Korrektur-Initiative zu KriegsmaterialMehrheit des Parlaments ist gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer
Der Bundesrat will der Rüstungsindustrie die Ausfuhr in Bürgerkriegsländer weiterhin ermöglichen. Mit schlechten Aussichten: Das Parlament dürfte andere Pläne haben.
Die Waffenexportindustrie brummt wie selten zuvor: Gemäss den vor wenigen Tagen publizierten Zahlen des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) exportierte die Schweiz im ersten Halbjahr 2020 Kriegsmaterial im Wert von 501 Millionen Franken in 55 Länder. In der entsprechenden Vorjahresperiode waren es mit 273 Millionen Franken etwas mehr als die Hälfte.
Auf der Empfängerliste befinden sich auch Länder, die im Jemenkrieg mitmischen wie etwa Saudiarabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, oder Länder mit starken inneren Konflikten wie die Türkei oder Brasilien.
Breite Allianz für Verschärfung
Waffenexporte in solche Länder sind längst nicht mehr nur für Linke oder die Gesellschaft für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) unhaltbar. Dies zeigt eine Auswertung der Vernehmlassung zur Korrektur-Initiative, die am 29. Juni zu Ende ging und in der Öffentlichkeit kaum Beachtung fand. Das Fazit: Die Unterstützung der Parteien für den schärferen der beiden vom Bundesrat initiierten Gegenvorschläge, die Variante 2, ist gross.
Die Haltung der in der breiten «Allianz gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländern» vereinten Parteien SP, Grüne, Grünliberale, BDP und EVP überrascht kaum: Sie plädieren für diese Variante, weil so die Initianten der Korrektur-Initiative zu einem Rückzug bewegt werden können. Tatsächlich haben die Initianten diese Absicht schon mehrmals bestätigt. Nur Economiesuisse und SVP wollen der Landesregierung innerhalb des bestehenden Regelwerks weitgehend freie Hand lassen und stellen sich gegen beide Gegenvorschläge und die Korrektur-Initiative. Die FDP plädiert für die erste Variante.
Diese Vorschläge stehen zur Debatte:
Die Initiative: Die sogenannte Korrektur-Initiative wurde Ende Juni vergangenen Jahres von der Allianz gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer mit über 134’000 Unterschriften eingereicht. Sie will kein absolutes Verbot von Kriegsmaterialexporten. Das Volksbegehren verlangt aber, dass keine Schweizer Waffen in Länder ausgeführt werden dürfen, die die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzen, in welchen Bürgerkrieg herrscht oder die in einen Konflikt verwickelt sind. Die Initiative will vor allem eine Lockerung der Kriterien aus dem Jahr 2014 rückgängig machen, deshalb der Name «Korrektur-Initiative».
Variante 1: Mit diesem Gegenvorschlag würde die heutige Bewilligungspraxis beibehalten. So könnten Gesuche für die Ausfuhr von Kriegsmaterialexporten in Länder, die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzen, auch weiterhin bewilligt werden, «wenn nur ein geringes Risiko besteht, dass das Kriegsmaterial zur Begehung von schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen eingesetzt wird». Zudem soll der Bundesrat die Möglichkeit bekommen, zur Wahrung der aussen- oder sicherheitspolitischen Interessen von den Bewilligungskriterien abzuweichen.
Variante 2: Der zweite Gegenvorschlag würde die Ausfuhr von Kriegsmaterial in Länder verbieten, die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend verletzen. Das Verbot würde auch dann gelten, wenn ein geringes Risiko besteht, dass das Kriegsmaterial zur Begehung von schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen eingesetzt wird. Grösster Unterschied zur Initiative: Diese Regelung bekommt keinen Verfassungsstatus, sondern wird in einem Gesetz geregelt, und die Lieferung von Ersatzteilen bleibt weiterhin auch in kritische Länder möglich.
CVP als Zünglein an der Waage
Entscheidend wird die Haltung der CVP sein. Sie plädiert in der Vernehmlassungsantwort überraschend deutlich für den schärferen Gegenvorschlag. Noch 2014 votierte fast die Hälfte der CVP-Nationalräte für eine Lockerung der Vorschriften: Mit Stichentscheid des Ratspräsidenten, des Luzerner CVP-Nationalrats Ruedi Lustenberger, und dank den Stimmen von elf CVP-Parlamentariern kippte der Entscheid in der Grossen Kammer zugunsten einer lascheren Exportpraxis, die bis heute Bestand hat.
Von einem Paradigmawechsel will CVP-Präsident Gerhard Pfister heute nicht sprechen. Aber die Variante 2 könne dazu führen, dass die Initiative zurückgezogen werde: «Die Position der CVP wurde auch im Hinblick auf die eingereichte Korrektur-Initiative gefasst.» Pfister ist überzeugt, dass diese Haltung auch bei der Behandlung im Parlament Bestand haben wird, da diese Position in der Fraktion eingehend diskutiert worden sei. Ein Beitritt der Partei zur Allianz geht dem CVP-Präsidenten dann doch zu weit, obwohl einzelne CVP-Mitglieder bereits dort mitmachen.
Damit sind die Fronten im Parlament ziemlich klar gesteckt: Nur gerade die SVP und die FDP werden gegen eine substanzielle Verschärfung der Exportpraxis votieren. Wobei gerade bei den Liberalen mit einigen Abweichlern zu rechnen ist. So sagt etwa die Berner Nationalrätin Christa Markwalder, sie bevorzuge die zweite Variante, weil so die Initianten zum Rückzug bewegt werden könnten.
Kanton Bern reagiert harsch
Bei den Kantonen zeigt sich ein diverses Bild: Elf sind für die Variante 1, sieben für Variante 2, drei begrüssen einen Gegenvorschlag, wollen sich inhaltlich aber nicht festlegen. Die Innerschweizer Kantone Nidwalden, Obwalden und Schwyz lehnen sowohl Initiative als auch Gegenvorschläge ab, Zürich und Appenzell Innerhoden verzichten auf eine Stellungnahme.
Auffällig sind die ungewöhnlich harschen Worte des Kantons Bern. Die Regierung macht in ihrer Vernehmlassungsantwort deutlich, dass sie dem Bundesrat in dieser Frage nicht über den Weg traue: Der Bundesrat habe bereits nach 2009 seine Versprechen nicht eingehalten. Damals hatte die Landesregierung im Abstimmungskampf zur Kriegsmaterial-Initiative (sie wurde an der Urne mit 68,2 Prozent deutlich abgelehnt) versprochen, die Ausfuhrkriterien nicht zu lockern. Doch nur wenige Jahre später machte sie auf Druck der Rüstungsindustrie genau das. Deshalb plädiert nun die Berner Regierung, notabene bürgerlich dominiert, klar für die zweite Variante.
Der Bundesrat wird nach den Sommerferien die Vernehmlassung analysieren und dann mit einer Botschaft ans Parlament gelangen. Bis das Anliegen allenfalls an die Urne kommt, dürfte mindestens ein Jahr verstreichen. Wird die Variante 2 vom Parlament verabschiedet und die Initiative tatsächlich zurückgezogen, kommt es zu keinem Urnengang – ausser es würde das Referendum ergriffen.
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