Antworten zur RentenreformWie die Frauen die AHV retten sollen
Wer muss künftig wie lange arbeiten? Ist es überhaupt noch möglich, früher in Pension zu gehen? Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu den Entscheiden des Nationalrats.
Wird das Rentenalter nun steigen – und für wen?
Frauen sollen künftig bis zu ihrem 65. Geburtstag arbeiten statt bis 64. So hat es der Nationalrat an diesem Mittwoch entschieden; der Ständerat hatte den entsprechenden Beschluss schon früher getroffen. Allerdings steigt das Rentenalter nicht für alle Frauen per sofort, sondern in vier Stufen.
Welche Frauen werden als erste betroffen sein?
Wann die Reform in Kraft treten kann, ist noch unklar. Das frühestmögliche Datum ist realistischerweise das Jahr 2023. In diesem Fall wären die Frauen des Jahrgangs 1960 als erste betroffen. Für sie steigt das Rentenalter dann auf 64¼. In Vierteljahresschritten geht es anschliessend weiter. Die Frauen des Jahrgangs 1963 wären die ersten, deren Rentenalter bei vollen 65 Jahren liegt.
Warum wird die AHV überhaupt reformiert?
Wegen ihrer finanziellen Situation. Die Zahl der alten Menschen wächst; seit 2014 reichen die Lohnbeiträge und staatlichen Zuschüsse nicht mehr aus, um die AHV-Renten zu finanzieren. Die aktuelle Reform soll sicherstellen, dass die Renten bis ins Jahr 2030 finanziert sind. Ohne Reform drohen der AHV bis dann gemäss Berechnungen des Bundes 26 Milliarden Franken zu fehlen.
Wer sind die Befürworter, wer die Gegner?
Die linken Parteien, SP und Grüne, lehnen die Reform geschlossen ab. Der bürgerliche Block mit SVP, FDP und CVP plus Grünliberalen ist ebenso geschlossen dafür.
Was haben die Linken gegen ein einheitliches Rentenalter?
Sie argumentieren damit, dass die Frauen insbesondere bei den Löhnen immer noch benachteiligt würden. Eine Sanierung der AHV sei daher nicht auf ihre Kosten zu vollziehen. Im Übrigen sei die Situation der AHV weniger dramatisch als geschildert. Hingegen litten die Frauen aufgrund der Situation in der beruflichen Vorsorge (zweite Säule) schon jetzt an einer «Rentenlücke». Eine Verschlechterung bei der AHV sei daher nicht angezeigt.
Hatten die Linken vor vier Jahren das Rentenalter 65 nicht noch unterstützt?
Tatsächlich kam es beim letzten Reformversuch 2017 zu einer seltenen Konstellation: Die SP brachte zusammen mit der CVP im Parlament eine Vorlage durch, die eine leichte Aufstockung der AHV-Renten vorsah. Im Gegenzug war eine Mehrheit der Linken bereit, das Rentenalter für Frauen auf 65 anzuheben. Die Vorlage scheiterte allerdings in der Volksabstimmung. Beim aktuellen Neuanlauf ist kein AHV-Ausbau mehr vorgesehen, daher gehen die Linken gegen das höhere Rentenalter konsequent auf die Barrikaden.
Erhalten die Frauen auch irgendwelche Gegenleistungen für das höhere Rentenalter?
Für eine begrenzte Zeit sieht die Reform sogenannte Ausgleichsmassnahmen vor. Sie gelten für die ersten sechs Frauenjahrgänge, die von der Reform betroffen sind – denen also wenig Zeit verbleibt, ihre Lebensplanung an die neue Situation anzupassen. Sie sollen von einer Art Rentenbonus profitieren, falls sie bis 65 arbeiten. Dieser beträgt maximal 150 Franken pro Monat, wobei das Maximum für die Frauen mit den tiefsten Löhnen vorgesehen ist. Falls die Frauen der erwähnten Generationen aber vorzeitig in Pension gehen, wird ihre Rente weniger stark gekürzt als jene der Männer.
Warum erhöht man nicht die Steuern, um die AHV zu retten?
Eine Steuererhöhung ist ebenfalls Teil der Reform. Gemäss Beschluss des Nationalrats wird die Mehrwertsteuer um 0,4 Prozentpunkte angehoben. Nicht ganz ausgeschlossen ist, dass zusätzlich noch Geld aus der Nationalbank in die AHV fliessen könnte. Im Nationalrat haben Linke und SVP am Mittwoch durchgebracht, dass die Einnahmen aus den Negativzinsen dem Sozialwerk zugutekommen sollen. Im Ständerat gilt dieser Entscheid freilich als chancenlos.
Ändert sich für die Männer nichts?
Doch. Insbesondere sollen beide Geschlechter neu ab 63 Jahren schrittweise in Rente gehen können. Das heisst, es soll möglich werden, nur einen Teil der Rente zu beziehen, solange man erwerbstätig ist – maximal bis zum Alter von 70 Jahren.
Eine Frühpensionierung im klassischen Sinn bleibt aber möglich?
Ja, sie wird interessanterweise sogar etwas attraktiver: Die Rente wird beim Vorbezug weniger stark gekürzt als bisher. Und umgekehrt etwas weniger erhöht bei einem Aufschub.
Falls ich damit nicht einverstanden bin: Wie kann ich mich wehren?
Die Reform wird nun so lange zwischen National- und Ständerat hin- und hergehen, bis sich beide Ratskammern über alle Details einig sind. Es gilt aber als sicher, dass die Linke hinterher das Referendum ergreifen wird. Mit einer Volksabstimmung ist daher zu rechnen, frühestens wohl 2022.
Bekommt die AHV mit der Reform wenigstens für einige Zeit Ruhe?
Wohl nicht für lange. Die Sozialkommission des Nationalrats will, dass der Bundesrat bald einen nächsten Reformschritt für die Jahre 2030 bis 2040 ausarbeitet.
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