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Wirbelsturm Helene
«Die Erd­erwärmung wirkt wie ein Steroid für Hurrikane»

An American flag sits in the floodwaters from Hurricane Helene in the Shore Acres neighborhood Friday, Sept. 27, 2024, in St. Petersburg, Fla. (AP Photo/Mike Carlson)
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In Kürze:
  • Hurrikan Helene verursachte eine rekordverdächtige Zerstörung mit 225-km/h-Winden.
  • Der Klimawandel verstärkte Helene deutlich, berichteten Forschende in einer neuen Studie.
  • Ohne Erderwärmung träte ein solcher Wirbelsturm nur alle 130 Jahre auf.
  • Neues Ungemach droht durch Hurrikan Milton

Es waren apokalyptische Szenen, die sich Ende September im Südosten der USA abspielten. Der Hurrikan Helene hinterliess eine mehr als 800 km lange Schneise der Verwüstung, von Florida über Georgia, South Carolina, North Carolina und Tennessee bis hinauf nach Virginia. Als er in Florida auf Land traf, erreichten die Winde 225 Kilometer pro Stunde und verursachten eine rekordverdächtige Sturmflut von bis zu 4,5 Meter Höhe. Im Landesinneren, über den südlichen Appalachen, liess Helene riesige Regenmengen niedergehen. Mehr als 230 Menschen starben, bei mehreren Millionen fiel der Strom aus. Damit ist Helene nach Hurrikan Katrina aus dem Jahr 2005 einer der tödlichsten US-Hurrikane der letzten 50 Jahre.

Nun zeigt sich: Der menschgemachte Klimawandel hat den Hurrikan nicht nur substanziell verstärkt, sondern auch deutlich wahrscheinlicher gemacht. Dies berichten 21 Forschende um Friederike Otto vom Imperial College in London nun in einer neuen Studie. Ohne Erderwärmung wäre gemäss der Studie etwa alle 130 Jahre mit einem Sturm wie Helene zu rechnen. Im heutigen, rund 1,3 Grad wärmeren Klima taucht ein solcher Hurrikan im Mittel alle 53 Jahre auf – rund 2,5-mal so oft.

Die maximale Windgeschwindigkeit des Hurrikans im Bereich der Küste von Florida hat sich durch die Erderwärmung um 21 Kilometer pro Stunde erhöht, heisst es in der Studie. Und es fielen rund zehn Prozent mehr Niederschläge als in einem hypothetischen Szenario ohne Klimawandel. Nochmals zehn Prozent stärker könnten die Regenfälle eines vergleichbaren Hurrikans ausfallen, wenn sich die Erdatmosphäre im Mittel um weitere 0,7 Grad auf zwei Grad erwärmt.

Seine enorme Zerstörungskraft zog Helene aus dem sehr warmen Meerwasser im Golf von Mexiko. Zusammen mit ohnehin sehr feuchten Luftmassen und eher schwachen Scherwinden hat das warme Meer dafür gesorgt, dass sich Helene in nur zehn Stunden von einem Hurrikan der Kategorie 2 zu einem Hurrikan der zweithöchsten Kategorie 4 verstärkt und auf einen Durchmesser von rund 600 Kilometern ausgedehnt hat. Gemäss der Studie hat die Erderwärmung solch hohe Meerwassertemperaturen 200- bis 500-mal so wahrscheinlich gemacht wie ohne Klimawandel.

Ins Klima vor der industriellen Revolution zurückversetzt

Die Forschenden haben in der Studie drei verschiedene statistische Modelle angewandt, um die Handschrift des Klimawandels im Hurrikan zu erkennen. Zentral dabei ist die als Attribution genannte Methode. Dabei berechnen die Forschenden vereinfacht ausgedrückt zunächst anhand realer Wetterdaten die Wahrscheinlichkeit für einen Hurrikan wie Helene im heutigen, 1,3 Grad wärmeren Klima. Dann nehmen sie im Klimamodell das durch die Verbrennung von fossilen Rohstoffen emittierte Treibhausgas CO₂ und andere menschliche Klimafaktoren aus der simulierten Erdatmosphäre heraus. So drehen sie die Zeit gewissermassen zurück auf das Klima vor der industriellen Revolution. Dann berechnen sie, wie wahrscheinlich ein Hurrikan wie Helene in diesem vorindustriellen Klima im Golf von Mexiko auftreten würde.

Workers clear debris in the aftermath of Hurricane Helene, in Cedar Key, Fla., Friday, Sept. 27, 2024. (AP Photo/Gerald Herbert)

Mithilfe eines Sturm-Modells vom Imperial College in London bestimmten die Forschenden zudem die durch den Klimawandel veränderten Wind­geschwindigkeiten. Wie ungewöhnlich die Meerwasser­temperaturen im Golf von Mexiko waren, ermittelten sie schliesslich mit einem Attributionsmodell für die Ozeane, dem Climate Shift Index.

Unsicherheiten von 20 bis 30 Prozent in den Zahlen

«Die Analyse ist aus meiner Sicht so gut, detailliert und sauber, wie man das in wenigen Tagen machen kann», sagt Klimaforscher Reto Knutti von der ETH Zürich, der nicht an der Studie beteiligt ist. Ob der Klimawandel die Häufigkeit eines solchen Hurrikans verdreifacht oder «nur» verdoppelt hat, könne man allerdings nicht abschliessend sagen. «Eine Unsicherheit von 20 oder 30 Prozent in allen Zahlen muss man sicher einrechnen. Aber die grundlegenden Trends sind unabhängig von genau diesem Sturm seit Jahren etabliert.»

Das ist laut Knutti erstens eine Zunahme der Häufigkeit der extremen Stürme der Kategorie 4 und 5, selbst wenn sich an der Gesamtzahl der Hurrikane wenig ändert. Zweitens zeigt sich eine Zunahme der extremen Niederschläge, weil wärmere Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen und transportieren kann. Und drittens zeigt sich bei immer mehr Hurrikanen eine rasche Zunahme der Intensität. Einige Studien finden auch, dass sich die Stürme langsamer bewegen und damit mehr Niederschlag über der gleichen Region fällt. Aber hier sind die Unsicherheiten laut Knutti grösser.

This satellite image released by Maxar Technologies shows flood-hit area of Biltmore village, N.C. after Hurricane Helene, on Oct. 7, 2024. (Satellite image ©2024 Maxar Technologies via AP)

«Die Wärme, die der Mensch der Atmosphäre und den Ozeanen zuführt, wirkt wie ein Steroid für Hurrikane», sagt Bernadette Woods Placky, Chef-Meteorologin der Non-Profit-Organisation Climate Central und Co-Autorin der Studie. «Wenn der Mensch das Klima weiter aufheizt, werden sich die Stürme immer schneller zu Monster-Hurrikanen entwickeln, was zu noch mehr Zerstörung führt.»

Für Co-Autor Gabriel Vecchi, Professor für Geophysik und Direktor des High Meadows Environmental Institute an der Princeton University, ist Helene eine tragische Erinnerung daran, dass nicht nur die Küstengebiete den Auswirkungen tropischer Wirbelstürme und Hurrikane ausgesetzt sind, sondern feuchtere und stärkere Stürme auch eine wachsende Bedrohung weit im Landesinneren darstellen. Letztlich liege es an uns: «Wenn wir die Treibhausgas­emissionen sinnvoll reduzieren, werden wir die Herausforderung für künftige Generationen besser bewältigen können.»

Neues Ungemach durch Hurrikan Milton

Bereits droht Florida neues Ungemach. Der Hurrikan Milton hat sich im nach wie vor sehr warmen Golf von Mexiko rapide verstärkt und am Montag die höchste Kategorie 5 erreicht. Er soll am Donnerstag als Hurrikan der Kategorie 3 oder 4 auf die Westküste Floridas treffen. Laut Vorhersage des US-Hurrikanzentrums sind in den Küstenregionen «extrem gefährliche» Sturmfluten möglich.

Wie stark der Klimawandel beim Hurrikan Kirk eine Rolle spielt, der als abgeschwächter Ex-Hurrikan in diesen Tagen auf Westeuropa trifft, ist allerdings schwieriger zu sagen. «Ob sich aufgrund des Klimawandels die Wetterlagen über Europa nachhaltig ändern, ist Bestandteil aktueller Forschung», sagt Julien Anet von Meteo Schweiz. Somit sei im Moment noch keine Aussage über eine Zu- oder Abnahme solcher Stürme möglich. «Dies gilt insbesondere auch für Hurrikane, die auf Europa treffen.»