Kommentar zur Kunsthaus-KontroverseIn der Bührle-Affäre ist Misstrauen weiterhin berechtigt
Die Kunsthaus-Verantwortlichen wollen die Kritik ernst nehmen und handeln. Doch wirklich überzeugt davon wirken sie nicht.
Seit der Eröffnung des neuen Kunsthaus-Erweiterungsbaus erhält Zürich mehr internationale Beachtung, als der Stadt lieb sein kann. Denn fast immer geht es dabei um die problematischen Seiten der Kunstsammlung des Waffenhändlers Emil G. Bührle, die nun dauerhaft für die nächsten beiden Jahrzehnte im Kunsthaus-Erweiterungsbau gezeigt wird, der auch mit Steuergeldern betrieben wird.
Die Kritikpunkte sind zahlreich, der öffentliche und politische Druck entsprechend gross. Insofern ist es zu begrüssen, dass die Kunsthaus-Trägerschaft und die Bührle-Stiftung nun handeln und auf die öffentliche Kritik eingehen wollen.
So soll ein unabhängiges Expertengremium die Herkunft der Bilder aus der Bührle-Sammlung überprüfen. Also der Frage nachgehen, ob der Waffenhändler bei seinen Kunstkäufen von der Notlage von Menschen profitierte, die während des Zweiten Weltkriegs fliehen mussten.
Richtig überzeugend wirkten die Absichtserklärungen nicht.
Die Kunstgesellschaft als Trägerschaft des Museums will zudem an einer Lösung arbeiten, wie im Januar zumindest Eckpunkte, vielleicht sogar der ganze Leihvertrag zwischen den Bührles und der Kunstgesellschaft öffentlich gemacht werden kann.
Die Offenlegung des Vertrags und die unabhängige Herkunftsforschung sind die beiden wichtigsten Forderungen, die von Historikern, der Politik und den Medien erhoben wurden – und denen die Verantwortlichen nun nachkommen wollen.
Aber so richtig überzeugend wirkten die Absichtserklärungen an der Medienkonferenz von diesem Mittwoch nicht. Vielmehr gewann man den Eindruck, dass die Verantwortlichen des Kunsthauses, der Trägerschaft und der Bührle-Stiftung von ihren bisherigen Positionen am liebsten keinen Millimeter abrücken würden. Zu stark scheinen sie überzeugt zu sein, alles richtig gemacht zu haben.
Deutlich wurde dies, als Kunsthaus-Direktor Christoph Becker fast die Contenance verlor, weil ein Journalist zwei eigentlich harmlose Fragen stellte: War der Kunsthaus-Direktor mit Emil G. Bührles Sohn Dieter befreundet? Und wenn ja, wie konnte er an einem Dokumentationsraum im Kunsthaus mitarbeiten, der die Geschichte von Bührle und seiner Sammlung unabhängig und kritisch darstellen soll?
Wie uneinsichtig die Vertreter des Kunstmuseums und der Bührle-Stiftung weiterhin sind, zeigte sich aber auch, als der scheidende Direktor der Bührle-Stiftung, Lukas Gloor, in einer Art Abschiedsshow nochmals während fast einer halben Stunde die bereits bekannten Ergebnisse seiner Forschung vorstellte – und wie bis anhin zum Ergebnis kam, dass keines der Bührle-Bilder eine problematische Provenienz aufweist.
Geradezu schlagend wirkte das Handeln contre cœur, als Stiftungspräsident Alexander Jolles sich komplett vergaloppierte: Anders als das Kunstmuseum Bern, das kürzlich zwei Bilder aus der Gurlitt-Sammlung zurückgab, liess Jolles den Begriff «des NS-verfolgungsbedingten Entzugs» nicht gelten. In der Schweiz habe es «keine staatliche Verfolgung» von Juden gegeben. Die Situation sei hierzulande eine ganz andere gewesen. Juden hätten in der Schweiz nicht um ihr Leben fürchten müssen.
Ausserdem hätten während des Zweiten Weltkriegs Millionen Menschen in der Schweiz und anderswo «weitergelebt» und «ordentlichen Handel» betrieben. Auch dies müsse berücksichtigt werden.
Mit beiden Bemerkungen wurde Jolles den schwierigen Lebensumständen von Juden, die während des Zweiten Weltkriegs in die Schweiz flohen, nicht im Ansatz gerecht. Historisches Bewusstsein und Sensibilität scheint noch immer nicht das Geschäft der Bührle-Stiftung zu sein. Das weckt grosses Misstrauen, wie ernst die jüngsten Absichtserklärungen der Verantwortlichen tatsächlich sind.
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