Stefan Walter im InterviewDer neue Finma-Chef will Banken früher bremsen – und härter: «Wir brauchen Bussenkompetenz»
Die Finanzaufsicht soll mächtiger werden. Stefan Walter fordert mehr Leute und will fehlbare Banken büssen können. Doch nun beginnen die Banken, die Reformen zu bekämpfen.
- Stefan Walter hat die Leitung der Finanzaufsicht Finma im April übernommen.
- Walter fordert neue Instrumente, damit die Finma früher in Krisen eingreifen kann.
- Mit Frühinterventionen sollen Probleme bei Schweizer Banken früher erkannt und Kunden besser geschützt werden.
- Die Bankiervereinigung kritisiert, dass der Finma zu viel Macht gegeben werden könnte.
Stefan Walter hat eine schwierige Aufgabe übernommen. Der 59-Jährige ist seit April Chef der Finanzaufsicht Finma. Während die Behörde für den Untergang der Credit Suisse mitverantwortlich gemacht wird, will er sie für künftige Krisen rüsten.
Finma-Chef Walter will die Aufsicht so aufbauen, dass sie früh erkennt, wenn sich eine Bank in die falsche Richtung entwickelt und sie so nicht unvermittelt in Schieflage geraten kann. Walter weiss, wie sich eine Finanzkrise anbahnt. Er hat vor seinem Job in Bern bei europäischen und amerikanischen Aufsichtsbehörden gearbeitet und dort alles gesehen, was bei Banken alles schiefgehen kann.
Er will künftig die Schweizer Banken vertiefter überwachen, früher eingreifen können und fordert dafür neue Instrumente und Kompetenzen für die Behörde.
Viele der Forderung schienen gute Chancen zu haben. Doch je länger das Ende der CS zurückliegt, desto stärker wird der Widerstand. In einer neuen Stellungnahme, die nach dem Führen des Interviews veröffentlicht wurde, warnt die Bankiervereinigung davor, der Finma zu viel Macht zu geben. Die schon verfügbaren Instrumente würden ausreichen. So seien etwa Bussen für Banken oder fehlbare Manager unnötig.
Herr Walter, die CS ging im März 2023 relativ unvermittelt pleite, die Westschweizer Flowbank wurde von der Finma kürzlich unerwartet und frühzeitig geschlossen. Schreitet die Behörde unter Ihnen früher ein?
Ich kann nicht auf Einzelfälle eingehen. Ein wichtiges Element ist die Frühintervention, das heisst, dass wir die Ursache eines Problems bekämpfen und nicht die Symptome. Ein solches Symptom wäre etwa ein Liquiditätsabfluss, wenn also die Kunden im grossen Stil ihr Geld abziehen. Zusätzlich verlieren die Wertpapiere der Bank an Wert und die Kosten für die Kreditversicherungen der Institute schiessen in die Höhe – dann ist man sehr spät dran. Das Haus steht dann schon in Flammen. Wir müssen vorher dafür sorgen, dass es ein Rauchverbot gibt, die Brandschutztüren da sind und regelmässige Feuerübungen stattfinden.
Die Finma wird also früher aktiv. Wie gross ist diese Umstellung für die Behörde?
Alle internationalen Finanzaufsichtsbehörden schauen sich derzeit an, welche Lehren aus den Turbulenzen vom März 2023 gezogen werden können. Eine wichtige Erkenntnis ist: Auch wenn die Banken die Anforderungen auf dem Papier erfüllen, kann es zu grossen Problemen kommen, wenn der Ruf einer Bank beschädigt ist oder das Geschäftsmodell infrage gestellt wird. Zu solchen Situationen wird es häufiger kommen. Die Risikolage hat sich zugespitzt. Wegen der Digitalisierung und der sozialen Medien kann das Geld von den Kundinnen und Kunden viel schneller aus einer Bank abfliessen. Hinzu kommen nicht finanzielle Risiken wie Geldwäschereifälle und Sanktionsverstösse. Die Cybergefahren wachsen. Sie betreffen alle Institute. Die Aufsicht muss da mithalten können.
Wie wollen Sie das schaffen?
Wir müssen die nötigen Kompetenzen haben und wir müssen frühzeitig auf proportionale Weise eingreifen können, auch wenn vermeintlich alles noch ruhig ist. Wenn Kundengelder abfliessen, sind wir spät dran. Wir müssen die Risiken kennen und möglichst früh eingreifen können. Frühintervention bedeutet vor allem Schutz der Kundinnen und Kunden und der Stabilität des Finanzplatzes.
Wie soll das gehen?
Wir können die Institute miteinander vergleichen, auch international. Wir vergleichen zum Beispiel, wie sie sich vor bestimmten Risiken schützen. Dann sehen wir schnell, wer im Feld abfällt. Wir sagen es dann den betroffenen Banken und verlangen von ihnen, dass sie das verbessern und zu den anderen Instituten aufschliessen. Hier ist es wichtig, dass wir auch mit den zusätzlichen Kompetenzen gewappnet sind, die wir proportional einsetzen können.
Brauchen Sie dafür nicht mehr Leute? Die Finma zählt seit Jahren rund 500 Mitarbeitende.
Ein wichtiges Element ist für uns im Moment die Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsprüfern. Sie führen für uns Kontrollen bei Banken durch, wo es doch für die Arbeit der Finma zentral wäre, auch selbst Kontrollen vor Ort zu machen. Bei den Versicherungen ist das schon so, bei den Banken gibt es aber Einschränkungen. Solche kennen mit der Finma vergleichbare Aufsichtsbehörden nicht. Die Aufsicht muss selbst bestimmen können, wann sie eine Kontrolle vor Ort durchführen will. Unsere eigenen Mitarbeitenden müssen die Banken auch sehr gut kennen und sich nicht zu sehr auf die Berichte der Wirtschaftsprüfer verlassen. Diese kommen auch in einen Interessenkonflikt, weil sie teilweise von den Banken für die Prüfung beauftragt werden.
Sie wollen mit gleich vielen Leuten mehr Kontrollen durchführen?
Nein, wir werden mehr Leute brauchen. Für genaue Zahlen ist es noch zu früh. Sicher ist aber: Wir werden eine kleine, effiziente Behörde bleiben. Wir werden da ausbauen, wo wir die künftigen Risiken sehen.
Kleine Banken haben Angst, dass sie nun gleich streng überwacht werden wie die UBS.
Wir gehen proportional und risikobasiert vor. Wir berücksichtigen die Grösse und die Bedeutung des jeweiligen Finanzinstituts, ebenso wie das Geschäftsmodell und die Risiken. Wir hacken nicht auf den kleinen Banken herum. Die grossen Institute werden viel genauer überwacht. Oder umgekehrt: Je kleiner das Institut und je geringer die Risiken, desto grösser ist die Entlastung. Kleine Institute, die gewisse Kriterien erfüllen, können zudem vom Kleinbankenregime profitieren, das ist international einzigartig.
Im Nachgang zur CS-Krise will der Bundesrat der Finma neue Mittel in die Hand geben. Die Behörde könnte bald fehlbare Manager büssen dürfen und sie soll Banken öffentlich nennen dürfen, gegen die sie Verfahren durchgeführt hat. (Hier mehr zum Widerstand dagegen)
Wir haben Erfahrung in der Bankenaufsicht und bringen uns in die Diskussion ein. Man muss gar nicht nur auf die CS-Krise schauen, diese Möglichkeiten sind im Ausland einfach Standard. Alle Behörden, bei denen ich gearbeitet habe, haben diese Instrumente. Wir müssen alles tun können, was präventiv wirkt.
Die Sorge ist, dass die Verfahren gegen Manager sehr komplex sind. Und die Bussen der Führungskräfte von den Banken bezahlt werden – die dann noch schlechter dastehen.
Wir müssen eine Bussenkompetenz haben. Mindestens auf der Ebene des Bankinstituts. Ohne büssen zu können, wären auch Tempolimits im Strassenverkehr kraftlos. Wer sich daneben benimmt, schadet allen, und das ist unfair denen gegenüber, die sich gut verhalten. Bussen haben auch eine präventive Wirkung. Man muss Anreize im Voraus setzen, die das gute Verhalten fördern.
Die neuen Mittel muss ihnen das Parlament bewilligen. Es braucht eine Gesetzesänderung. Ihre Forderung wird durch den «Too big to fail»-Bericht des Bundesrats gestützt. Auch der Bericht der parlamentarischen Untersuchungskommission zum CS-Untergang könnte Ihnen helfen.
Ich kann nicht prognostizieren, sondern nur meinen guten Rat geben.
Aber Sie hoffen noch darauf?
Ich zähle darauf.
Die Branche wünscht sich eine starke Aufsicht. Nur scheint sie etwas anderes darunter zu verstehen als Sie.
Es ist im Interesse der Branche, eine starke Aufsicht zu haben. Das ist wichtig für die Reputation des Finanzplatzes. Es geht aber vor allem um den Schutz der Bürgerinnen und Bürger, der Kunden und des Systems. Dieser Schutz ist unsere Kernaufgabe. Nebst einer konservativen Fiskal- und einer unabhängigen Geldpolitik ist deshalb auch eine starke unabhängige Aufsicht zentral Aber auch Wettbewerbsfähigkeit ist eine Folge von guter Regulierung und Aufsicht. Eine starke unabhängige Aufsicht, die frühzeitig eingreifen kann, ist entscheidend für nachhaltiges Wachstum.
Die Finma hat der UBS gerade den Auftrag erteilt, den Abwicklungsplan zu überarbeiten. Warum?
Die Sanierung einer Bank ist immer noch die beste Variante. Es braucht aber mehr Optionen. Eine wäre der Marktaustritt. Dafür muss die Bank auseinandergenommen und in Teilen verkauft werden können. Dafür sind noch Arbeiten notwendig. Sowohl bei der Gesetzgebung als auch bei der Bank.
Spielt die UBS mit?
Der Austausch ist sehr kooperativ. Uns ist wichtig, eingreifen zu können, wenn wir Geschäftsmodelle sehen, die im Widerspruch zur Abwickelbarkeit stehen. Das ist im Ausland normal.
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