Kommentar zum HomeschoolingEs gibt heute zu viel Heimunterricht
Noch nie wurden in der Schweiz mehr Kinder zu Hause unterrichtet als jetzt. Das schwächt die Volksschule. Die Bildungsdirektoren sollten über die Bücher gehen.
- Immer mehr Eltern betreiben Homeschooling und geben dafür pädagogische Gründe an.
- Die fehlende Ausbildung vieler Lehrpersonen belastet Schülerinnen und Schüler.
- Homeschooling kann soziale Isolation und Integrationsprobleme verursachen.
- Striktere Regeln beim Heimunterricht könnten diesen auf Ausnahmen beschränken.
Neue Zahlen zeigen, dass immer mehr Eltern ihre Kinder nicht mehr in die Schule schicken, sondern selbst zu Hause unterrichten. Das Phänomen erhielt während der Corona-Pandemie einen starken Schub, die Zahlen steigen aber vielerorts noch immer an.
In vielen Fällen sind die Gründe nicht religiös oder ideologisch, sondern pädagogisch. Manchen Eltern ist die Volksschule zu streng oder zu statisch. Ihre Kinder leiden, fühlen sich überfordert oder finden sich in den grossen Klassen nicht zurecht. Häufig wechselnde Lehrpersonen, die aufgrund des Fachkräftemangels immer öfter keine pädagogische Ausbildung haben, belasten viele Schülerinnen und Schüler.
Doch die Lösung besteht nicht darin, sie gänzlich aus der Schule zu nehmen. Kinder brauchen die Gemeinschaft von Gleichaltrigen, um Freundschaften aufzubauen, Konflikte auszutragen und ihren Platz ausserhalb der familiären Sphäre zu finden. Die Schule ist ein Ort, wo die Kinder sich unabhängig von ihrem Elternhaus entwickeln können, um zu selbstständigen Jugendlichen heranzuwachsen.
Homeschooling kann zu Isolation führen
Die Ausbildung zu Hause mag ausgezeichnet sein. Die meisten Eltern, die Homeschooling betreiben, setzen sich intensiv mit der Bildung ihrer Kinder auseinander und bemühen sich um einen hochwertigen Heimunterricht. Doch Homeschooling kann zu einer sozialen Isolation des Kindes führen, denn der schulische Alltag dient auch der Integration in die Gesellschaft und der Vorbereitung auf die Welt da draussen – ausserhalb von Familie und Verwandtschaft.
Es gibt viele andere Möglichkeiten, mit schwierigen Schulsituationen umzugehen. In einzelnen Fällen mag es sinnvoll sein, das Kind vorübergehend aus der Schule zu nehmen, etwa bei Mobbing, Diskriminierung oder einer komplexen Krankheit. Doch grundsätzlich sollten sich Eltern nicht so einfach über die Schulpflicht hinwegsetzen dürfen.
Die Konferenz der kantonalen Bildungsdirektorinnen und Bildungsdirektoren sollte Lösungen finden, damit der Heimunterricht in allen Kantonen zur absoluten Ausnahme wird – und nicht zu einem Trend, wie das jetzt der Fall ist. Strikte Regeln und Anforderungen beim Homeschooling, wie sie etwa die Kantone Zug, Basel-Stadt und St. Gallen kennen, sollten schweizweit gelten.
Und vielleicht sollten die Erwachsenen auch einfach mal an die eigene Jugend zurückdenken: Hätten sie als Teenager ihre Eltern ständig um sich haben wollen?
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