Abgabe für Privat- und BusinessjetsReiche sollen für Privatjetflüge Extrasteuer bezahlen
Auf Flüge von Privatjets soll eine Abgabe zwischen 500 und 3000 Franken fällig werden. Dabei wollten Politikerinnen und Politiker beim neuen CO₂-Gesetz auf neue Abgaben verzichten.
«Unerklärlich» ist der Entscheid, zumindest für Jorge V. Pardo. «Es ist eine Copy-Paste-Übung», sagt der Geschäftsführer des Verbands Schweizer Flugplätze (VSF). Dabei habe das Stimmvolk doch Nein zu neuen Abgaben gesagt.
Was ist passiert? Die nationalrätliche Umweltkommission will Flüge von Privat- und Businessjets verteuern mit einer Abgabe von 500 bis 3000 Franken pro Flug. Indes, neue Abgaben galten bis vor kurzem als Tabu. Der Grund: Im Sommer 2021 verwarf das Stimmvolk das revidierte CO₂-Gesetz, das Autofahren, Heizen und Fliegen verteuern wollte.
Daraufhin präsentierte der Bundesrat eine neue Version, die auf finanzielle Anreize und Technologiefortschritt setzt – ohne neue Abgaben. Der Ständerat ist dieser Linie in der Herbstsession gefolgt, anders als jetzt die nationalrätliche Umweltkommission. Das Geschäft kommt wohl in der Wintersession in den Nationalrat.
«Wer sich Ferienreisen mit einem Privatjet leisten kann, wird kaum auf solche Flüge verzichten.»
Unternehmen, Geschäftsleute und Wohlhabende sollen also extra zahlen müssen – das Gros der Bevölkerung dagegen nicht: Auf eine Flugticketabgabe für kommerzielle Flüge verzichtet die Kommission. Der Entscheid fiel mit 14 zu 9 Stimmen, durchgesetzt hatte sich dem Vernehmen nach eine Mitte-links-Allianz.
FDP-Nationalrat Matthias Jauslin, selber Mitglied der Kommission, ist damit nicht einverstanden. Er spricht von einer «Neid-Steuer» ohne jede Lenkungswirkung: «Wer sich Ferienreisen mit einem Privatjet leisten kann, wird kaum wegen einiger Hundert Franken auf solche Flüge verzichten», sagt Jauslin, der den Aero-Club der Schweiz präsidiert. Bei der 2021 gescheiterten Revision war Jauslin noch für die Privatjetabgabe. Diese habe Sinn ergeben, weil gleichzeitig eine Flugticketabgabe geplant gewesen sei und alles in ein Gesamtkonzept gepasst habe.
Ob die neue Abgabe den Flugverkehr reduzieren könnte, ist zumindest fraglich. Die Kommission schreibt in ihrer Mitteilung von letzter Woche nichts dazu. Vielmehr betont sie, sie wolle mit der Abgabe zusätzliche Gelder für den Klimaschutz generieren.
Letztes Jahr hoben gemäss einer Studie im Auftrag von Greenpeace Business- und Privatjets über 35’000-mal von Schweizer Flugplätzen ab. Bei einer Abgabe von 500 Franken und mehr ergäbe das Einnahmen von mindestens 17,5 Millionen Franken. Davon würde nach dem Willen der Kommission ein Drittel in den Klimaschutz fliessen, zwei Drittel würden an die Bevölkerung und Wirtschaft verteilt – wie heute bei den Einnahmen aus der CO₂-Abgabe auf Brennstoffe.
«Die Abgabe ist sozialpolitisch unbedenklich, da sie den Mittelstand nicht trifft.»
Dieses zusätzliche Geld halten die Befürworter der neuen Abgabe mit Blick auf den fortschreitenden Klimawandel offenbar für nötig. «Die Abgabe ist auch sozialpolitisch unbedenklich, da sie den Mittelstand nicht trifft», sagt SP-Nationalrat Roger Nordmann.
Weiter argumentieren die Befürworter, der gewöhnliche Flugverkehr werde ebenfalls in die Pflicht genommen. Die Kommission will den Einsatz erneuerbarer Treibstoffe fördern – wie der Bundesrat mit einer Beimischpflicht für erneuerbare Flugtreibstoffe.
«Ohne Abgabe wäre die Privatfliegerei von jeder Verpflichtung befreit», sagt Nordmann. «Das wäre ungerecht.» Offen ist freilich, inwieweit diese Beimischpflicht das Fliegen für die Bevölkerung verteuern wird. Die Fluggesellschaft Swiss etwa rechnet damit, dass Flugtickets durch die Transformation zu einem nachhaltigeren Luftverkehr «eher teurer» werden, allerdings erst mittel- und langfristig.
Abwanderung befürchtet
Ungerecht: Dieser Eindruck besteht auch unter den Gegnern der Abgabe. Der Grund: Die Privat- und Businessfliegerei könnte regionale Flughäfen in der Schweiz künftig meiden und ins benachbarte Ausland ausweichen, etwa vom Airport St. Gallen-Altenrhein zum deutschen Bodensee-Airport in Friedrichshafen.
Thomas Krutzler ist Chef der People’s Air Group, die den Flugplatz St. Gallen-Altenrhein betreibt. Er sagt zwar, die Auswirkungen könnten zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht exakt beziffert werden. Die Massnahme hätte aber sicher einen relevanten, ökonomisch und volkswirtschaftlich negativen Einfluss auf den Standort Flugplatz Altenrhein. «Eine mögliche Auswirkung wäre eine Abwanderung ins benachbarte Ausland, womit die eigentliche CO₂-Thematik nicht gelöst wäre.»
Und VSF-Geschäftsführer Pardo sagt: «Mit einer Abgabe von bis zu 3000 Franken nimmt man in Kauf, dass schweizerische Geschäftsluftfahrt gegenüber ausländischen Anbietern nicht mehr konkurrenzfähig ist und somit keine Überlebensfähigkeit mehr hat.»
Klimaschützer fordern Verbot
Klimaschützer zeigen sich unbeeindruckt. Ein Teil von ihnen will weitergehen. Vor zwei Wochen haben über 75 Organisationen in einem offenen Brief ein Verbot von Privatjets verlangt. Adressiert war das Schreiben nicht nur an die EU-Kommissarin für Verkehr, Adina Vălean, sondern auch an alle Verkehrsminister der EU-Länder, Grossbritannien sowie an die Schweiz, also auch an Energieminister Albert Rösti.
Doch die Forderung ist politisch bislang chancenlos geblieben – nicht nur in der Schweiz. Zwar gibt es in der EU durchaus Staaten, die sich zumindest für strengere Vorschriften für Privatjets aussprechen. Doch trotz dieses Drucks hat EU-Verkehrskommissarin Adina Vălean diesen Sommer klargemacht, sie habe «nicht die Absicht», vor dem Ende der Amtszeit der aktuellen EU-Kommission neue Massnahmen für Privatjets vorzuschlagen. Das wäre als Ende Oktober 2024.
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