Mamablog: Mentale Gesundheit von MütternADHS-Diagnose hin oder her, erschöpft sind wir alle!
Unsere alleinerziehende Autorin stand vor der Frage: Wie kann sie die kommenden Jahre mit ihrem Kleinkind überleben? Ihre Antwort darauf ist ein Plädoyer für mehr Selbstfürsorge.
Als vor etwa einem Jahr die Möglichkeit aufkam, dass ich ADHS haben könnte, war ich zunächst verwirrt. Warum sollte ich unter einer Kinderkrankheit leiden? Sie sehen, ich hatte keine Ahnung. Informationen mussten her. Dabei erfuhr ich, dass sich ADHS auch im Erwachsenenalter bemerkbar machen kann, insbesondere in belastenden Situationen – wie etwa dem Alleinerziehen, wie es bei mir der Fall war.
Wenn der Tag nie zu enden scheint
Genau diese Belastung begann zu jener Zeit nämlich immer grösser zu werden. Die «Terrible Two» waren nur ein Vorgeschmack dessen, was mit den noch viel «terribleren Three» kam. Ich wurde immer müder. Des Öftern begann ich mich zu fragen, wie um alles in der Welt ich die nächsten Jahre überleben soll. Manchmal sehnte ich mich einfach nur danach, dass der Tag zu Ende geht. Nicht weil ich nicht gern Zeit mit meinem Sohn verbrachte, sondern weil ich mich schämte, keine bessere Mutter zu sein. Trotz seiner positiven Entwicklung übertrugen sich meine Unsicherheiten und meine mangelnde Struktur auf ihn. Und schlau, wie er ist, wusste er das für sich zu nutzen.
Die Erschöpfung breitete sich aus. Aber was hat das nun mit ADHS zu tun? Ausschlaggebend für den Hinweis waren verschiedene Symptome, mitunter meine innere Unruhe, Schlaflosigkeit, Ablenkbarkeit, rasche Gefühlsschwankungen, chronisches Zuspätkommen, ein vermindertes Selbstwertgefühl, Vergesslichkeit, Hyperfokussierung oder Entscheidungsunfähigkeit. Immerhin gibt es auch positive Merkmale, wie Humor, Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft, Sensibilität, Kreativität und Spontaneität. Mein Umfeld würde dies wahrscheinlich als Sprunghaftigkeit bezeichnen.
Zwischen Diagnose und Scheitern
Während der professionellen Abklärung wurde mir die Diagnose nur vorbehaltlich gestellt, da über meine Kindheit zu wenig bekannt ist und ich mich als junge Erwachsene eher atypisch für einen ADHS-Menschen durchgeschlagen habe. Und diagnostiziert wird grundsätzlich nur, wenn vor dem 12. Lebensjahr erste Anzeichen vorhanden waren. Und was nun? Trotz aller Unsicherheiten wurde die Medikation ein Thema. Ich hörte von vielen, dass sie dadurch tatsächlich neue Horizonte entdeckt hatten, und so wollte auch ich nichts unversucht lassen. Ich hegte naive Hoffnungen, dass mit dem richtigen Medikament alles gut würde und ich endlich die Mutter sein könnte, die ich sein wollte. Sie ahnen es bereits: falsch gedacht.
Ein Jahr ist vergangen, und ich habe beinahe sämtliche Medikamente ausprobiert. Das Ergebnis? Zwar fokussierten sie mich kurzzeitig, aber das Nachlassen der Wirkung verstärkte sämtliche Symptome auf einmal. Vor allem, wenn dieser Zeitpunkt mit der ohnehin anstrengenden Abendsituation mit Kind zusammenfiel. Dann war die Überforderung vorprogrammiert. Das Scheitern der Medikamente deutet darauf hin, dass ich vielleicht doch kein ADHS habe. Okay, aber woran liegt es dann? Diagnose hin oder her.
Inzwischen ist mir bewusst geworden, dass ich nicht die Einzige bin. Dass unglaublich viele Mütter erschöpft sind. Sind wir zu schwach für diese Welt? Diese Frage konnte ich der Autorin Julia Knörnschild stellen, deren Buch «Mama kann nicht mehr» soeben erschienen ist. Sie meint dazu: «Die Erwartung an uns Mütter ist einfach ZU KRASS! Wie soll eine Frau es schaffen, den Erwartungen der Gesellschaft zu entsprechen? Lol. Eine Frau muss gut aussehen, sie sollte nicht nur ein Kind bekommen, weil Einzelkinder angeblich gar nicht gehen, aber auch nicht mehr als zwei. Frau soll dabei gut aussehen und sich beim Stillen schön verstecken, damit man die sexualisierte Brust nicht sehen muss. Und wenn sie nicht stillt, ist sie eine Versagerin.»
Ich gebe Julia recht, dass dies grosser Quatsch ist und dass wir Mütter das Recht haben, schwach und erschöpft zu sein, was einfach nur menschlich ist. Es ist wichtig, darüber zu sprechen. Und es darf keine Stigmatisierung geben – weder von ADHS noch von Burn-out. Unverständnis ist kontraproduktiv und verstärkt oft sogar die Symptome. Wir müssen besser auf uns achten und uns Zeit für uns nehmen. Sie wissen schon, «Me-Time». In den vergangenen Jahren kam diese bei mir zweifellos zu kurz, weshalb ich es als Teil meiner Regeneration betrachte, mein Privatleben stückweise zurückzuerobern.
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