Klimaneutraler LuftverkehrNeue Flugrouten, weniger Kondensstreifen: So soll Fliegen nachhaltiger werden
Der Luftverkehr wächst, zum Schaden des Klimas. Klimaschädlich sind auch die Kondensstreifen. Bei diesen könnte nun ein Umdenken stattfinden – wenn die Industrie mitzieht.
- Die Luftfahrtindustrie wächst schnell, doch umweltfreundlichere Flugzeuge lassen auf sich warten.
- Langlebige Kondensstreifen tragen erheblich zur Erderwärmung bei.
- Die Luftfahrt hofft auf schnelle Fortschritte bei der Reduzierung von Kondensstreifen.
- Sparsamere Flugzeuge lassen auf sich warten.
Wird der Luftverkehr die selbst gesetzten Ziele einhalten und von 2050 an klimaneutral sein? Das ist derzeit bei den Branchenkonferenzen eine beliebte Frage. Wer sie gestellt bekommt, setzt dann in der Regel ein sehr ernstes Gesicht auf und sagt so etwas wie: Es wird sehr herausfordernd, aber wir müssen es einfach schaffen.
Die aktuellen Zahlen sprechen allerdings eher dagegen, dass die Luftfahrt die Wende hinbekommt. Die Branche ist im Jahr 2024 global mit mehr als elf Prozent gewachsen und liegt damit längst über dem Niveau von 2019, also bevor die Coronapandemie die Emissionen zeitweise drastisch reduzierte. Für das Jahr 2025 erwartet die International Air Transport Association (IATA) ein Wachstum von mehr als acht Prozent. Das will sie mit einer älter werdenden Flotte erreichen – die neuen, effizienteren Flugzeuge sind praktisch alle verspätet. Aus Umweltgesichtspunkten ist das kontraproduktiv, aber leisten können sich die Airlines das Wachstum unter anderem auch deshalb, weil der Treibstoffpreis laut Prognosen eher sinken soll. Sie fliegen zwar mehr, aber sie zahlen unter dem Strich weniger für den Sprit.
Das Problem mit den Kondensstreifen
Die Luftfahrt ist vermutlich für rund drei bis vier Prozent der globalen Kohlendioxidemissionen verantwortlich. Je schneller sie wächst, desto mehr wird der Anteil steigen, zumal es andere Sektoren leichter haben, auf erneuerbare Energien umzustellen. Die Zahl – die Branche nennt selbst gerne zwei bis drei Prozent als besser klingenden Wert – stellt aber nur einen Teil des Klimaeffektes der Fliegerei dar. Es kann gut sein, dass er tatsächlich eher doppelt so hoch ist, denn die bislang nur ungenügend erforschten Kondensstreifen, die die Abgase unter bestimmten klimatischen Bedingungen in der kalten Höhenluft bilden, tragen erheblich zur Erderwärmung bei.
Aber nicht alle Kondensstreifen sind klimaschädlich. Problematisch sind nur die langlebigen, nicht die kurzen weissen Streifen, die sich an klaren Tagen hinter den Flugzeugen bilden und schnell wieder auflösen. Tagsüber reflektieren sie einen Teil des Sonnenlichts und wirken in dieser Hinsicht sogar kühlend. Allerdings verhindern sie auch, dass Wärme von unten nach oben entweicht, und sind deswegen überwiegend schädlich. Nachts sogar ausschliesslich, da sie kein Licht abweisen, aber Wärme speichern können.
Neue Flugrouten können Kondensstreifen reduzieren
2025 könnte in Hinblick auf Kondensstreifen allerdings ein Umdenken stattfinden, mit womöglich relativ schnell erreichbarem Fortschritt, den Klimaeffekt des Luftverkehrs deutlich zu reduzieren. Zunächst einmal müssen die Fluggesellschaften in der Europäischen Union von 1. Januar an als Teil des Emissionshandels die Nicht-CO₂-Effekte ihrer Flüge überwachen und melden. Das allein bringt zwar noch nichts, aber dürfte zumindest dazu führen, dass die Kondensstreifen noch mehr ins Bewusstsein der Handelnden rücken.
In der Wissenschaft ist immer noch sehr umstritten, wie klimaschädlich die Kondensstreifen sind und was man gegen sie tun kann. Zu wenige Daten gibt es, zu wenig genaue Vorhersagemodelle. Eine naheliegende Idee: Wenn bekannt ist, dass in einer bestimmten Region klimatische Bedingungen herrschen, die die Entstehung von Kondensstreifen befördern, sollte diese einfach umflogen werden. Das sind vorwiegend kalte und feuchte Luftschichten. Ein Teil der Luftfahrtszene argumentiert allerdings, assistiert von Airlines, die komplizierte und teure Änderungen an den Flugverfahren fürchten, dass man mit Umwegen mehr Schaden verursachen würde – nämlich mehr Kohlendioxid ausstosse –, als durch das Vermeiden der Wölkchen an positivem Effekt erreicht werde.
Doch die auf den Verkehrssektor spezialisierte europäische Umweltorganisation Transport & Environment (T&E) betont in einer Studie, wie viel die Luftfahrt mit relativ wenig Änderungen erreichen könne: Nur 3 Prozent aller Flüge seien für 80 Prozent der durch Kondensstreifen verursachten Erderwärmung verantwortlich. Würde man diese Umwege fliegen lassen, würde das laut T&E zwar zu einem insgesamt 0,5 Prozent höheren Treibstoffverbrauch führen. Aber der positive Effekt, Kondensstreifen vermieden zu haben, sei dennoch 15- bis 40-mal grösser.
Der komplizierte Weg zum nachhaltigen Fliegen
Auf Fortschritte bei der Reduzierung von Kondensstreifen muss die Luftfahrt auch deswegen so sehr hoffen, weil es so schwer ist, den Ausstoss von Kohlendioxid zu reduzieren. Nicht nur, weil die Nachfrage trotz hoher Preise weiterhin steigt und mit ihr die Zahl der Flüge, sondern auch, weil die Entwicklungszyklen für neue Modelle so lang sind. Airbus und Boeing avisieren neue, sparsamere Flugzeuge mittlerweile eher für die zweite Hälfte der 2030er-Jahre. Auch neue Motoren wird es kaum vorher geben, auch wenn die Industrie heute schon Forschungsprojekte aufgelegt hat.
Elektrisches Fliegen kommt, da die Batterien noch viel zu schwer sind, auch langfristig nur für Kurzstrecken infrage, Wasserstoff ist vielversprechend, aber die Arbeiten an Infrastruktur und neuen Flugzeugen werden Jahrzehnte in Anspruch nehmen.
Ohnehin behalten Airlines ihre Jets in der Regel zwischen 25 und 30 Jahre, ein grosser Teil der in den nächsten Jahren produzierten Maschinen wird 2050 noch im Einsatz sein. Um ihre Klimawirkung zu reduzieren, setzt die Luftfahrt voll auf in industriellem Massstab produziertes SAF, zwei Drittel der Einsparungen soll der nachhaltige Treibstoff laut IATA beitragen. Doch passieren die Fortschritte viel langsamer als erhofft. Viele Projekte befinden sich in frühen Planungsstadien, es fehlt an Investoren. Und diejenigen, die investieren wollen, beklagen die immer noch grosse rechtliche Unsicherheit, welche Produktionsmethoden anerkannt werden, vor allem in der Europäischen Union.
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