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Fragen und Antworten zu Mykoplasmen
Lungenentzündungen: «So viele Fälle hatten wir noch nie»

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In Kürze:
  • Mykoplasmen sind zurück und verursachen vermehrt Lungenentzündungen bei Kindern und Erwachsenen.
  • Lungenentzündungen durch Mykoplasmen verlaufen meist leicht, Hospitalisierungen sind selten notwendig.
  • Die Corona-Massnahmen reduzierten die Verbreitung von Mykoplasmen, jetzt sind die Infektionszahlen gestiegen.
  • Übliche Antibiotika wirken nicht gegen Mykoplasmen, es entstehen vermehrt Resistenzen.

Wegen der Corona-Pandemie waren sie über drei Jahre weggeblieben und kehrten erst vergangenes Jahr zurück. In den letzten Monaten sorgten sie jedoch für so viele Erkrankungen wie noch nie: Mykoplasmen. Die speziellen Bakterien sind inzwischen der häufigste Grund für bakterielle Lungenentzündungen bei Schulkindern und Jugendlichen. Auch Erwachsene erkranken an dem Erreger. 

Wie ist die aktuelle Lage?

Mykoplasmen gehören nicht zu den meldepflichtigen Infektionskrankheiten und werden in der Schweiz nicht systematisch erfasst. Einen guten Überblick hat jedoch Patrick Meyer Sauteur, Infektiologe am Universitäts-Kinderspital Zürich und Leiter eines globalen Expertennetzwerks zu Mykoplasmen. Er sagt, dass nach Spitzenwerten im Sommer einiges auf eine langsame Entspannung deutet: «Wir hatten im Juli und August eindrückliche Rekordwerte, im September sind die Zahlen dann zurückgegangen.» 

Die auslaufende Mykoplasmen-Welle war aussergewöhnlich: «So viele Fälle hatten wir noch nie», so der Mediziner, der sich seit 15 Jahren mit Mykoplasmen beschäftigt. Man spürte es auch ausserhalb der Spitäler: «Im August hustete gefühlt die ganze Schweiz», sagt Patrick Meyer Sauteur. Der Infektiologe weiss auch von anderen Zentren in der Schweiz, dass die Lungenentzündungen aufgrund von Mykoplasmen nach ungewöhnlich hohen Werten nun wieder rückläufig sind. Nicht nur Kinder sind von Mykoplasmen-Ansteckungen betroffen. Auch bei Erwachsenen komme es zu schweren Fällen, sagt der Infektiologe. 

Wieso ist dieses Jahr die Mykoplasma-Welle so heftig?

Eigentlich sorgen die Mykoplasmen alle ein bis drei Jahre für Ansteckungswellen, meist im Herbst und frühen Winter. Durch die Massnahmen während der Corona-Pandemie wurde das Lungenentzündungsbakterium jedoch zurückgedrängt. Im Herbst 2023 kehrte es zurück und sorgte weltweit für ungewöhnlich viele Ansteckungen. Doch dieses Jahr sind die Zahlen noch höher, zumindest in der Schweiz. Im Universitäts-Kinderspital Zürich behandelte man im August über 50 schwere Fälle ambulant und stationär. Vergangenes Jahr wurden auf dem Höhepunkt 25 Fälle im Monat registriert, vor der Pandemie waren es jeweils gerade mal 10 Fälle.

Patrick Meyer Sauteur geht davon aus, dass die gegenwärtige Welle nicht auf aggressivere Erregerstämme zurückzuführen ist, sondern ausschliesslich der ungewöhnlich hohen Zahl von Ansteckungen geschuldet ist: «Die Immunität gegenüber Mykoplasmen hat durch die Pandemie abgenommen.» 

Wie gefährlich sind Mykoplasmen?

Eine Infektion mit Mykoplasmen erfolgt über Tröpfchen. Im Gegensatz zu vielen anderen Erregern von Atemwegserkrankungen braucht es einen nahen, anhaltenden Kontakt zwischen zwei Menschen, damit das Bakterium übertragen wird. Es kommt zu Übertragungen in Orten wie Schulen, Militärkasernen oder Altersheimen. Oft erfolgen die Ansteckungen auch innerhalb der Familie. Als gefährdet gelten Personen in hohem Alter und Personen mit geschwächtem Immunsystem.

In den meisten Fällen verläuft die Erkrankung unauffällig. «Lungenentzündungen durch Mykoplasmen, die eine Hospitalisation notwendig machen, sind selten», sagt der Infektiologe. Deshalb sorgen die Mykoplasmen-Wellen auch nicht für Kapazitätsprobleme. Wenn die Patientinnen und Patienten keine Grunderkrankung hätten, würden sie vor allem Sauerstoff benötigen, bis die Entzündung abgeklungen sei. «Die Behandlung ist für uns im Kinderspital im Allgemeinen nicht sehr aufwendig.»

Welches sind die Symptome bei einer Ansteckung?

Von der Infektion bis zum Auftreten erster Symptome dauert es ein bis drei Wochen. Dann kommt es zu leichtem Fieber, eventuell Halsschmerzen und vor allem zu starkem, trockenem Husten. Die Symptome sind lang anhaltend, aber meist nicht schwer. «Die Betroffenen erholen sich in der Regel ohne Medikamente», sagt Meyer Sauteur. Manchmal treten besonders bei Kindern auch Hautsymptome wie Ausschläge sowie Entzündungen an Lippen, Augen oder im Intimbereich auf. In diesen Fällen empfiehlt der Infektiologe, rasch einen Arzt aufzusuchen, da die Symptome schnell fortschreiten können.

Kommt es zu einer Lungenentzündung, entwickelt sich diese langsamer als bei anderen Erregern. Auch sind die Symptome wie Fieber und Kurzatmigkeit weniger ausgeprägt. Man spricht deshalb auch von einer «atypischen»  Lungenentzündung. «Die Krankheit entwickelt sich langsam und man ist lange krank, bevor man einen Arzt oder eine Ärztin aufsucht», sagt Meyer Sauteur.

Was macht Mykoplasmen so ungewöhnlich?

Mykoplasmen sind keine Viren, sondern eine Gruppe von Bakterien. Diese besitzen keine Zellwand, wachsen nur langsam und sind viel kleiner als die meisten Bakterien. Es existieren zahlreiche Mykoplasmen-Arten, von denen manche auch Krankheiten bei Mensch und Tieren auslösen. Der aktuell grassierende Erreger von Erkältungssymptomen und Lungenentzündungen heisst Mycoplasma pneumoniae. «Seit der Impfung gegen Pneumokokken sind die Mykoplasmen die häufigste Ursache von bakteriellen Lungenentzündungen im Schulalter und bei Jugendlichen», sagt Infektiologe Patrick Meyer Sauteur. 

Weil Mykoplasmen keine Zellwände haben, wirken übliche Antibiotika wie Amoxicillin nicht. Bei den meist eingesetzten sogenannten Makrolid-Antibiotika entwickeln sich zunehmend Resistenzen. In der Schweiz lagen diese vor der Corona-Pandemie bei rund 10 Prozent der Fälle. In Asien und anderen Weltregionen beträgt die Rate gemäss Meyer Sauteur über 80 Prozent. Alternative Antibiotika haben teilweise mehr Nebenwirkungen.