Fotografie: Lia DarjesWenn Eichhörnchen den Tisch leer räumen
Die deutsche Fotografin Lia Darjes überlässt in ihrer neuen Serie «Plates I-XXXI» Gartentische mit Essensresten den Wildtieren.
Eine Krähe zupft am weissen Tischtuch, eine schwarze Katze steckt ihren Kopf ins Milchkännchen, ein Eichhörnchen macht sich über eine Wassermelone her und zwei Waschbären hinterlassen ein Chaos wie Diebe nach einem Einbruch.
In ihrer neuen Serie «Plates I-XXXI» macht die Berliner Fotografin Lia Darjes Vögel und Wildtiere zu den Protagonisten einer Aufführung, die nur dann stattfindet, wenn die Menschen wegschauen. Die Bühne: ein ganz normaler Gartentisch.
«Ich lade mich selbst zum Essen und Trinken in die Gärten und auf die Terrassen meiner Freunde ein», sagt Darjes. Danach wird der Tisch von ihr bewusst vorbereitet – mit den Resten der Mahlzeit.
Später überlässt sie die Szenerie für einige Stunden oder ganze Tage den Eichhörnchen, Meisen, Schnecken, Feldmäusen, Ameisen und Spatzen. Eine Kamera, die durch Bewegungen der Tiere ausgelöst wird, bleibt als stummer Zeuge zurück. «Ich finde es faszinierend, das Inszenierte und das Zufällige in einem Bild zu vereinen.»
Bekannt wurde Lia Darjes mit der dokumentarischen Serie «Tempora Morte», in der sie das bescheidene Warenangebot, das Rentner in Kaliningrad am Strassenrand anbieten – Äpfel aus dem eigenen Garten, Brombeeren in Plastikbechern, tote Fische auf Zeitungspapier – als prachtvolle Stillleben inszenierte. Ausserdem porträtierte Darjes queere Muslime in Europa und Amerika. Seit 2023 leitet sie zusammen mit Jörg Brüggemann die renommierte Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin.
Wie in «Tempora Morte» spielt auch «Plates I-XXXI» mit der Ästhetik des Stilllebens und erinnert an die niederländischen Meister, die sie inspiriert haben. In der «Grauzone zwischen den Lebensräumen von Menschen und Wildtieren», wie sie es nennt, ist Darjes’ Arbeit ein leiser und doch eindringlicher Appell, die geheime Welt der Mitbewohner unserer urbanen Landschaften wahrzunehmen.
Lia Darjes: Plates I-XXXI. Verlag Chose Commune, 2024. 64 S., ca. 40 Franken. Ausstellung bis 19. Oktober in der Galerie Robert Morat, Berlin
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