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Klimaschäden durch private Luftfahrt
500-mal so hohe Emissionen wie der Durchschnitt

Parked airplanes are lined up at Zurich airport during the World Economic Forum (WEF) Davos, on Wednesday, January 18, 2023 in Zurich, Switzerland. The annual meeting of the World Economic Forum is taking place in Davos from January 16 until January 20, 2023. (KEYSTONE/Michael Buholzer)
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In Kürze:
  • Private Flugzeuge verursachen weltweit 15,6 Millionen Tonnen CO₂ jährlich.
  • Nur 0,003 Prozent der Weltbevölkerung nutzt Privatjets intensiv.
  • Seit 2019 steigen die CO₂-Emissionen der Privatflüge um 46 Prozent.
  • Forscher schlagen höhere Abgaben und stärkeren Einsatz synthetischer Treibstoffe vor.

Wenn kommende Woche die Weltklimakonferenz COP29 in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku beginnt, wird die Anzahl Flüge mit privaten Jets nach oben schnellen. So war es auch bei der letzten Weltklimakonferenz COP28 in Dubai Ende 2023, mit der 291 Privatflüge verknüpft sind, wie eine aktuelle Studie zeigt.

Bei anderen Grossanlässen sind es sogar noch mehr. In Zusammenhang mit dem World Economic Forum (WEF) im Januar 2023 gab es 660, bei der Fussball-WM in Katar Ende 2022 sogar 1846 Privatflüge.

Aber nicht nur zu solchen Anlässen, auch in die Ferien und selbst für sehr kurze Distanzen unter 50 Kilometer fliegen diejenigen, die sich das leisten können, gerne privat. Wie hoch die Treibhausgasemissionen aller Privatflüge rund um den Globus sind, haben Stefan Gössling, Professor für Tourismus an der Linné-Universität in Schweden, und Kollegen erstmals in einer Studie genau quantifiziert. Darüber berichten sie im Fachmagazin «Communications Earth & Environment».

In absoluten Zahlen betrachtet, sind die Emissionen des privaten Flugverkehrs zwar nicht sehr gross. 2023 waren es gemäss der Studie rund 15,6 Millionen Tonnen direkte CO₂-Emissionen. Das entspricht 1,7 bis 1,8 Prozent der Emissionen der gesamten kommerziellen Luftfahrt. Die Emissionen der privaten Luftfahrt werden allerdings von einem winzigen Teil der Bevölkerung verursacht: von nur 0,003 Prozent der Weltbevölkerung.

Anstieg der Emissionen um 46 Prozent

Pro Person sind die Emissionen durch das private Fliegen daher astronomisch hoch. So stellten die Studienautoren fest, dass die Vielflieger unter den Privatfliegern im Jahr 2023 für jeweils rund 2400 Tonnen CO₂-Emissionen verantwortlich waren. Das ist fast 500-mal mehr, als ein Mensch im globalen Durchschnitt verursacht. Wie die Studie weiter zeigt, stiegen die jährlichen CO₂-Emissionen aus dem privaten Flugverkehr zwischen 2019 und 2023 um 46 Prozent an.

«Das Problem ist, dass die sehr Reichen sich damit verteidigen, insgesamt nur geringe Emissionen zu verursachen», sagt Studienautor Gössling. «Gleichzeitig schaut der Rest der Bevölkerung auf die Reichen und ist der Meinung, selbst keine Emissionen reduzieren zu müssen, wenn all die Wohlhabenden auch nichts tun müssen.» Besonders die Schweiz ist ein Hotspot für Privatjets, wie eine von Greenpeace in Auftrag gegebene Studie gezeigt hat.

Laut Gössling sollte man den privaten Flugverkehr daher nicht als Sektor sehen, der wenig zu den gesamten Emissionen beiträgt, sondern als Aktivität: «Eine Stunde im privaten Flugzeug kann mehr zur Erderwärmung beitragen, als ein durchschnittlicher Mensch im Jahr emittiert», sagt Gössling. «Einige Nutzer privater Flugzeuge emittieren nur mit dieser Aktivität mehr als 50’000 Menschen in Zentralafrika insgesamt.»

Daten von 18,7 Millionen Privatflügen analysiert

Für ihre Studie haben Gössling und Kollegen die Flugdaten von rund 18,7 Millionen privaten Flügen analysiert. Dabei kamen zwischen 2019 und 2023 rund 26’000 Flugzeuge vom Typ Geschäftsreiseflugzeug zum Einsatz – insgesamt 72 verschiedene Modelle. Die Forschenden berechneten für jede Flugroute passend zum verwendeten Flugzeugmodell die CO₂-Emissionen.

Wie die Analyse der Reisemuster zeigt, waren fast 50 Prozent der Flüge kürzer als 500 Kilometer und rund 19 Prozent der Flüge kürzer als 200 Kilometer. Es sind auch viele Leer-, Liefer- oder Abholflüge darunter. Die Ergebnisse bestätigen zudem, dass Privatflüge oft routinemässig genutzt werden und in vielen Fällen das Auto aus Zeit- oder Bequemlichkeitsgründen zu ersetzen scheinen. Das zeige der Anteil von rund 5 Prozent Flügen, die kürzer als 50 Kilometer sind. Die saisonalen und wöchentlichen Ankunftsspitzen der Privatflieger in beliebten Reisezielen zeigen zudem, dass viele Flüge zu Freizeitzwecken durchgeführt werden.

Gemäss der Studie werden die Emissionen durch die private Luftfahrt in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen. Der Grund: Die Effizienzgewinne, etwa durch sparsamere Triebwerke oder bessere Aerodynamik, werden wahrscheinlich geringer ausfallen als die Wachstumsraten in diesem Markt. «Die Bedeutung der privaten Luftfahrt als Emissionsquelle dürfte daher sowohl relativ (Anteil an den weltweiten Emissionen) als auch absolut (Gesamtemissionen des Sektors) zunehmen», heisst es in der Studie.

Wäre synthetischer Treibstoff die Lösung? Oder Verbote?

Was tun? Könnte etwa die Verwendung von nachhaltig erzeugtem Flugbenzin dazu beitragen, die private Fliegerei weniger klimaschädlich zu machen?

Anthony Patt, stellvertretender Leiter des Instituts für Umweltentscheidungen der ETH Zürich, sieht darin durchaus eine Chance, auch wenn es aktuell noch keine nennenswerte Produktion von synthetischem Treibstoff gibt: «Alle derzeitigen Massnahmen der Regierungen – mittlerweile in fast allen wohlhabenden Ländern – sind der Förderung der Entwicklung und Verwendung alternativer Kraftstoffe gewidmet», sagt Patt, der nicht an der Studie beteiligt ist. «Die EU wie auch die Schweiz haben beispielsweise Gesetze erlassen, die im kommenden Januar in Kraft treten und vorschreiben, dass zunächst zwei Prozent der Flugkraftstoffe aus nicht fossilen Quellen stammen müssen. Diese zwei Prozent sollen bis zum Jahr 2050 auf 70 Prozent steigen, was sich jedoch mit zunehmender Erfahrung ändern und hoffentlich erhöhen könnte.»

Environmental activists of Stay Grounded and Greenpeace protest by being handcuffed to a aircraft during the European Business Aviation Convention and Exhibition (EBACE), at the Geneve Aeroport in Geneva, Switzerland, Tuesday, May 23, 2023. Europe?s premier on-demand aircraft and advanced air mobility event is taking place in Geneva from 23 to 25 may. (KEYSTONE/Laurent Gillieron)

Aus der Perspektive der Gerechtigkeit könnte man laut Patt die Einführung des heute vergleichsweise teuren synthetischen Treibstoffs in der privaten Luftfahrt noch schneller vorantreiben, zum Beispiel, indem die private Luftfahrt verpflichtet wird, die Klimaneutralität schon früher zu erreichen als die kommerzielle Luftfahrt, vielleicht schon 2040. «Ich sehe ein solches Argument auf denselben moralischen Grundlagen wie die Forderung nach höheren Einkommenssteuersätzen für extrem reiche Menschen», sagt Patt.

Der ETH-Forscher kann sich allerdings auch vorstellen, dass einige Länder, darunter die Schweiz, für diese Argumente nicht empfänglich sind. «Denn sie wollen extrem reiche Menschen als Einwohnerinnen und Einwohner für ihr Land gewinnen.»

Drei Flugstunden für 110’000 Franken

Stefan Gössling rechnet indes nicht damit, dass synthetische Treibstoffe in absehbarer Zeit relevant werden. «Es ist ein Mythos, zu glauben, dass wir das Emissionsproblem im Flugverkehr mit Technologie lösen werden.» Die weltweit einzige funktionierende Pilotanlage im deutschen Werlte habe nach zwei Jahren fünf Tonnen synthetischen Treibstoff produziert und das zu einem Preis von über 19’000 Franken pro Tonne. «Damit können Sie einen Privatjet drei Stunden lang fliegen, zum Preis von rund 110’000 Franken. Eine Skalierbarkeit zu grösseren Mengen ist also weder technisch noch ökonomisch gegeben.»

Zudem sei die Menge an Strom, die für die Herstellung synthetischer Treibstoffe gebraucht werde, gewaltig. «Wir müssen weniger fliegen, anders ist das Problem in absehbarer Zeit nicht zu lösen», sagt Gössling. «Darum sollten die Reichen mindestens die Umweltkosten ihrer Aktivitäten tragen, was sie ja auch können – das wären im Flugverkehr inklusive der Nicht-CO₂-Klimaeffekte wie Kondensstreifen mindestens 600 Franken pro emittierter Tonne CO₂.»

Zusätzlich braucht es laut Gössling noch höhere Landeabgaben, «da die Kosten für CO₂ allein nicht reichen werden, um Verhaltensänderungen bei den sehr Reichen zu fördern.» Wie hoch diese Landeabgaben sein müssten, um zumindest einen Teil des Flugverkehrs zu verhindern, müsse allerdings noch erforscht oder ausprobiert werden. Letztlich sind laut Gössling aus der Perspektive des Klimaschutzes sicherlich auch Verbote notwendig. «Der Grund sind, wie wir in der Studie zeigen, viele wirklich unnötige Flüge, etwa über sehr kurze Strecken und zu Freizeitzwecken.»

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