Todesfälle wegen ErderwärmungSorgt der Klimawandel dafür, dass mehr Neugeborene sterben?
Einer Studie zufolge sorgt die zunehmende Hitze auf dem Planeten für einen Anstieg der Todesfälle bei den Kleinsten – Kälte bleibt vorläufig jedoch das grössere Risiko.

Menschen sind zu kaum einem Zeitpunkt so verletzlich wie als Neugeborene. Das fängt bei der Temperatur an. In den ersten Stunden und Tagen nach der Geburt ist die Thermoregulation des Körpers eingeschränkt, zugleich läuft der Stoffwechsel auf Hochtouren. Ist es zu kalt, verliert der Körper im Vergleich zu Erwachsenen viel mehr Wärme. Ist es zu heiss, kann er sich noch kaum mit Schwitzen abkühlen.
Experten vermuten daher schon länger, dass zu grosse Hitze oder Kälte erheblich dazu beiträgt, dass jährlich 2,3 Millionen Kinder den ersten Monat ihres Lebens nicht überleben. Allerdings ist die Datenlage dazu nicht üppig. Neun von zehn Todesfällen im frühen Säuglingsalter ereignen sich in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Pro-Kopf-Einkommen.
Stirbt ein Neugeborenes, liegt es meist nicht an der Temperatur
Ein Team um Asya Dimitrova vom deutschen Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung analysierte nun Gesundheitsdaten der US-Entwicklungsbehörde Usaid aus 29 ärmeren Staaten. Diese kombinierten sie mit Temperaturmessungen aus den Jahren 2001 bis 2019, um den Einfluss des Klimawandels zu bestimmen.
In den allermeisten Fällen liegt es nicht an der Temperatur, wenn ein Neugeborenes stirbt. Komplikationen bei der Geburt, Missbildungen oder Infektionen sind für den Grossteil der Todesfälle ursächlich. Auf Hitze zurückzuführen sind laut den Forschern rund 1,5 Prozent der Tode von Säuglingen im Alter von unter einem Monat. Davon sei wiederum jeder dritte Fall der Erderwärmung zuzurechnen.
Kälte ein grösseres Todesrisiko als Hitze
Die Zahlen mögen gering erscheinen, sie bedeuten jedoch, dass die Erderwärmung innerhalb von 18 Jahren zu 343’000 zusätzlichen hitzebedingten Todesfällen unter Neugeborenen allein in den betrachteten Ländern geführt hat. In Indien ist der Effekt mit 91’000 zusätzlichen Todesfällen besonders gross, was auch an der grossen Bevölkerungszahl des Landes liegt, gefolgt von Nigeria mit 66’000 Fällen.
Trotzdem ist Kälte bislang ein grösseres Risiko für Neugeborene als Hitze. Auf zu niedrige Temperaturen sind demnach insgesamt 2,9 Prozent der Todesfälle zurückzuführen. Hier hat der Klimawandel sogar einen mildernden Effekt: Infolge steigender Temperaturen gab es in den 29 Ländern wohl 600’000 kältebedingte Todesfälle weniger, als ohne den Klimawandel zu erwarten gewesen wären.
Die Autoren warnen indes, dass dies nicht so bleiben muss. «Mit fortschreitendem Klimawandel werden diese Gewinne wahrscheinlich durch die zunehmende hitzebedingte Sterblichkeit überholt», heisst es in der Studie. In einzelnen Ländern wie Bangladesh und Nepal ist das bereits jetzt der Fall. Auch wenn man nur die Zahlen am ersten Lebenstag betrachtet, wo Neugeborene besonders anfällig sind, überwiegen die zusätzlichen hitzebedingten Todesfälle.
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