Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Sorge um Standortattraktivität
Kanton Zug will OECD-Millionen an Rohstoffgiganten zurückzahlen

Erhält Glencore bald Subventionen aus der Schweiz für Verbesserungen an den örtlichen Bedingungen? Tagbaumine für Kobalt und Kupfer in der Demokratischen Republik Kongo.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Die Schweiz erlebt gerade einen Abstimmungskampf voller Kuriositäten: Da wehren sich weite Teile der Linken gegen eine grossflächige Gewinnsteuererhöhung für grosse Unternehmen auf mindestens 15 Prozent und setzen sich für ein Nein ein. Da kämpfen die Bürgerlichen aufgrund des grossen internationalen Drucks für die Aufgabe der Souveränität in Steuerfragen und ein Ja.

Und da sollen der Staatskasse ab 2027 gemäss Schätzungen des Bundes 1 bis 2,5 Milliarden Franken mehr pro Jahr zufliessen – aber kaum jemand weiss, was mit dem Geld geschehen soll. Während es üblicherweise in solchen Situationen nicht an Ideen fehlt, sind Antworten in diesem Fall nicht leicht zu finden.

Auf der Suche danach rücken die Kantone ins Blickfeld: Im Dezember hat das Parlament bestimmt, dass drei Viertel der Mehreinnahmen an jene Kantone gehen, in denen die zusätzlichen Einnahmen anfallen. Ein Viertel fliesst an den Bund. (In unserem Dossier finden Sie alle weiteren Informationen zur Abstimmung am 18. Juni.)

Aargau und Zürich haben noch keine Pläne

Die Antworten verschiedener kantonaler Finanzdirektionen auf Anfragen dieser Zeitung lassen allerdings viele Fragen offen: «Höchst unsicher» seien Schätzungen zu den Auswirkungen der Mindeststeuer, schreibt ein Sprecher des Kantons Zürich. Die Mehreinnahmen würden gering ausfallen. Ideen, wie der Kanton das Geld ausgeben könnte, nennt er darum nicht.

Der Kanton Aargau rechnet mit höchstens 20 Millionen Franken zusätzlicher Einnahmen. Aufgrund der grossen Unsicherheiten handle es sich dabei allerdings um eine grobe Schätzung, schreibt eine Sprecherin. Die Überlegungen, was mit den Geldern geschehen solle, stünden noch am Anfang.

Die Rückmeldungen aus diesen zwei wichtigen Wirtschaftskantonen sind erstaunlich. Das Beratungsbüro BSS kam in einer Studie, die es vergangenen Sommer im Auftrag der SP durchgeführt hatte, nämlich zu einem ganz anderen Ergebnis: Der Aargau dürfe mit 189 Millionen Franken Mehreinnahmen pro Jahr rechnen, Zürich mit 187 Millionen.

Bloss Basel-Stadt mit 272 Millionen und Zug mit 242 Millionen, Tiefststeuerkantone und Sitz einer Vielzahl internationaler Konzerne, dürften mit der geplanten Reform mehr einnehmen, so BSS. Die Studie ist zwar mit mehreren strukturellen Schwächen behaftet. So berücksichtigte sie keine möglichen Verhaltensänderungen der Firmen oder Fragen der sogenannten Steuerausscheidung zwischen den Kantonen. Sie ist darum eher als grobe Annäherung denn als genaue Prognose zu lesen.

Andere kantonsübergreifende Arbeiten zum Thema gibt es jedoch nicht. Während Basel-Stadt das Ergebnis als «unzutreffend» zurückweist, dürfte der Wert für den Kanton Zug laut dessen SVP-Finanzdirektor Heinz Tännler in etwa stimmen.

David Roth, Vizepräsident der SP Schweiz, macht bei den Kantonen eine Verschleierungstaktik aus. «Dass viele von ihnen nicht bekannt geben wollen, wie sie das zusätzliche Geld einzusetzen planen, überrascht mich nicht.»

Die SP bekämpft die Vorlage mit dem Argument, die Verteilung im Verhältnis drei zu eins zugunsten der Kantone befeuere einen ungesunden Standortwettbewerb. An einer Medienkonferenz forderte die Partei am Donnerstag zusammen mit dem Gewerkschaftsbund und dem Verband der Hilfswerke Alliance Sud ein Verhältnis von mindestens Hälfte-Hälfte.

Wettmachen, dass der Steuervorteil wegfällt

Die Befürworter der Vorlage seien sich bewusst, dass die Bevölkerung Grosskonzernen gegenüber kritisch eingestellt sei, sagt Roth. «Darum versuchen sie, nicht über die genaue Verwendung der Gelder zu sprechen, obwohl klar ist, dass sie sie den Firmen so schnell wie möglich wieder zuschanzen wollen.»

Zumindest im Grundsatz sind die Befürworter der Vorlage diesbezüglich allerdings transparent: Wie ebenfalls am Donnerstag ein Komitee aus Vertretern bürgerlicher Parteien an einer Medieninformation betonte, sollen die Kantone die zusätzlichen Mittel für massgeschneiderte Verbesserungen zugunsten der Unternehmen ausgeben.

Der Gedanke dahinter: Dadurch wird zumindest teilweise ausgeglichen, dass viele Kantone – die meisten haben heute Gewinnsteuersätze von unter 15 Prozent – durch die Steuererhöhung einen Standortvorteil verlieren. Dabei sind direkte Subventionen zwar verboten, doch sind der Kreativität darüber hinaus keine Grenzen gesetzt.

«Wir wollen zwar das gesamte zusätzliche Geld ausgeben, aber nicht alles direkt zu den Firmen zurückschieben.»

Heinz Tännler, Finanzdirektor des Kantons Zug

Das beweist jetzt ausgerechnet der Kanton Zug, der deutlich transparenter als alle anderen Kantone ausweist, welche Ideen er wälzt: Wie Finanzdirektor Tännler erklärt, ist man sich in der Regierung einig, dass der Kanton nach Jahren des Stillstands Kindertagesstätten stärker subventionieren wolle.

«Auch Investitionen in den öffentlichen Verkehr, in internationale Schulen oder den preisgünstigen Wohnungsbau sind ein Thema», sagt Tännler. «Wir wollen zwar das gesamte zusätzliche Geld ausgeben, aber nicht alles direkt zu den Firmen zurückschieben.» Dies sei «vor dem Hintergrund einer ausbalancierten Gesellschaft» sinnvoll.

Rund ein Drittel der Mehreinnahmen wolle der Kanton so einsetzen, dass er der Bevölkerung als Ganzes zugutekäme. Der Rest solle über Massnahmen wie die Förderung von Forschung und Entwicklung direkt der Wirtschaft zufliessen. Bei solchen Instrumenten können Firmen entsprechende Ausgaben vom steuerbaren Gewinn abziehen. Davon könnten insbesondere Roche und Novartis profitieren, die im Kanton Basel-Stadt wichtige Standorte betreiben.

Abzüge für Forschung und Entwicklung? Der Novartis-Campus in Basel.

Ebenfalls als direkte Investition zugunsten der Wirtschaft zählt die «Förderung von Umwelt- und Sozialverträglichkeit des Rohstoffabbaus», die die Kantonsregierung in einem Bericht nennt. Schweizer Steuergeld für den umweltbewussten Betrieb von Kupfer- oder Kobaltminen in Afrika, deren Besitzer wie Glencore am Zugersee sitzen?

«Tatsächlich sind wir der Meinung, dass das eine Möglichkeit wäre, unseren Standort für die Wirtschaft attraktiv zu halten», sagt Tännler. Entschieden sei noch nichts.

Im Kanton Basel-Stadt laufen die entsprechenden Arbeiten ebenfalls «sehr intensiv», wie ein Sprecher des Finanzdepartements mitteilt. In Prüfung befänden sich ähnlich wie in Zug Unterstützungsgelder für Kitas und Instrumente im Bereich Forschung und Entwicklung sowie Klimaschutzmassnahmen für Unternehmen. Davon dürfte vor allem die Pharma- und Chemieindustrie profitieren.

«Wir und Basel-Stadt werden am meisten Mehreinnahmen über die Steuererhöhung für die Unternehmen erhalten», sagt Tännler. «Darum sind unsere Verwaltungen auch mit Abstand am weitesten, was die Planungen für die Verwendung des Geldes angeht.»

Zug und Luzern haben schon Steuerprojekte aufgegleist

SP-Politiker Roth kann das nachvollziehen, ergänzt jedoch: Der Kanton Luzern sei bereits vergangenes Jahr vorangegangen und habe ein Paket aufgegleist, im Rahmen dessen er unter anderem die Kapitalsteuer für Unternehmen abschaffen wolle.

«Total wird der Kanton damit doppelt so viel Steuereinnahmen verlieren, wie er dank der OECD-Steuerreform einnehmen könnte», kritisiert Roth. «Das führt die Steuerreform ad absurdum.» Gemäss der BSS-Studie soll der Kanton Luzern dank des OECD-Projekts jährlich rund 55 Millionen Franken mehr einnehmen.

Auch der Kanton Zug hat ein Steuersenkungspaket in der Pipeline, mit dem er natürliche Personen um 100 Millionen Franken entlasten will. Das habe nichts mit der OECD-Reform zu tun und sei lange davor aufgegleist worden, sagt Tännler. Roths Antwort: «Aber es zeigt, dass der Kanton Zug nicht mehr weiss, was er mit seinem vielen Geld machen soll. Wir sollten nicht zulassen, dass er noch mehr davon erhält, während der Bund laufend Sparpakete schnüren muss.»