Interview über GartenarbeitSo erkennen Sie die Qualität Ihres Gartenbodens
Pflanzenkohle, Mykorrhiza, Mulchen: Was braucht ein gesunder Boden wirklich? Beatrice Kulli erklärt, wie man seinen Gartenboden kennen lernt und wie eine alte Unterhose dabei helfen kann.
Frau Kulli, im Garten den Boden pflegen sei der halbe Weg zum Erfolg, heisst es oft. Wie weiss man, was der Boden braucht?
Erst muss man seinen Boden kennen lernen. Die wichtigsten Eigenschaften lernt man relativ einfach: Fliesst das Wasser schnell ab, deutet dies auf sandigen Boden hin. Bleibt es stehen, ist der Boden eher verdichtet oder sehr tonig. Mit den Fingern kann man eine Würstchenprobe machen und etwas Erde zwischen den Fingern rollen. Gibt es ein feineres, glattes Würstchen, ist der Boden feinkörnig und kann das Wasser speichern. Bleibt das Würstchen grob und rau, ist auch die Wasserspeicherfähigkeit weniger gut. Und dann gibt es noch die Unterhosenmethode.
Unterhosenmethode?
Ja, die eignet sich gut, um eine grobe Aussage über die biologische Bodenaktivität machen zu können. Man nimmt eine Unterhose aus Baumwolle (es geht auch ein anderes Baumwolltuch) und vergräbt sie in der Erde. Nach zwei Monaten schaut man nach, wie viel von der Unterhose noch vorhanden ist – je weniger, je aktiver ist der Boden. Auch an der Farbe und am Geruch bekommt man einen Eindruck von seinem Boden.
Wie sollte er riechen?
Nicht nach Fäulnis, sondern erdig, leicht pilzig. Guter Boden riecht angenehm.
Was kann man nicht selber feststellen?
Ob der Boden mit Schwermetallen oder andere Verunreinigungen verschmutzt ist. Oft kennt man die Geschichte des Bodens nicht, der Vorbesitzer hat vielleicht Asche auf die Beete gebracht oder seine Rosen mit kupferhaltigen Mitteln gespritzt – da kann es gut sein, dass es zu viele Schwermetalle hat. Diese sind nicht immer ein Problem, da die Schwermetalle im Boden gut gebunden werden. Mit einer Probe, die man in einem Bodenlabor analysieren lässt, kann dies bestimmt werden. Dabei kann auch der Nährstoffgehalt untersucht werden.
Es gibt viele Produkte auf dem Markt, die die Bodenaktivität verbessern sollen. Braucht es die wirklich?
Womit man sicher nie etwas falsch macht, ist Kompost. Organisches Material ist Futter für die Mikroorganismen im Boden, aber auch für die Regenwürmer – dies hält den Boden biologisch aktiv. Organisches Material hilft auch der Bodenstruktur, macht den Boden krümeliger, wodurch er wiederum besser Wasser und Nährstoffe speichern kann. In einem aktiven Boden werden auch die Nährstoffe besser freigesetzt und sind somit für Pflanzen verfügbar.
Stichwort Pflanzenkohle: Sinnvoll oder nicht?
Pflanzenkohle ist ein Hype, seit man in Lateinamerika die sogenannten Terra-Preta-Böden analysiert und herausgefunden hat, dass Pflanzenkohle diese Böden so fruchtbar gemacht hat. In der Schweiz ist Pflanzenkohle in den letzten Jahren auch immer beliebter geworden. Ihre Wirkung wird daher nun genauer untersucht. Erste Ergebnisse weisen darauf hin, dass vor allem sandige und saure Böden von Pflanzenkohle profitieren. Die sandigen Böden, weil sie wenig feine Poren haben, in denen das Wasser gespeichert werden kann. Kohle kann dies aufgrund ihrer Porosität verbessern. An der Kohle können auch Nährstoffe andocken, was wiederum für Böden mit schlechter Nährstoffspeicherfähigkeit, wie saure Böden, hilfreich ist. In der Schweiz sind die Böden jedoch selten sehr sandig oder sehr sauer. Das Bundesamt für Umwelt ist daher gegenüber Pflanzenkohle etwas skeptisch, damit sich nicht das Gleiche wie beim Klärschlamm wiederholt. Vor 2006 wurden in der Landwirtschaft die Böden mit Klärschlamm gedüngt, bis man feststellte, dass man dadurch auch Schwermetalle, und andere unerwünschte Stoffe in die Böden brachte. Man weiss zum Beispiel auch nicht, wie sich die Pflanzenkohle auf Regenwürmer auswirkt.
Stichwort effektive Mikroorganismen: sinnvoll oder nicht?
Die effektiven Mikroorganismen sind ein Mix aus verschiedenen Mikrobenstämmen und sollen bei allem Möglichen helfen – auch dem Darm, wenn man sie trinkt. Ich bin bei solchen Allerweltsmitteln immer skeptisch. Agroscope hat dazu eine Studie gemacht und kam zum Schluss, dass die Mikroorganismen mit Ausnahme der Düngewirkung nichts bewirken. Die Mikroorganismen werden ja in einer Nährlösung bewahrt und ausgebracht – diese Lösung hat eine düngende Wirkung, aber mehr Effekt hatte es nicht.
Viele Hobbygärtner, Gärtner und Gärtnereien wenden Mikroorganismen an und schwören darauf. Etwa bei der Anzucht von Jungpflanzen – in den Saatschalen, die mit Mikroorganismen gegossen wurden, gedeihen die Keimlinge viel besser.
Es ist möglich, dass die Mikroorganismen je nach Aktivität des Substrates positive Auswirkungen haben – dies müsste man erst noch genauer untersuchen.
Stichwort Mykorrhiza, also als Präparat aufbereitete Pilze, die im Boden eine Symbiose mit Pflanzenwurzeln eingehen: sinnvoll oder nicht?
In bestimmten Fällen, etwa beim Bäumepflanzen, können Mykorrhiza-Präparate sinnvoll sein. Mir haben viele Gärtner vom positiven Effekt berichtet. Auch hier: Es kommt auf die bereits bestehende Zusammensetzung des Bodens an. Ein gesunder Boden enthält bereits eine hoch spezialisierte und aktive Gemeinschaft aus Bakterien und Pilzen.
Ob die Biologie im Boden bereits gut funktioniert – das lässt sich mit einer Bodenprobe nicht herausfinden?
Labormessungen sind möglich, aber aufwendig. Ich wünschte mir einen Test wie bei Corona, den man in den Boden stecken kann und der dann die wichtigsten Fragen zum Vorhandensein und der Aktivität von Bodenorganismen beantwortet.
Wie gut ist denn der Boden heute erforscht?
Im biologischen Bereich hat es noch viele Lücken, weil dies nicht so einfach zu erforschen ist. Man kennt zwar viele Mikroorganismen, weiss aber oft nicht, wie diese genau arbeiten. Bei den chemischen Verschmutzungen ist das Problem, dass man genau wissen muss, was man sucht. Dann muss man eine Methode entwickeln, um diese Stoffe extrahieren und messen zu können.
Was hilft dem Boden sonst noch?
Dass er bepflanzt ist. Das Regenwasser wird durch die Pflanzen abgefangen und sanfter auf den Boden geleitet. Und Wurzeln scheiden dauernd Stoffe aus, die Nahrung sind für Mikroorganismen. Bei unbepflanzten Böden können Nährstoffe besser ausgeschwemmt werden.
Mulchen: Ja oder nein?
Das Mulchen, also das Bedecken des Bodens mit organischem Material, liefert den Mikroorganismen Futter, und der Boden ist bedeckt – das hilft dem Boden. Es darf einfach nicht zu dicht sein, pappig werden und faulen. Für den optimalen Abbau von organischem Material braucht es immer Sauerstoff.
Bodenbearbeitung: Ja oder nein?
In der Landwirtschaft ist pflugloses Arbeiten ein grosses Thema. Häufig wird dadurch aber mehr Pestizid verwendet. Beim Pflügen – also beim Kehren der Erde – werden Unkräuter unterdrückt und die Pflanzen, die man sät, haben bessere Chancen zu wachsen. Wer nicht pflügt und keine Pflanzenschutzmittel verwendet, muss dafür mehr jäten. Im Garten: Je mehr man bearbeitet, umso mehr gehen die Mykorrhiza-Geflechte kaputt und werden die Regenwürmer gestört. Aber leichte Bearbeitungen im oberen Bereich sehe ich nicht als Problem. Sie sind kaum zu vermeiden, und das Gleichgewicht stellt sich auch wieder her.
Wie lange dauert dies?
Ich denke, in einem halben Jahr sind die Netzwerke grösstenteils wiederhergestellt. Viel problematischer finde ich, was beim Siedlungsbau mit dem Boden passiert.
Was meinen Sie?
Wenn bei einem Neubau der Garten erstellt wird. Ist das Gebäude fertig, sind die Gartenbauer meistens unter Druck: Es soll schnell alles grün sein. Der Boden wird ausgebracht und flach gewalzt, damit er schön eben ist und sich nachher nicht setzt. Der Boden wird dadurch aber auch verdichtet, und das Wasser kann zum Teil nicht mehr gut abfliessen. Im Landwirtschaftsland wäre dies ein No-go, da gibt es eine bodenkundliche Baubegleitung, die auf der Baustelle die Interessen des Bodens vertritt. Im Siedlungsgebiet gibt es dies nicht. Besser wäre, man würde warten, bis sich der Boden natürlich setzen kann.
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