jemand sterben kann.»

Fraglich bleibt, wie sehr die Verletzungen der Favoriten Vingegaard und Evenepoel auch die Vorbereitungen auf die Tour de France im Juni erschweren. Vor allem der Vingegaard wird länger aussetzen müssen. Pogacar fuhr nicht im Baskenland und rückt bei den nächsten Starts endgültig in die Favoritenrolle. Der zweifache Tour-Sieger startet Anfang Mai beim Giro d’Italia.

DPA