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Meinung

Analyse zum Covid-Pass
Corona-Sonderzug für Politiker

Lieber Plexiglas-Käfige als Zertifikatspflicht: Der Nationalratssaal wird für die Session hergerichtet.
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Gesundheitsminister Alain Berset bereitet die Ausweitung der Zertifikatspflicht vor. Schon ab Montag könnte der Beizenbesuch nur noch mit Covid-Pass möglich sein, und auch Firmen sollen ihre Angestellten darauf verpflichten können. Darauf deuten die Rauchzeichen aus dem Bundeshaus hin. 

Aber ein Widerstandsnest von 246 Politikerinnen und Politikern in Bern tut so, als ginge sie das alles gar nichts an: Die Mitglieder von National- und Ständerat verweigern sich dem Zertifikat. Zur Herbstsession, die in einer Woche beginnt, werden die Parlamentsmitglieder ohne Corona-Pass anreisen können.

Solche Dinge werden von den Ratsspitzen in der parlamentarischen Verwaltungsdelegation entschieden. Sie beruft sich auf den Bundesrat. Dieser habe festgehalten, «dass eine Zertifikats-Zugangsbeschränkung bei politischen Versammlungen der Legislative unzulässig ist, da die verfassungsmässigen Rechte und Pflichten der Ratsmitglieder und Magistratspersonen zu sehr eingeschränkt würden».

Eine solche Begründung mag Connaisseure des Staats- und Verfassungsrechts entzücken. Alle anderen, die bald im Fitnesscenter, beim Feierabendbier und vor der Kinokasse das Zertifikat vorzeigen müssen, schütteln den Kopf. Sie fragen sich, warum die Damen und Herren Parlamentarier hier Sonderrechte beanspruchen.

Das Zertifikat soll niemanden vom Sozialleben ausschliessen, auch nicht Impfmuffel.

Der Bundesrat hatte das Zertifikat als ein unangenehmes, aber vorübergehend unvermeidliches Hilfsmittel angepriesen. Eines hat uns der Bundesrat jedoch immer und immer wieder versprochen: Das Zertifikat soll niemanden vom sozialen, religiösen und politischen Leben ausschliessen, auch nicht Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen.

Darum sind einerseits zum Beispiel Gottesdienste, Demonstrationen und der öffentliche Verkehr von der Zertifikatpflicht ausgenommen. Und andererseits haben auch Ungeimpfte Anspruch auf das Zertifikat, sofern sie entweder genesen sind oder kürzlich negativ getestet wurden.

Drei Wochen Session mit Hunderten von Parlamentsmitgliedern, Gästen, Angehörigen der Parlamentsdienste und der Bundesämter auf engem Raum unter der Bundeshauskuppel. Es leuchtet ein, dass das epidemiologisch so heikel ist wie 90 Minuten Fitnesstraining, eine Frühmesse oder ein feuchtfröhlicher Abend.

Ausgerechnet die Leute, die immer noch Krawatte vorschreiben, halten das Zertifikat für unzumutbar.

Geimpft, genesen oder getestet: Die Bedingungen sind klar. Sie sind für Parlamentarierinnen und Parlamentarier so zumutbar wie für uns alle. Und nein, das Zertifikat schliesst auch Impfverweigerer nicht vom Ratsbetrieb aus. Testen reicht. Aber ausgerechnet die Leute, die – im Ständerat – den Männern immer noch Hemd, Veston, Krawatte oder Fliege vorschreiben, halten also die Zertifikatspflicht für unzumutbar.

Nein, es gibt keinen Grund, das Parlament im Sonderzug durch den Pandemie-Herbst fahren zu lassen. Im Gegenteil: Die parlamentarische Verweigerungshaltung bestärkt den ohnehin gärenden Verdacht, dass die Zertifikatspflicht doch eine deutlich einschneidendere Einschränkung der «verfassungsmässigen Rechte und Pflichten» bedeutet, als Alain Berset versprochen hatte. Und zwar nicht nur für die Mitglieder des Parlaments, sondern für alle Bürgerinnen und Bürger.

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