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Interview zu Lungenentzündungen
Herr Meyer, ist die Situation gefährlich?

Am Anfang einer Infektion mit Mykoplasmen haben die Kinder einen hartnäckigen Husten.
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Der Anstieg der Atemwegserkrankungen in China geht gemäss der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht auf einen neuen Erreger zurück, sondern auf bereits bekannte Viren und Bakterien. Ist die Situation dennoch gefährlich?

Die Kinderspitäler in China sind derzeit voll wegen ausserordentlich vieler Lungenentzündungen. Bisher gibt es zum Glück aber keinen Verdacht auf ein neues Virus und somit auch keinen Grund zur Panik. Ich weiss von Experten aus Asien, dass ein wesentlicher Anteil der dortigen Atemwegserreger Mykoplasmen sind. Dabei handelt es sich um kleinste Bakterien, die im Gegensatz zu den deutlich grösseren Bakterien wie Pneumokokken oder Gruppe-A-Streptokokken keine Zellwand besitzen.

Sind auch in Europa momentan mehr Fälle durch diese kleinen Mykoplasmen bekannt?

In der Tat haben wir nicht nur in Asien, sondern auch bei uns in der Schweiz und in vielen Teilen Europas, darunter etwa Deutschland und Frankreich, seit September eine starke Zunahme an Mykoplasmen-Infektionen. Im Universitäts-Kinderspital Zürich hatten wir noch nie so viele Fälle wie jetzt.

Was ist die Ursache für den Rekord?

Dies ist eine Folge des Wegfallens der damaligen Schutzmassnahmen während der Corona-Pandemie. Im Sommer 2021 füllten sich die Spitäler zuerst aufgrund von Infektionen mit RS-Viren und im vergangenen Winter dann nochmals sehr stark. Gleichzeitig tauchten ab Herbst 2022 aber auch gehäuft bakterielle Atemwegserkrankungen mit zum Teil schweren Verläufen durch Gruppe-A-Streptokokken auf, die Auslöser von Angina und Scharlach sind. Und nun kommen plötzlich auch noch die Mykoplasmen zurück, die es seit über drei Jahren nicht mehr gab. Am Universitäts-Kinderspital Zürich hatten wir seit Frühjahr 2020 null Nachweise mehr, überhaupt keine einzige Infektion.

Warum sorgen Mykoplasmen erst jetzt für Lungenentzündungen?

Das liegt daran, dass Viren sich generell viel effizienter verbreiten als Bakterien und im Allgemeinen auch ansteckender sind. Aber auch zwischen den Bakterien gibt es starke Unterschiede: Zum Beispiel teilen sich normale Bakterien wie Pneumokokken oder Gruppe A-Streptokokken im Vergleich zu den kleineren, «atypischen» Mykoplasmen viel schneller. Das beeinflusst auch den langsameren Krankheitsverlauf durch Mykoplasmen. Wir vermuten daher, dass dies der Grund für das späte Wiederauftreten nach den Lockerungen der Massnahmen sein könnte.

«Es dauert, bis bei einer Infektion mit Mykoplasmen die ersten Symptome wie Husten und später auch Fieber auftreten. Das ist das Tückische.»

Ist auch die Inkubationszeit länger?

Ja, es dauert, bis bei einer Infektion mit Mykoplasmen die ersten Symptome wie Husten und später auch Fieber auftreten. Das ist auch das Tückische. Die Erreger lassen sich mehr Zeit, sodass sich die Kinder und Jugendlichen oder auch jungen Erwachsenen, die am häufigsten davon betroffen sind, sich zuerst noch fit fühlen und nicht im Bett bleiben. Deshalb nennt man es im Englischen auch «walking pneumonia», sozusagen eine «Laufende Lungenentzündung». Hinzu kommt, dass es intensiven Kontakt mit einem Infizierten braucht, damit man sich überhaupt erst ansteckt. Um an Mykoplasmen zu erkranken, reicht es grundsätzlich nicht aus, dass man wie bei Corona im Tram mal kurz angehustet wird.

«Weil Mykoplasmen keine Zellwand haben, brauchen sie spezielle Antibiotika, die anders wirken.»

Wie wird die Erkrankung behandelt?

Meistens geht die Infektion sogar von allein wieder weg. Nur in seltenen Fällen müssen die Kinder im Spital behandelt und gegebenenfalls mit Antibiotika und zusätzlichem Sauerstoff therapiert werden. Wichtig ist, dass das bekannte Standard-Antibiotikum Amoxicillin, von dem es derzeit einen Lieferengpass gibt, bei Mykoplasmen gar nicht wirkt. Dieses Antibiotikum wird primär für Kinder empfohlen, um die sonst häufigeren Pneumokokken als Ursache der Lungenentzündung zu behandeln.

Warum wirkt Amoxicillin nicht bei Mykoplasmen?

Dieses Antibiotikum blockiert die Produktion der Zellwand, sodass die grossen Bakterien dadurch letztlich absterben. Weil Mykoplasmen aber gar keine Zellwand haben, brauchen sie spezielle Antibiotika, die anders wirken. Normalerweise reicht es jedoch aus, bei ansonsten gesunden Kindern und Jugendlichen die üblichen Mittel gegen Husten und Fieber zu verwenden. Um sich nicht anzustecken, sind die gebräuchlichen Vorsichtsmassnahmen wie Handhygiene und Abstand zu Erkrankten empfehlenswert.

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