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Stichtag bei US-Notenbank 
Fed steht vor schwierigstem Entscheid seit 15 Jahren

Jerome Powell, Präsident der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), gestand ein, dass die Notenbank mit der straffen Zinspolitik die Teuerung nicht wie erwartet dämpfen kann. 

Noch ist offen, wie die US-Notenbanken auf die ungewöhnliche Kombination von Finanzkrise, Inflation und drohender Rezession reagieren werden. Aber am Mittwoch wird klar, ob das Fed sein Zinstempo drosseln wird – oder sogar eine Vollbremsung einlegen muss. Dann steht der nächste Zinsentscheid an. 

Vor dem Kollaps von drei US-Regionalbanken und der Credit Suisse sagten die meisten Ökonomen voraus, dass das Fed die Zinsen auf über 5 Prozent anheben würde. Fed-Chef Jerome Powell selbst schürte vor zwei Wochen diese Erwartung, als er gestand, dass er mit seiner straffen Zinspolitik die Teuerung nicht wie erwartet dämpfen könne. Die Februar-Zahlen waren eine weitere Enttäuschung für ihn, zog die Inflation doch aufs Jahr hochgerechnet um 6 Prozent an – dreimal stärker, als die Notenbank anstrebt.

Zwischenhalt oder kleine Anpassung?

Und als ob das nicht genug wäre, ist durch die Bankenkrise ein neues und schwer einschätzbares Risiko hinzugekommen. Die Übernahme der CS durch die UBS konnte die globalen Finanzmärkte nicht beruhigen, und führende Wallstreet-Banker versuchen verzweifelt, eine weitere Regionalbank – die First Republic – zu retten. 

Die anhaltende Unsicherheit zwingt die Notenbank dazu, sich grundsätzlich neu zu orientieren. Die Frage ist nicht mehr, ob sie die Leitzinsen um 0,5 Prozentpunkte anheben wird, wie Powell vor kurzem noch wollte. Die Frage ist, ob sie einen Zwischenhalt einlegen oder eine kleinere Anpassung um 0,25 Punkte machen will.

Die Bankenkrise wirkt nämlich wie eine versteckte Zinserhöhung. Sie führt zu einer geringeren Kreditvergabe, da die Aufsichtsbehörden und die internen Kontrollteams die Banken dazu bewegen, ihre Risikobereitschaft zu verringern. Die Ökonomen von Goldman Sachs, einer der stets optimistischen Wallstreet-Banken, schätzen, dass verschärfte Kreditvergabestandards einer Erhöhung des Leitzinses um einen Viertel- oder halben Punkt entsprechen.

Die Bank und die japanische Nomura erwarten deshalb, dass die US-Notenbank am Mittwoch keine Zinserhöhung bekannt gibt. Tatsächlich haben sich die Banken bereits massiv mit Notfallkrediten eingedeckt. Sie bezogen gemäss der Ratingagentur Moody’s 153 Milliarden Dollar beim sogenannten Diskontfenster des Fed, nachdem es in der Vorwoche nur 5 Milliarden gewesen waren. Die Liquiditätsengpässe der Banken sind so gross, dass die Ratingagentur ihren Ausblick für das US-Bankensystem auf negativ änderte.

Wenn das Fed eine Pause einlegt, kann man sich fragen: «Was wissen die, was wir nicht wissen?»

Doch auch für eine Anhebung um einen Viertelpunkt gibt es gute Gründe. Die Bank of America beispielsweise warnt davor, dass ein Zinsstopp die Verunsicherung erhöhen könnte, weil das Fed damit bestätigt, dass eine grössere Krise – eine Rezession – im Anzug ist. «Ich würde raten, die Zinsen um 0,25 Punkte anzuheben», sagt Richard Clarida, der von 2018 bis 2022 stellvertretender Vorsitzender des Fed war.

Wenn das Fed eine Pause einlegt, kann man sich fragen: «Was wissen die, was wir nicht wissen?» Ökonominnen und Ökonomen befürchten, dass eine Pause die Gefahr einer sogenannten Finanzdominanz birgt, bei der sich die Geldpolitik zu sehr auf die Vermeidung von Marktstress konzentriert und die Inflationsbekämpfung vernachlässigt. «Powell hat sich seine Glaubwürdigkeit als Inflationsbekämpfer hart erkämpft», meint Ellen Meade, ehemalige leitende Beraterin des Fed. «Nichts zu tun, erscheint mir angesichts der Teuerungszahlen falsch. Es besteht somit das Risiko, dass ein Zinsstopp ein Marktrally an der Börse auslösen und das Inflationsproblem verschlimmern könnte.»

Vierte Krisenbank muss gestützt werden

Wie auch immer entschieden wird: Ein Ende dieses Zinszyklus ist abzusehen. Händlerinnen und Händler gehen davon aus, dass es im Mai zu einer letzten Erhöhung kommen könnte, bevor die Notenbank die Zinsen nächstes Jahr zu senken beginnt. Dieses Szenario geht höchstens von einer milden Rezession im Herbst aus. Ein scharfer Konjunktureinbruch gilt unter Fachleuten derzeit als unwahrscheinlich. Solange die Bankenkrise in den USA nicht unter Kontrolle ist, sind solche Szenarien jedoch nur Hoffnungen.

Nichts verdeutlicht das Risiko mehr als der drohende Kollaps der First Republic Bank, der dritten Krisenbank an der US-Westküste. Sie verlor 90 Prozent Marktwert, nachdem die Kunden mehr als 70 Milliarden Dollar abgezogen hatten. Elf Grossbanken wollten zwar 30 Milliarden Dollar hinterlegen, um das Vertrauen wiederherzustellen. Doch als der Rettungsplan gestern bekannt wurde, stürzten die Aktien der Bank um 47 Prozent in die Tiefe.

Angeführt wird das Rettungsteam von Jamie Dimon, Chef der JP Morgan Bank. Seine Person verdeutlicht die Krise. Dimon profilierte sich in den letzten Jahren als Doyen der Wallstreet-Banker. Seine Erfahrung mit dem Krisenmanagement wird immer wieder auch von der Regierung Biden genutzt. Seine Intervention erinnert an die Börsenpanik von 1907, als ein halb pensionierter J. Pierpont Morgan ein Bankenkonsortium bildete, um eine Reihe von kollabierenden Banken zu stützen und eine landesweite Finanzkrise abzuwenden.