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Historisches Urteil
Universitäten in den USA dürfen Studenten nicht nach Hautfarbe auswählen

Der Supreme Court in Washington entschied am Donnerstag in einem historischen Urteil, die unter dem Begriff Affirmative Action bekannte Praxis verstosse gegen die Verfassung.
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Der Oberste Gerichtshof der USA hat Universitäten in einem historischen Urteil grundsätzlich untersagt, bei der Auswahl von Studienplatzbewerbern deren Hautfarbe zu berücksichtigen. Der Supreme Court in Washington urteilte am Donnerstag, die unter dem Begriff Affirmative Action oder positive Diskriminierung bekannte Praxis verstosse gegen die Verfassung. Mit dem Vorgehen hatten Hochschulen über Jahrzehnte versucht, einen besseren Zugang von Minderheiten – insbesondere Afroamerikanern – sicherzustellen.

Das Urteil wurde mit der konservativen Mehrheit am Supreme Court von sechs zu drei Richterstimmen gefällt. «Der Student oder die Studentin muss auf Grundlage seiner oder ihrer Erfahrung als Individuum behandelt werden – nicht auf Grundlage von Rasse», schrieb Gerichtspräsident John Roberts in der Urteilsbegründung. In den USA ist der Begriff «race» (Rasse) zur Unterscheidung von Bevölkerungsgruppen anhand ihrer Hautfarbe üblich.

«Viele Universitäten haben zu lange den falschen Schluss gezogen, dass der Prüfstein für die Identität eines Individuums nicht überwundene Herausforderungen, erworbene Fähigkeiten oder gelernte Lektionen sind, sondern die Farbe seiner Haut», führte Roberts aus. «Die Verfassungsgeschichte dieser Nation toleriert diese Auswahl nicht.»

Kläger sahen Nachteil für Bewerber mit asiatischen Wurzeln

Zugleich erklärte der Gerichtshof, Universitäten könnten Schilderungen von Bewerbern berücksichtigen, wie ihre Hautfarbe ihr Leben geprägt habe – allerdings nur mit Bezug zur «Charakter-Qualität oder einmaligen Fähigkeit, die der Bewerber zur Universität beitragen kann».

In dem Urteil ging es um Klagen der Studentenorganisation Students for Fair Admissions (Studenten für faire Zulassungen) gegen die private Elite-Universität Harvard und die staatliche University of North Carolina (UNC). Die Kläger argumentieren unter anderem, durch die insbesondere auf Afroamerikaner abzielenden Auswahlverfahren würden Bewerber mit asiatischen Wurzeln benachteiligt.

Biden kritisiert Supreme-Court-Urteil

US-Präsident Joe Biden hat das Urteil des Obersten Gerichtshofs des Landes kritisiert, das Universitäten bei der Auswahl von Studienbewerbern eine Berücksichtigung der Hautfarbe verbietet. Er sei mit der Entscheidung des Supreme Court «überhaupt nicht einverstanden», sagte Biden am Donnerstag in einer Fernsehansprache im Weissen Haus. Der Richterspruch gegen die als Affirmative Action oder positive Diskriminierung bekannte Praxis sei eine «schwere Enttäuschung» .

Der konservativ dominierte Gerichtshof habe mit seiner Entscheidung eine Abkehr von «jahrzehntelanger Rechtsprechung» vollzogen, sagte der Politiker der Demokratischen Partei. «Diese Entscheidung darf nicht das letzte Wort sein.»

Hochschulen sollten sich weiter für eine Studentenschaft mit «vielfältiger Herkunft und vielfältigen Erfahrungen, die ganz Amerika widerspiegeln» einsetzen, sagte Biden. Das sei auch nach dem Urteil des Gerichtshofs möglich. Ausserdem solle das Bildungsministerium prüfen, wie für mehr Vielfalt in der Studentenschaft gesorgt werden könne. «Die Wahrheit ist, und wir alle wissen es: In Amerika gibt es immer noch Diskriminierung», sagte Biden. «Die heutige Entscheidung ändert das nicht.»

Weisse Studienbewerber sprachen von «umgekehrter Diskriminierung»

Massnahmen unter dem Schlagwort Affirmative Action waren in den 1960er Jahren im Zuge der US-Bürgerrechtsbewegung eingeführt worden. Ziel war es, Afroamerikanern nach Jahrhunderten der Unterdrückung, Diskriminierung und Benachteiligung einen besseren Zugang zu guten Bildungseinrichtungen zu ermöglichen. Von den Progammen sollten auch Hispanoamerikaner und Indigene profitieren.

Entsprechende Programme waren aber von Anfang an umstritten. So zogen weisse Studienbewerber mit dem Argument vor Gericht, sie würden Opfer einer «umgekehrten Diskriminierung». Kritiker führen auch an, die Hautfarbe zu berücksichtigen, zementiere die Unterteilung von Menschen in unterschiedliche Gruppen und spalte so die Gesellschaft.

1978 urteilte der Supreme Court zwar, Universitäten dürften bei der Auswahl von Bewerbern keine festen Quoten anhand der Hautfarbe nutzen. Die Hautfarbe oder die ethnische Herkunft könnten aber als eines von mehreren Kriterien genutzt werden, um Vielfalt in der Studentenschaft sicherzustellen.

Jetzt kippte der in den vergangenen Jahren nach rechts gerückte Gerichtshof das Prinzip der Affirmative Action an Hochschulen – eine historische Zäsur.

Die linksliberale Verfassungsrichterin Sonia Sotomayor kritisierte den Mehrheitsbeschluss scharf. Mit dem Urteil würden «Jahrzehnte» des Fortschritts zurückgerollt. «Das Gericht zementiert eine oberflächliche Regel der Blindheit gegenüber Hautfarbe als Verfassungsprinzip in einer endemisch (nach Hautfarbe) getrennten Gesellschaft.»

AFP/step