News-Ticker zur HerbstsessionStänderat verabschiedet Christian Levrat | Massnahmenpaket gegen missbräuchliche Konkurse
Vom 13. September bis zum 1. Oktober tagte das eidgenössische Parlament in Bern. Wir berichteten laufend.
Das Wichtigste in Kürze:
Vom 13. September bis zum 1. Oktober halten National- und Ständerat im Berner Bundeshaus die Herbstsession ab.
Am 29. September wählt die Vereinigte Bundesversammlung einen neuen Bundeswanwalt. Aller Voraussicht nach wird Stefan Blättler zum obersten Strafverfolger des Bundes.
Parlament will Programm für Sanierung von Hotels in den Bergen
Die Sanierung von Hotels und Herbergen im alpinen Raum soll staatlich unterstützt werden. Der Nationalrat hat am Mittwoch einen Vorstoss aus dem Ständerat überwiesen, der dazu ein Impulsprogramm verlangt.
Die mit 108 zu 72 Stimmen bei 4 Enthaltungen überwiesene Motion von Ständerat Hans Stöckli (SP/BE) verlangt, dass der Bund die Sanierung von alpinen Beherbergungsbetrieben unterstützt. Eine Voraussetzung ist, dass die Betriebe einen realistischen Businessplan vorlegen.
Parlament streicht Ausnahmeklausel bei Waffenexporten
Nach dem Ständerat hat am Mittwoch auch der Nationalrat überraschend die Ausnahmeklausel für den Bundesrat bei der Bewilligung von Waffenexporten gestrichen. Die Räte erfüllen damit die Forderungen der Urheber der Korrekturinitiative weitgehend.
Lesen Sie dazu: Initianten ziehen die Waffenexport-Initiative zurück
Raser dürfen wieder mit Geldstrafen sanktioniert werden
Wer ein Raserdelikt begeht, muss künftig nicht mehr zwingend eine Freiheitsstrafe absitzen. Nach dem Nationalrat hat am Mittwoch auch der Ständerat die Mindeststrafe aufgehoben. Damit dürfen Raser wieder mit reinen Geldstrafen sanktioniert werden.
Der Umgang mit sogenannten Raserdelikten ist Thema bei der Vorlage zur Harmonisierung der Strafrahmen. Diese soll sicherstellen, dass die Strafrahmen der Schwere der Straftaten entsprechen und in einem angemessenen Verhältnis zueinanderstehen. Hintergrund der Revision sind veränderte gesellschaftliche Wert- und Moralvorstellungen, die technische Entwicklung sowie internationale Vereinbarungen.
Einige Punkte dieser umfassenden Reform sind noch nicht geklärt. Es verbleibt eine Handvoll Differenzen. Dabei geht es unter anderem um den Umgang mit Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte. Geht es nach dem Ständerat, sollen Geldstrafen für Angriffe auf Personen von Polizei, Feuerwehr und Blaulicht-Organisationen nur noch bei Bagatelldelikten möglich sein. Der Nationalrat möchte den Gerichten die Option von Geldstrafen in jedem Fall ermöglichen.
Parlament beschliesst Abschaffung der Industriezölle
Die Industriezölle in der Schweiz werden abgeschafft. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat zugestimmt, im zweiten Anlauf. Zu reden gab in der grossen Kammer, ob die Abschaffung der Zölle gestaffelt erfolgen sollte. Die Etappierung wurde schliesslich äusserst knapp abgelehnt.
Der Nationalrat verabschiedete die Vorlage am Mittwoch mit 106 zu 75 Stimmen und bei 15 Enthaltungen – vor allem aus der Mitte-Fraktion – für die Schlussabstimmung. Mit Nein stimmten SP und Grüne und eine Minderheit der Mitte-Fraktion. Der Nationalrat behandelte die Vorlage zum zweiten Mal, nachdem er im Juni 2020 nicht darauf eingetreten war.
Mit der Abschaffung der Industriezölle werden dem Bund jedes Jahr mehr als 500 Millionen Franken an Zolleinnahmen entgehen. Konsumentinnen und Konsumenten hingegen können laut Bundesrat jährlich rund 350 Millionen Franken einsparen.
Weg frei für Handyanalysen von Asylsuchenden
Der Bund erhält künftig das Recht, Handys, Tablets und andere elektronische Datenträger von Asylsuchenden auszuwerten. Nach dem Nationalrat hat am Mittwoch auch der Ständerat einer entsprechenden Vorlage zugestimmt.
Die kleine Kammer nahm die Änderungen des Asylgesetzes mit 30 zu 12 Stimmen an. Das Geschäft ist bereit für die Schlussabstimmung.
Angestossen hatte die Vorlage der Zürcher SVP-Nationalrat Gregor Rutz im Jahr 2017 mit einer parlamentarischen Initiative. Er argumentierte, dass viele Asylsuchende ohne Ausweispapiere in die Schweiz einreisen würden und deshalb ihre Identität nicht nachgewiesen werden könne.
Gemäss dem Parlamentsbeschluss kann das Staatssekretariat für Migration (SEM) künftig dann Handys, Tablets, Computer und USB-Sticks von Asylsuchenden auswerten, wenn die Identität, die Nationalität oder der Reiseweg des Asylsuchenden aufgrund der Identitätsausweise oder auf andere Weise nicht festgestellt werden kann.
Das SEM hatte von November 2017 bis Mai 2018 ein Pilotprojekt mit der Auswertung von mobilen Daten durchgeführt. In 15 Prozent der Fälle seien dabei nützliche Hinweise zur Identität oder zum Reiseweg der Gesuchsteller gefunden worden, bilanzierte das SEM.
Frage der Verhältnismässigkeit
Nach dem Nationalrat sah auch der Ständerat in der Auswertung von mobilen Datenträgern wie Mobiltelefone oder Tablets eine effiziente Methode, um Informationen über die Identität einer Person zu erhalten, wie Marco Chiesa (SVP/TI) im Namen der Staatspolitischen Kommission (SPK-S) festhielt. «70 bis 80 Prozent der Asylsuchenden können ihre Identität nicht nachweisen.»
Die Überprüfung der elektronischen Daten solle nur «eine letzte Massnahme» sein, wenn alle andere Möglichkeiten ausgeschöpft seien, sagte Chiesa. Es handle sich um eine ausgewogene Lösung.
Die Fraktionen von SP und Grünen lehnten die Überprüfung der elektronischen Daten grundsätzlich ab. Für sie stellt die Vorlage einen «unverhältnismässigen Grundrechtseingriff» dar. Ständerat Hans Stöckli (SP/BE) stellte auch die Praxistauglichkeit der Lösung infrage. «Wie Papiere können auch Handys plötzlich verschwinden.»
Ausreisepflichtige sollen zum Covid-Test gezwungen werden dürfen
Ausreisepflichtige sollen zu einem Covid-Test gezwungen werden können, wenn der Test für die Wegweisung, die Ausweisung oder die Rückführung notwendig ist. Der Nationalrat hat der Einführung solcher Zwangstests deutlich mit 120 zu 65 Stimmen zugestimmt.
Schliesslich war das Resultat klar. SP und Grüne wehrten sich vergeblich gegen die Einführung einer solchen Zwangsmassnahme. Sie wollten nicht auf das Geschäft eintreten. Die zwangsweise Durchführung eines Covid-Tests verstosse gegen das Grundrecht auf körperliche Integrität, das auch für abgewiesene Asylsuchende gelte, sagte Céline Widmer (SP/ZH) für ihre Fraktion.
Mit einem Minderheitsantrag verlangte die SP-Fraktion denn auch, dass wenigstens auf das Testen mit Hals-Nasen-Abstrichen verzichtet werden sollte. «Einen Nasen-Rachenabstrich gegen den Willen einer Person durchzuführen, ohne dass eine Verletzung entsteht, ist kaum vorstellbar», argumentierte sie.
Gesetz gilt bis Ende nächsten Jahres
Justizministerin Karin Keller-Sutter sagte, dass viele Fluggesellschaften und Dublin-Staaten heute einen Test verlangen würden. Zudem seien es Ende April etwas mehr als zwanzig Personen gewesen, die einen Test für eine Ausreise verweigerten, Ende August seien es bereits 126 Personen. Dazu kämen Personen in den Kantonen, die auch ausreisten müssten.
«Die Zahl der Testverweigerungen ist in den letzten Monaten stark angestiegen», sagte die Justizministerin. Deshalb sei das Gesetz auch als dringlich zu erklären. Das Gesetz werde zeitlich beschränkt bis Ende 2022 gelten.
Ständerat will für mehr Frauen das höhere Rentenalter ausgleichen
Der Ständerat will mehr Frauen unterstützen, die nach der AHV-Reform zuerst in Pension gehen und somit von der Erhöhung des Rentenalters auf 65 Jahre am stärksten betroffen sind, als der Nationalrat. Auch will er für die Übergangsjahrgänge mehr Geld auslegen.
Die Frage, wie wegen des künftig um ein Jahr höheren Rentenalters Frauen der Übergangsjahrgänge mit wie viel Geld unterstützt werden, stand im Mittelpunkt der Ständeratsdebatte zur AHV-Reform am Dienstag. Mit 27 zu 15 Stimmen entschied sich die kleine Kammer für den Vorschlag der Mehrheit der Sozialkommission (SGK-S).
Dieses Modell berücksichtigt wie der Bundesrat neun Jahrgänge.
Höhere Zuschläge
Mit dem neu beschlossenen, sozial abgestuften Rentenzuschlag zwischen 100 und 240 Franken monatlich ist der Ständerat gegenüber den Übergangsjahrgängen grosszügiger als der Nationalrat. Die Zuschläge werden zu Beginn und am Ende der Ausgleichsphase reduziert ausbezahlt; vier der neun Jahrgänge erhalten sie zu 100 Prozent.
Den höchsten Zuschlag von 240 Franken soll es gemäss Ständerat bei Einkommen bis 57'360 Franken geben. 170 Franken wären es bei bis zu 71'700 Franken und 100 Franken bei über 71'700 Franken. Ausbezahlt würde der Zuschlag auch bei einem Vorbezug der Rente.
Die eigentliche Rente würde für die Frauen-Übergangsjahrgänge bei einem Vorbezug allerdings gleich stark gekürzt wie bei den anderen Versicherten. Der Zuschlag soll nicht der Plafonierung der Rente unterliegen. Der Nationalrat hingegen will – Zuschläge eingerechnet – höchstens die reguläre Maximalrente auszahlen.
Sozialminister Alain Berset sprach sich für die Lösung der SGK-Mehrheit aus. Die Arbeit sei damit aber nicht beendet, denn die Komponenten müssten noch verfeinert werden, damit die Vorlage mehrheitsfähig werde.
Altersschwelle für Bundesanwälte wird erhöht
Die Altersgrenze für Bundesanwältinnen und Bundesanwälte soll per Anfang 2022 auf 68 Jahre erhöht werden. Nach dem Ständerat hat am Dienstag auch der Nationalrat der Alterserhöhung zugestimmt.
Der Nationalrat sprach sich deutlich mit 146 zu 1 Stimme bei 2 Enthaltungen dafür aus, dass Bundesanwälte und deren Stellvertreter bis Ende des 68. Lebensjahrs im Amt bleiben dürfen. Der Ständerat hatte der Erhöhung der Altersgrenze bereits einstimmig zugestimmt. Das Geschäft ist bereit für die Schlussabstimmung.
Nach geltendem Recht müssen Bundesanwälte oder Bundesanwältinnen sowie ihre Stellvertreter am Ende des 64. oder 65. Altersjahrs aus dem Amt ausscheiden. Eidgenössische Richterinnen und Richter können hingegen bis 68 Jahre im Amt bleiben. In der Bundesverwaltung ist eine «Verlängerung» bis 70 Jahre möglich.
Eingebracht hatte das Anliegen die Rechtskommission des Ständerats (RK-S) als parlamentarische Initiative. Nicht zuletzt, weil sich die Suche nach einem neuen Bundesanwalt oder einer neuen Bundesanwältin schwierig gestaltete.
Ausgleich des höheren Frauen-Rentenalters im Zentrum der Debatte
Der Ständerat nimmt sich am Dienstagvormittag erneut die AHV-Reform vor. Im Zentrum dieser zweiten Beratungsrunde steht die Frage, wie den Frauen das höhere Rentenalter abgegolten werden soll. Die Erhöhung von 64 auf 65 Jahre haben beide Räte bereits beschlossen.
Die Modelle für den Ausgleich des angehobenen Rentenalters und die Frage, wie viele Frauen berücksichtigt werden sollen, hatten schon in der ersten Beratungsrunde zu reden gegeben. Der Nationalrat beschloss im Juni einen Ausgleich für sechs Jahrgänge und wählte ein Modell mit Zuschlägen entsprechend dem Erwerbseinkommen (Lesen Sie dazu: «Ich bin aufgebracht!» – Protokoll einer Niederlage für die linken Frauen).
Abgestufte Zuschläge
Der Ständerat hingegen wollte neun Jahrgänge berücksichtigen. Er entschied sich in der Frühjahrssession für ein Trapez-Modell, gemäss dem je nach Zeitpunkt des Erreichens des Referenzalters 65 ein zunächst steigender und dann wieder fallender Zuschlag gewährt wird. Er folgte dabei einem Minderheitsantrag aus der Mitte-Fraktion.
Nun befasst sich der Ständerat ein zweites Mal mit der AHV-Revision. Die Mehrheit seiner Sozialkommission (SGK-S) will zwar bei neun Jahrgängen bleiben, aber neu mit einen sozial abgestuften Rentenzuschlag zwischen 100 und 240 Franken monatlich mit den Übergangsjahrgängen grosszügiger sein als der Nationalrat. Am Ende der Ausgleichsphase sollen die Zuschläge sinken.
Den vollen Zuschlag von 240 Franken soll es gemäss Mehrheit bei Einkommen bis 57'360 Franken geben. 170 Franken wären es bei Einkommen bis 71'700 Franken und 100 Franken bei über 71'700 Franken. Ausbezahlt würde der Zuschlag auch beim Vorbezug der Rente.
Wie viele Übergangsjahrgänge?
Die eigentliche Rente würde indes für Frauen-Übergangsjahrgänge bei einem Vorbezug allerdings gleich stark gekürzt wie bei den anderen Versicherten. Der Zuschlag soll hingegen nicht der Plafonierung der Rente unterliegen. Der Nationalrat hingegen will – Zuschläge eingerechnet – höchstens die reguläre Maximalrente auszahlen.
Eine Minderheit um Ständerat Damian Müller (FDP/LU) will dagegen wie der Nationalrat für Frauen-Übergangsjahrgänge die Renten beim Vorbezug weniger stark kürzen. Rentenzuschläge – tiefere Beträge als bei der Version der Mehrheit – sollen nach dem Willen der Minderheit aber nur Frauen erhalten, die erst mit 65 in Pension gehen.
Für Frauen, die ihre Rente vorbeziehen, liegt das Modell der Minderheit gleichauf mit jenem des Nationalrates. Beim Bezug der Rente ab 65 Jahren ist in einigen Fällen die Minderheit, in anderen der Nationalrat grosszügiger. (Lesen Sie zur Debatte um AHV-Reform: Er will bis 66 arbeiten, sie Geld für eine 13. Rente)
Wie die Mehrheit der SGK-S will auch die Minderheit die Zuschläge auf die Renten aus der Plafonierung ausklammern. Sie will aber nur sieben Jahrgänge berücksichtigen statt neun. Der Nationalrat will zudem sechs Frauen-Übergangsjahrgänge einen Ausgleich gewähren.
Umstrittener Nationalbank-Beitrag
Der Bundesrat will für die Sanierung der AHV die Mehrwertsteuer erhöhen. Beide Räte waren einverstanden, und sie sind sich einig, diese Verfassungsänderung mit der Revision des AHV-Gesetzes miteinander zu verknüpfen.
Der Nationalrat will den Normalsatz der Mehrwertsteuer um 0,4 Prozentpunkte und die reduzierten Sätze um 0,1 Prozentpunkte anheben. Die SGK des Ständerates beantragt nun, es ebenso zu halten. Damit würde das Parlament unter dem Antrag des Bundesrates bleiben.
Umstritten ist schliesslich noch, ob die Schweizerische Nationalbank (SNB) zur AHV-Sanierung beitragen soll. Der Nationalrat will, dass Erträge der SNB aus Negativzinsen dem AHV-Fonds zufliessen. Die Mehrheit der SGK-S lehnt dies ab.
Stützung für Schweizer Zuckerwirtschaft
Die Schweizer Zuckerproduktion soll einen im Gesetz verankerten Schutz erhalten. Als Zweitrat hat der Ständerat Beiträge an Rübenkulturen und Mindestzölle gutgeheissen, gegen den Willen des Bundesrates. Umstritten ist, ob der Mindestgrenzschutz befristet sein soll.
Einzelkulturbeiträge an Bauern und der Grenzschutz für Schweizer Zucker mit Zöllen sind heute befristet und bis Ende Jahr auf Verordnungsstufe geregelt. Eingetreten auf die Vorlage war der Ständerat bereits im Juni, auf Antrag einer starken Kommissionsminderheit. Am Dienstag führte er die Detailberatung.
Angestossen hatte das vom Ständerat schliesslich mit 26 zu 15 Stimmen und mit 2 Enthaltungen gutgeheissene Gesetzesprojekt der frühere Bauernverbandsdirektor und Nationalrat Jacques Bourgeois (FDP/FR), mit Blick auf Entwicklungen in der EU.
Mindestgrenzschutz im Gesetz
Die EU gab 2017 die Produktionsmengen frei und hob Exportbeschränkungen auf. Das setzt den Schweizer Zuckerpreis unter Druck und macht den Rübenanbau wirtschaftlich weniger interessant. Zudem machen Krankheiten den Pflanzen der Rüben zu schaffen.
Gemäss dem Parlamentsentscheid beträgt der Mindestgrenzschutz für den Zucker 70 Franken pro Tonne. Der Ständerat beschloss jedoch eine Befristung bis 2026. Der Nationalrat muss darüber noch einmal befinden.
Über die Einzelkulturbeiträge für Zuckerrüben-Kulturen sind sich die Räte einig. Bezahlt werden wie heute und bis 2026 2100 Franken pro Hektare und Jahr, die Bestimmung ist aber neu gesetzlich verankert. Werden die Rüben nach ökologischen Kriterien angebaut, gibt es – ebenfalls bis 2026 – zusätzlich 200 Franken pro Hektare und Jahr.
Eine Minderheit um Ruedi Noser (FDP/ZH) und Landwirtschaftsminister Guy Parmelin wollten auf den gesetzlich verankerten Zollschutz für Zucker verzichten, unterlagen aber mit 20 zu 24 Stimmen. Es gehe um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Lebensmittelindustrie, die der Landwirtschaft auch noch viele weitere Produkte abnehme, begründete Noser den Antrag.
Ständerat zieht Diskussion über Kohäsionsmilliarde nicht vor
Es ist weiterhin unwahrscheinlich, dass das Parlament bereits in der laufenden Herbstsession abschliessend über die Freigabe der EU-Kohäsionsmilliarde entscheiden wird. Der Ständerat will das Geschäft nicht früher behandeln als vorgesehen.
Ständerat Carlo Sommaruga (SP/GE) stellte am Dienstag den Antrag, die Beratung des Geschäfts in die erste oder zweite Sessionswoche vorzuziehen. Das Thema sei dringlich, sagte er. «Wir müssen vorwärtsmachen, die Zeit drängt.» Insbesondere die Universitäten verbänden mit der Freigabe der Kohäsionsmilliarde die Hoffnung, dass die Schweiz von der EU beim Forschungsprogramm Horizon künftig nicht mehr als Drittstaat eingestuft würde.
Der Ständerat lehnte Sommarugas Ordnungsantrag jedoch mit 30 zu 14 Stimmen ab.
Somit ist klar, dass die kleine Kammer das Geschäft am Donnerstagvormittag des zweitletzten Sessionstages, am 30. September, behandeln wird. Der Nationalrat wird am selben Nachmittag über die Freigabe der EU-Kohäsionsmilliarde entscheiden. Zu einem Abschluss in der laufenden Session kommt es nur dann, wenn es zwischen den beiden Kammern keine Differenzen geben würde.
Rückzug der Korrekturinitiative wohl vom Tisch
Beim Export von Kriegsmaterial soll der Bundesrat in Ausnahmefällen autonom Entscheidungen treffen können. Anders als zuvor der Ständerat, hat eine Mehrheit im Nationalrat am Montag signalisiert, eine Ausnahmeregelung für den Bundesrat wieder in die Vorlage aufnehmen zu wollen. Ein Rückzug der Korrekturinitiative dürfte damit vom Tisch sein.
Ganze 38 Rednerinnen und Redner haben am Montagabend im Nationalrat zu den Bedingungen für den Export von Kriegsmaterial Stellung genommen. Nicht dazu zählen die Kommissionssprecher und Fraktionssprecherinnen. Entsprechend lange dauerte die Debatte, deren Fortsetzung schliesslich auf Mittwoch verschoben werden musste.
Anders als man wegen der vielen Wortmeldungen meinen könnte, waren die Mehrheitsverhältnisse eigentlich schnell klar.
Bürgerliche gegen die Initiative
Für die Volksinitiative «Gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer (Korrekturinitiative)» sprachen sich die Fraktionen von SP, Grünen und Grünliberalen aus. Ausserdem warb die EVP, die mit ihren zwei Sitzen der Mitte-Fraktion angehört, für ein Ja (Lesen Sie dazu: Mehrheit des Parlaments ist gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer).
Die Initiative verlangt, dass Kriegsmaterial nur noch in demokratische Staaten exportiert werden darf. Darüber hinaus sollen keine Waffen mehr an Staaten verkauft werden, in denen Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzt werden. Ausnahmen soll es keine mehr geben. Die entsprechenden Kriterien sollen auf Verfassungsstufe gehoben werden. Heute sind die Exportkriterien in der Kriegsmaterialverordnung festgehalten.
Sprecher der bürgerlichen Mehrheit, bestehend aus Mitte-Partei, FDP und SVP, lehnten in ihren Voten die Initiative deutlich ab.
Auch der Ständerat hatte die Volksinitiative in der Sommersession deutlich abgelehnt – gegen die Stimmen von SP und Grünen.
Lesen Sie zu den Schweizer Waffenexporten auch: Schweizer Kriegsmaterial im Ausland unauffindbar
Unangekündigte Alkoholtests für Flugpersonal
Das Parlament will mit unangekündigten Alkoholkontrollen beim Flugzeugpersonal die Sicherheit der Passagiere erhöhen. Nach dem Nationalrat hat am Montag auch der Ständerat dieser Änderung zugestimmt.
Der Ständerat sagte mit 41 zu 0 Stimmen und bei einer Enthaltung Ja zur Änderung des Luftfahrtgesetzes. Dank dieser soll das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) beim Besatzungspersonal künftig jederzeit Alkoholkontrollen durchführen können. Heute sind solche Kontrollen nur auf Verdacht hin möglich. Der Ständerat stimmte dieser Anpassung am Montag oppositionslos zu. Der Nationalrat hatte bereits in der Sommersession Ja gesagt.
Zudem sollen nach Ansicht des Bundesrats Ärztinnen und Psychologen Diagnosen und Informationen über mögliche akute psychische oder körperliche Erkrankungen künftig ans Bazl weiterleiten können. Dies soll helfen, psychische oder körperliche Erkrankungen bei Besatzungsmitgliedern frühzeitig zu erkennen. Sie sollen ein Melderecht bekommen.
Keine Rechtsgrundlage für Zertifikatspflicht im Bundeshaus
Auch nach einer weiteren Sitzung des Ratsbüros bleibt es dabei: Ständerätinnen und Nationalräte brauchen für den Eintritt in das Bundeshaus kein Covid-Zertifikat. Es fehle eine entsprechende rechtliche Grundlage, sagte am Montag Nationalratspräsident Aebi.
Die zuständigen Kommissionen sollen nun jedoch eine Vorlage ausarbeiten, die die Einführung einer Zertifikatspflicht im Bundeshaus möglich machen würde, sagte Andreas Aebi (SVP/BE) weiter.
In einem Brief an die Verwaltungsdelegation der Bundesversammlung hatten am Sonntag alle Parteipräsidentinnen und -präsidenten ausser der SVP eine Zertifikatspflicht für die Teilnahme an der Session gefordert. Der von GLP-Präsident Jürg Grossen initiierte Brief hielt fest, es gebe keinen überzeugenden Grund für die Ausnahme des Parlaments.
Unterzeichnet wurde der Brief auch von SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer, FDP-Präsidentin Petra Gössi, Mitte-Präsident Gerhard Pfister und Grünen-Präsident Balthasar Glättli. Grossen gab an, den SVP-Präsidenten Marco Chiesa nicht angefragt zu haben.
Für eine Zertifikatspflicht im Parlament fehle die rechtliche Grundlage, hatte die Verwaltungsdelegation am 2. September befunden. Der Bundesrat habe festgehalten «dass eine Zertifikats-Zugangsbeschränkung bei politischen Versammlungen der Legislative unzulässig ist, da die verfassungsmässigen Rechte und Pflichten der Ratsmitglieder und Magistratspersonen zu sehr eingeschränkt würden».
Die Verwaltungsdelegation empfiehlt jedoch weiterhin, dass sich ungeimpfte Ratsmitglieder regelmässig testen lassen. Wie in früheren Sessionen werden auch während der Herbstsession im Parlamentsgebäude Covid-19-Tests angeboten.
Lesen Sie dazu unsere Analyse: Corona-Sonderzug für Politiker
Covid-Zertifikat im Bundeshaus
Lesen Sie zum Beginn der Session auch:
Ausgangslage
Die wohl gewichtigste Vorlage ist die AHV-Reform, über die der Ständerat am Dienstag der ersten Sessionswoche debattiert. Die Räte sind sich insbesondere nicht einig, wie vielen Frauen das höhere Rentenalter beim Bezug der Rente und beim Vorbezug ausgeglichen werden soll. Die parlamentarischen Diskussionen werden frühestens im Winter abgeschlossen sein.
Ebenfalls frühestens im Dezember werden die Räte über die Freigabe der EU-Kohäsionsmilliarde entscheiden. In seinem Entwurf hielt der Bundesrat fest, dass das Geschäft von beiden Räten in der Herbstsession behandelt werden soll. Diesem Wunsch kam das Ständeratsbüro nicht nach. Die kleine Kammer als Erstrat behandelt die Vorlage erst am zweitletzten Sessionstag. Die Kohäsionsmilliarde wird also vorderhand blockiert bleiben, was sich nicht förderlich auf die angespannten Beziehungen mit der EU auswirken dürfte.
Endlich Klarheit wird es dagegen bei der Nachfolge von Ex-Bundesanwalt Michael Lauber geben. Die Vereinigte Bundesversammlung wählt am 29. September aller Voraussicht nach Stefan Blättler zum obersten Strafverfolger des Bundes. Die parlamentarische Gerichtskommission empfiehlt den 62-jährigen Berner Polizeikommandanten einstimmig zur Wahl (Lesen Sie unser Portrait Stefan Blättler: Der Anti-Lauber solls richten).
Grössere Projekte auf der Zielgeraden
Parlamentarisch unter Dach und Fach kommen sollen in der Herbstsession weitere gewichtige Dossiers. So will das Parlament beispielsweise die drohende Förderlücke bei den erneuerbaren Energien schliessen. Demnach sollen neue Windenergie-, Kleinwasserkraft-, Biogas-, Geothermie- und Fotovoltaikanlagen ab 2023 mit einmaligen Investitionsbeiträgen gefördert werden.
Zum Abschluss kommen soll zudem der Gegenvorschlag zur Organspendeinitiative. Bei der erweiterten Widerspruchslösung sind nur noch Details umstritten. Klar ist: Wer nach seinem Tod keine Organe spenden möchte, soll dies künftig explizit festhalten müssen. Angehörige sollen aber eine Organspende ablehnen können.
In der abschliessenden Differenzbereinigung befindet sich auch das Tabakproduktegesetz. Das Parlament will den Umgang mit Tabakwerbung mit einem neuen Bundesgesetz strenger regeln. Jedoch geht die Revision den Urhebern der Tabakwerbeverbotsinitiative zu wenig weit. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass sie an ihrem Volksbegehren festhalten werden.
Auf der Zielgeraden befinden sich schliesslich Vorlagen zur geplanten Aufhebung der Industriezölle, zu einem gesetzlich verankerten Schutz für die einheimische Zuckerproduktion sowie zu strengeren Auflagen für Streamingdienste wie Netflix.
Dauerbrenner Corona
Selbstredend wird auch der Umgang mit der Corona-Pandemie wieder zu Diskussionen Anlass geben. So geht es im Nationalrat beispielsweise um ein Impulsprogramm für den Tourismus sowie eine Testpflicht für auszuschaffende Flüchtlinge. National- und Ständerat diskutieren zudem über Nachtragskredite im Umfang von 164 Millionen Franken zur Bewältigung der Pandemie.
Die Räte werden zudem Dutzende Vorstösse in Zusammenhang mit der Corona-Krise behandeln. Gefordert wird etwa eine sofortige Revision des Epidemiengesetzes, die obligatorische Einbindung des Parlaments beim Ergreifen von Notrecht und weitere Corona-Hilfspakete für Betroffene. In der Fragestunde des Nationalrats dürften ebenfalls wieder zahlreiche Fragen zum Virus auftauchen.
Offen ist, ob die Räte den Zutritt zum Parlamentsgebäude auf Personen mit Covid-Zertifikat beschränken wollen. Für eine generelle Zertifikatspflicht im ganzen Bundeshaus fehle derzeit die gesetzliche Grundlage, bekräftigte die parlamentarische Verwaltungsdelegation im Vorfeld der Session. Es sei jedoch von den zuständigen Kommissionen zu prüfen, ob eine solche Gesetzesgrundlage geschaffen werden solle.
Regeln für Waffenexporte
Länger diskutiert werden dürfte im Nationalrat die Volksinitiative «Gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer (Korrekturinitiative)» sowie deren Gegenvorschlag (Lesen dazu: Schweizer Kriegsmaterial im Ausland unauffindbar). Die zuständige Kommission lehnt bei der Bewilligung von Kriegsmaterialexporten wie der Ständerat eine gesetzliche Ausnahmeklausel für den Bundesrat ab. Kommt diese Version durch, wird der Trägerverein nach eigenen Angaben seine Initiative zurückziehen.
Andere grössere Dossiers in der grossen Kammer sind die Sistierung des Uno-Migrationspakts, die Schaffung einer nationalen Erdbebenversicherung, die Zahlungen an die EU-Grenzschutzbehörde Frontex sowie die Verlängerung des Reduktionszieles im geltenden CO2-Gesetz.
In der kleinen Kammer geht es zudem um die Armeebotschaft 2021, das Veloweggesetz, das DNA-Profil-Gesetz und die Abschaffung des Eigenmietwerts. Ebenfalls interessant ist die Reform des Status der vorläufigen Aufnahme sowie die Harmonisierung der Strafrahmen.
Gemütlichkeit kommt nicht zu kurz
Das Büro des Nationalrats hat maximal 69 Stunden für die Debatten vorgesehen. Anders als zuletzt gibt es voraussichtlich keine Sitzung am späten Abend, und nur zwei Mal tagt die grosse Kammer am Vormittag und am Nachmittag. Das Ständeratsbüro hat gut 59 Stunden für die Diskussionen reserviert. Nur einmal werden die Kantonsvertreterinnen und -vertreter ganztags debattieren.
Grund für das etwas weniger dichte Programm sind verschiedene Anlässe am Rande der Session. So soll am Mittwochnachmittag der ersten Sessionswoche die Feier für Nationalratspräsident Andreas Aebi (SVP/BE) stattfinden. Wegen Corona wurde das Fest im vergangenen Winter verschoben.
Ebenfalls nachgeholt werden soll eine Woche später der Ständeratsausflug. Alex Kuprecht (SVP/SZ), Präsident der kleinen Kammer, dürfte seine Ratskollegen in die Innerschweiz führen. Am Mittwochnachmittag der dritten Sessionswoche finden schliesslich die Fraktionsausflüge statt.
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