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Druck von Trump und Co.
Von wegen «Woke ist tot»: Inklusion lohnt sich für Firmen

Person mit Regenschirm geht an einem Schaufenster von Jelmoli vorbei, das in Regenbogenfarben dekoriert ist, in Zürich.
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In Kürze:
  • Grosse US-Firmen reduzieren ihre Inklusionsmassnahmen wegen politischen Drucks und juristischer Risiken.
  • Mark Zuckerberg will bei Meta den Fokus hin zu «männlicher Energie» verlagern.
  • Schweizer Unternehmen betonen die Wichtigkeit von Inklusion und halten an aktuellen Programmen fest.
  • Fachkräftemangel und positive finanzielle Effekte motivieren Schweizer Firmen, DEI weiterzuführen und auszubauen.

Die grössten Konzerne der Welt überboten sich in den letzten Jahren damit, wer am inklusivsten ist. Sie schufen Gleichstellungs­beauftragte, förderten Frauen, und im sogenannten Pride-Monat konnte der Regenbogen im Logo gar nicht bunt genug schillern.

Doch seit kurzem scheint alles anders: McDonald’s, Ford und Walmart sind nur einige der US-Unternehmen, die angekündigt haben, ihre Massnahmen für Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion – auf Englisch Diversity, Equity and Inclusion (DEI) – herunterzufahren. Meta, der Mutterkonzern von Facebook und Instagram, will das Inklusionsteam gleich ganz streichen. Stattdessen möchte Meta-Chef Mark Zuckerberg wieder mehr «männliche Energie» in den Unternehmen.

Donald Trump verkündete als eine seiner ersten Handlungen im Amt, alle Inklusionsprogramme in der Verwaltung zu streichen. Auf Elon Musks Nachrichtenplattform X frohlocken zahlreiche Nutzer, dass «woke» tot sei und endlich wieder «Vernunft einkehre» bei den Unternehmen. Es soll in der Arbeitswelt einzig «die Leistung» zählen, Hautfarbe und Geschlecht dürften dabei nicht beachtet werden.

«Firmen können sich Abkehr von DEI nicht leisten»

Werden sich nun auch Schweizer Grossfirmen von Diversität und Inklusion verabschieden? 

Ziemlich sicher nicht, sind mehrere angefragte Expertinnen und Experten überzeugt. «Schweizer Firmen können sich eine Abkehr von DEI nicht leisten», sagt Daniela Frau, Dozentin an der Zürcher Hochschule ZHAW und Expertin für Inklusion, Diversität und soziale Nachhaltigkeit in Unternehmen. Zahlreiche Studien hätten gezeigt, dass sich die Förderung von Minderheiten für Unternehmen langfristig finanziell lohnen würde.

«Gerade mit dem demografisch bedingten Fachkräftemangel sind die Unternehmen darauf angewiesen, eine inklusive Kultur zu fördern und als gute Arbeitgeber für alle angesehen zu werden. Also auch von Frauen und Minderheiten», sagt Daniela Frau.

Die Mitarbeitenden inklusiver Firmen sind zufriedener

Unter anderem die Wirtschaftsprüferin Ernst & Young kam zum Schluss, dass europäische Unternehmen mit guten Inklusionsmassnahmen finanziell stärker wuchsen als solche, die weniger für Inklusion taten. Auch identifizierten sich deren Mitarbeitende stärker mit der Firma, und sie waren generell um einiges zufriedener mit ihrem Job.

«Auch wenn wir nach der Pandemie eine gewisse Ermüdung bezüglich DEI gesehen haben, sehen viele Unternehmen deren positive Effekte und wollen daran festhalten», sagt Robin Errico, Chief Risk Officer bei EY Schweiz. Richtig umgesetzt, würden «alle von Inklusion und Gleichstellung profitieren».

Eine Umfrage bei zehn grossen Schweizer Firmen bestätigt die Einschätzung der Expertinnen. Egal ob Bank oder Detailhändler: Alle betonen, dass ihnen Inklusion sehr wichtig ist und sie an ihren aktuellen Programmen festhalten und diese zum Teil noch ausbauen wollen.

«Inklusives Klima» gegen Fachkräftemangel

So schreibt zum Beispiel die UBS: «DE&I ist nach wie vor ein zentraler Bestandteil der Unternehmenskultur und -strategie. Wir halten an unseren definierten Zielen fest.» Der Zementhersteller Holcim will einen höheren Frauenanteil in der Geschäftsleitung erreichen und führt dafür unter anderem Mentoringprogramme für Frauen.

Die Fluglinie Swiss, die seit Jahren an Pride-Veranstaltungen vertreten ist, begründet ihr Engagement auch mit dem Erfolg, den sie damit auf dem Arbeitsmarkt habe: «Ein inklusives Klima zieht auch neue Mitarbeitende an. So sind wir in der glücklichen Lage, dass wir auf ausgeschriebene Positionen jeweils auch viele gute Bewerbungen erhalten – trotz des Fachkräftemangels.»

DEI hat in den USA zwei Probleme

Dass in den USA nun dennoch viele grosse Firmen verkünden, ihre DEI-Programme zurückzufahren, hat in erster Linie zwei Gründe: Donald Trump und der oberste amerikanische Gerichtshof.

Trump und seine republikanische Wählerschaft sind erklärtermassen gegen alles, was auch nur entfernt mit dem Begriff «woke» in Verbindung stehen könnte. Das schliesst Gleichstellungsmassnahmen mit ein. Für Firmenchefs wie etwa Metas Mark Zuckerberg dürfte deshalb die Versuchung gross sein, sich auf Kosten der Inklusion mit Trump gut zu stellen.

Noch gefährlicher als Trump dürfte für US-Firmen indes das oberste Gericht der USA sein, der sogenannte Supreme Court. Dessen konservative Mehrheit hatte 2023 bereits Fördermassnahmen für afroamerikanische Studierende für widerrechtlich erklärt.

In den nächsten Monaten wird der Supreme Court nun über einen Fall von sogenannter umgekehrter Diskriminierung verhandeln. Eine heterosexuelle Frau bewarb sich zweimal vergeblich um eine Stelle. Stattdessen erhielt diese einmal ein schwuler Mann und einmal eine lesbische Frau. Darauf witterte sie Diskriminierung aufgrund ihrer Sexualität.

Gibt der Supreme Court der Frau recht, könnte das zu zahlreichen weiteren ähnlichen Klagen führen. Angehörige von Mehrheiten könnten sich auf  Anti-Diskriminierungs-Gesetze berufen, wenn zum Beispiel ein Unternehmen gezielt Minderheiten fördert. Solche Diskriminierungsklagen können Unternehmen Millionen an Schadenersatz kosten. 

Abkehr von DEI teils nur auf dem Papier

Dem wollen Unternehmen zuvorkommen, indem sie das Wording ihrer Programme anpassen. McDonald’s nennt zum Beispiel das «Diversity-Team» in «Globales Inklusionsteam» um. Im Statement zu den Massnahmen verweist das Unternehmen explizit auf die veränderte juristische Lage. Andere Anpassungen, zum Beispiel beim Detailhändler-Riesen Walmart, scheinen einschneidender zu sein: Walmart beendet zum Beispiel ein 100 Millionen Dollar teures Förderprogramm für Minderheiten.

McDonald’s Logo mit umgekehrten goldenen Bögen in Lynwood, Kalifornien, zum Internationalen Frauentag 2018.

Für Michel Rudin ist es wichtig, von der Situation in Amerika nicht voreilig auf die Schweiz zu schliessen. «Was DEI angeht, waren und sind die USA an einem ganz anderen Punkt als wir hier.» Rudin hat unter anderem das Swiss Diversity Forum mitgegründet. Die Programme in Amerika seien viel ausführlicher und zum Teil auch lauter.

Dass jetzt einige Firmen ihre Strategie ändern, überrascht ihn nicht. Das seien vor allem diejenigen, die mehr aus Opportunismus denn aus Überzeugung Gleichstellung betrieben hätten. Diese dürften jedoch auch kaum von DEI profitiert haben.

Rudin erwartet, dass es in Zukunft eher mehr Inklusionsmassnahmen geben wird, schon nur wegen des Fachkräftemangels. «Besonders ältere Menschen dürften im Fokus stehen.» Dabei würden Firmen bei ihren DEI-Programmen wahrscheinlich weniger plakativ vorgehen als in den letzten Jahren.

Michel Rudin findet das jedoch nicht schlecht: «Es ist nicht die Aufgabe von Unternehmen, Politik zu betreiben, sondern ihren Arbeitnehmenden Sorge zu tragen.» Dazu gehöre auch, diese zu fördern und niemanden zu diskriminieren.