Bericht aus Florida«Das Wasser kam wie ein Tsunami herein»
Der gewaltige Wirbelsturm Milton fegt über Florida hinweg wie ein Jahrtausendereignis: Sturmfluten, Stromausfälle, erste Todesopfer werden gemeldet.
- Hurrikan Milton führt in Florida zu massiven Regenfällen.
- Über zwei Millionen Menschen in der Region verloren ihre Stromversorgung.
- Florida war besser vorbereitet als bei früheren Stürmen in anderen Staaten.
- Mehr als hundert Gebäude wurden durch den Hurrikan bereits zerstört.
Peter Dodge hat Milton nun nicht mehr erlebt, aber er wird ewig damit verbunden bleiben. 386-mal war der Wissenschaftler dabei, wenn ein Team von der amerikanischen Behörde für Ozeanografie und Atmosphärenforschung ins Auge eines Wirbelsturms flog, um Luftdruck, Wellenhöhen oder Windgeschwindigkeiten zu messen. Im vergangenen Jahr ist Peter Dodge gestorben, doch am Dienstag ereignete sich trotzdem sein 387. und letzter Hurrikan-Flug – im stillen Zentrum von Milton streuten Kollegen seine Asche in die Luft, als sie diese neueste Bedrohung erkundeten.
Tags darauf raste das Naturereignis dann auf Floridas Westküste am Golf von Mexiko zu und hatte es dabei noch eiliger als erwartet.
Bereits am Mittwochabend Ortszeit erreichte Milton zunächst nahe der Insel Siesta Key mit ihrem weissen Sand und an ruhigeren Tagen türkisfarbenem Wasser das langgezogene Eiland. Es liegt vor der Stadt Sarasota und unterhalb von Ana Maria Island, hier sind einige der schönsten Strände der USA zu finden. Die Kategorie von Milton hatte sich unterwegs von einer apokalyptischen 5 auf 3 abgeschwächt, aber das genügte für die befürchtet wuchtige Ankunft.
Bei über zwei Millionen Menschen fiel der Strom aus
Im amerikanischen Fernsehen war auf diversen Kanälen zu erleben, wie Reporter in wasserfester Kleidung mit der Balance kämpften. Im Weather Channel, während solcher Notlagen viel beachtet, trug einer der Liveberichterstatter einen Helm.
Anderson Cooper, der weltkrisenerprobte Starmoderator von CNN, musste in Bradenton zwischenzeitlich den Standort wechseln, weil die Brandung am Ufer zu bedrohlich anwuchs und der Regen nicht fiel, sondern peitschte. Viele Anwohner der Gegend sahen da allerdings schon nichts mehr, bei etwa zwei Millionen Menschen fiel der Strom aus.
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Als Vorhut hatte der Hurrikan obendrein mehr als 20 Tornados geschickt, einer davon traf offenbar das vor allem von älteren Menschen bewohnte Gebiet Spanish Lakes Country Club Village mit Unterkünften, Pool und Golfplatz. Von dort, im Landkreis St. Lucie County, werden Tote gemeldet.
In der Bucht der Metropole Tampa, an der Milton vorbeirauschte, schüttete es dermassen, dass aus der dortigen Stadt St. Petersburg die Nachricht kam, so viel Niederschlag binnen dreier Stunden sei ein Jahrtausendereignis.
Böen erreichten Geschwindigkeiten von 180 Stundenkilometern, und das Schlimmste kommt wohl erst: Die Sturmflut drückt Wassermassen über die Ufer ins Land, Bilder überschwemmter Gebäude machten schnell die Runde.
Bis zu vier Meter Hochwasser wurden erwartet, es könnte für die Umgebung dramatische Folgen haben. Noch dazu hatte die Region gerade erst Helene hinter sich, Trümmerteile liegen teilweise auch in Florida noch auf den Strassen. Immerhin war Florida wesentlich besser vorbereitet als zuletzt Georgia und North Carolina, wo mehr als 200 Menschen starben. Millionen Bewohner setzten sich ins Auto und fuhren ins Landesinnere oder blieben zumindest an einem sicheren Ort daheim. Wer in Florida wohnt, der hat Erfahrung mit diesen Stürmen, die jedoch immer häufiger und heftiger werden.
Mehr als eine Million Menschen musste sich in Sicherheit bringen.
War dies also nun der Monstersturm, der Jahrhundertsturm, vor dem auch US-Präsident Joe Biden gewarnt hatte? Biden sagte deswegen sogar seine Reise nach Deutschland und den Ukraine-Gipfel ab. Er rief nun mehrere Bürgermeister und Abgeordnete der betroffenen Gebiete an sowie zwei Senatoren in North Carolina und versprach staatliche Unterstützung. Darüber wird ja im Zuge von Helene seit Tagen gestritten, Donald Trump versucht mit teilweise absurden Vorwürfen gegen die Katastrophenschutzbehörde Stimmung zu machen.
Es ist Wahlkampf, am 5. November wird gewählt.
Die Vizepräsidentin und Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris wurde zugeschaltet. «Warten Sie nicht, bis es zu spät ist», riet sie am Ende jenen Menschen Floridas, die sich noch gegen Evakuierungen gesträubt hatten. «Und wir sind bei Ihnen», versprach die Demokratin, «und wir werden das gemeinsam durchstehen.»
Die entstandenen Schäden lassen sich erst später beurteilen
Welche Spuren Milton hinterlässt, das dürfte sich genauer frühestens bei Tageslicht beurteilen lassen, in Europa wird es schon Donnerstagnachmittag sein. Eine exakte Schätzung der Schäden wird vermutlich Tage dauern. «Das Wasser kam wie ein Tsunami herein und stieg in den letzten 30 Minuten um mehr als fünf Fuss», 1,50 Meter, schrieb ein Youtuber und Fotograf aus Punta Gorda, südlich von Sarasota, dazu ein Video. Er nennt sich Storm Chaser, Sturmjäger. Ähnliche Szenen kamen aus Port Charlotte gleich gegenüber.
Aus Tampa Bay wurde derweil Wasser regelrecht herausgepresst wie vor einem Tsunami, wenn sich das Meer erst zurückzieht. Das Phänomen ist von anderen Hurrikans bekannt und könnte sich nach wenigen Stunden umkehren. In Fort Myers stieg schon wieder die Flut, in fataler Erinnerung an Ian vor zwei Jahren. Seinerzeit wurden vor allem Fort Myers Beach und vorgelagerte Inseln wie Sanibel heimgesucht, es sah dort teilweise aus wie nach einem Erdbeben.
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Milton war nach Debby und Helene bereits der dritte Hurrikan, der in diesem Jahr über Florida wütete. Drei Hurrikans in einem Jahr, das gab es laut Experten in diesem Bundesland seit 1871 nur sechsmal, wie die «New York Times» informiert. Milton rüttelte an Häusern, Bäumen, Fahrzeugen, unzählige Gebäude wurden zerstört. Zwischendurch war es mancherorts plötzlich ganz ruhig, wenn das Auge des Hurrikans vorbeikam, das Auge von Milton, in dem noch über der See die sterblichen Überreste von Peter Dodge bestattet wurden, dem Hurrikan-Forscher.
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