Analyse zu klimafreundlichem FliegenDie Luftfahrtbranche muss nun beweisen, dass sie Klimaschutz ernst nimmt
Dass immer mehr geflogen wird, lässt sich nicht verhindern. Das muss nicht in die Klimakatastrophe führen.
Flugreisen gehören zu den schmutzigsten Stunden des Lebens. Trotzdem steigen immer mehr Menschen ins Flugzeug. 2025 erwartet der internationale Dachverband der Luftverkehrsgesellschaften sogar einen neuen Rekord: Erstmals wird weltweit mit mehr als fünf Milliarden Passagieren gerechnet.
Auch nach 2025 dürfte der Trend nur eine Richtung kennen: nach oben. Studien sagen weltweit eine Verdreifachung des Luftverkehrs bis 2050 voraus. Denn immer mehr Menschen können sich Flugreisen leisten. Ganz vorne mit dabei sind die Schweizerinnen und Schweizer dank ihrer hohen Kaufkraft.
Muss dieser Trend gestoppt, wenn nicht sogar umgedreht werden, damit Fliegen überhaupt je klimaneutral werden kann?
Einfacher zu erreichen wären die Klimaziele durch einen reduzierten Flugverkehr mit Sicherheit. Andererseits zeigen Klimamodelle: Wir können die Erderwärmung auch unter Beibehalt eines gewissen Flugverkehrs stoppen.
Die Klimastrategie der Schweiz verlangt, dass die Luftfahrt bis 2050 unter dem Strich klimaneutral wird. Daher wird die Schweiz im Rahmen der 2025 in Kraft tretenden CO₂-Verordnung eine Beimischpflicht für nachhaltiges Kerosin, das sogenannte Sustainable Aviation Fuel, kurz SAF, von der EU übernehmen. Zunächst soll SAF zu 2 Prozent beigemischt werden, bis 2050 sollen es mindestens 70 Prozent sein. Viele andere Länder verfolgen eine ähnliche Strategie. Zusammen mit weiteren Massnahmen soll es damit gelingen, die Luftfahrt klimaneutral zu machen.
Produktion von nachhaltigem Kerosin ist entscheidend
Auf dem Papier sieht dieser Ansatz vielversprechend aus. Er steht und fällt aber mit der Frage: Gelingt es, SAF schnell genug in ausreichender Menge und mit geringen CO₂-Emissionen herzustellen? 2024 wurden weltweit nur eine Million Tonnen SAF produziert anstatt der angepeilten 1,5 Millionen Tonnen – gerade einmal 0,3 Prozent des gesamten Kerosins. In den kommenden Jahren muss sich also einiges tun, damit die heute noch minimalen Produktionskapazitäten rasch ansteigen.
Gelungen ist etwas Vergleichbares bei der Photovoltaik (PV). Die ersten PV-Module waren kaum erschwinglich, die Produktionskapazitäten gering. Doch dank der Einspeisevergütung liess sich mit Photovoltaik auf dem Dach sogar Geld verdienen. Der Markt für PV-Module wuchs enorm schnell an.
Ganz entsprechend soll die Beimischpflicht die Produktionskapazitäten von SAF schnell nach oben und die Preise rasch nach unten bringen. Die Beimischung wird die Flugtickets etwas teurer machen. Aber da zunächst nur wenig SAF hinzukommt und dessen Preis dank der wachsenden Produktion sinken wird, dürfte der Aufschlag zumindest für die Schweizer Kaufkraft zu verkraften sein.
Nun muss die Luftfahrtbranche unter Beweis stellen, dass der Ansatz mit der Beimischpflicht auch wirklich funktioniert und die Emissionen des Fliegens wie gewünscht gegen netto null sinken.
Wenn die Strategie aufgeht, wären künstlich überteuerte Tickets oder gar Flugverbote im Namen des Klimaschutzes im Grunde unnötig. Wenn die Strategie – wie manche Experten befürchten – in der Praxis nicht so gut klappt wie auf dem Papier, könnte eine politische Begrenzung des Luftverkehrs in wenigen Jahren eine reale Option werden. Das ist das Letzte, was die Luftfahrtbranche haben möchte. Sie hat also allen Grund, die angekündigten Emissionsreduktionen auch umzusetzen.
Im Artikel stand ursprünglich, dass die Schweiz ab kommendem Jahr eine Beimischpflicht für nachhaltiges Kerosin einführt. Korrekt ist, dass die Schweiz im Rahmen der 2025 in Kraft tretenden CO2-Verordnung die Beimischpflicht von der EU übernimmt. Sie wird in der Schweiz aber voraussichtlich erst 2026 in Kraft treten.
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