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Schliessung der Silicon Valley Bank
Wie es zur zweit­grössten Banken­pleite in der US-Geschichte kam

Leute stehen vor dem geschlossenen Hauptsitz der Silicon Valley Bank in Santa Clara, Kalifornien. (10. März 2023)
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Die Silicon Valley Bank (SVB), die sechzehntgrösste Bank des Landes, wurde am Freitag zwangsweise geschlossen, nachdem ihre Kunden – hauptsächlich Angestellte der Techindustrie und Risikokapitalgeber – ihre Einlagen panikartig abgezogen hatten und ein Run auf weitere Banken gedroht hatte. Die Aufsichtsbehörden beschlagnahmten die Vermögenswerte und brachten sie in einer Auffangbank in Sicherheit. Der grösste Teil der Einlagen allerdings ist nicht versichert.

Die Schliessung der Bank ist die zweitgrösste Bankenpleite in der Geschichte des Landes und die grösste Pleite seit dem Höhepunkt der Finanzkrise vor 14 Jahren. Die hastige Schliessung der Bank, die am Freitagmorgen noch neue Kapitalgeber finden wollte, führte zur deutlichen Abwertung auch der grossen, als sicher betrachteten Banken. Globale Finanzinstitute beobachten die Situation genau, da sie befürchten, dass die Turbulenzen zu einer weiteren Panik im Finanzsystem führen könnten. (Lesen Sie dazu: Schockwellen auf den Finanzmärkten: Was ist da los?)

Ausgelöst wurde der Sturm durch den Plan der Bank, mit der Ausgabe neuer Aktien ein Loch von fast zwei Milliarden Dollar in ihren Finanzen zu stopfen. Die Bank war in finanzielle Rücklage geraten, weil sie als Reaktion auf den Rückgang der Kundeneinlagen ein Bündel von Anleihen verkaufen musste. Allerdings hatten diese wegen der steigenden Zinsen stark an Wert verloren und ein tiefes Loch in die Bilanz gerissen.

Die Aktien brachen am Donnerstag zunächst um 60 Prozent ein und wurden am Freitag nach einem Kurssturz von 66 Prozent im vorbörslichen Handel gestoppt.

Zu diesem Zeitpunkt versuchte die Bank noch, die Kunden zu beruhigen. Zu spät. Das Vertrauen war verspielt. Die Kunden hatten allein am Donnerstag 42 Milliarden Dollar abheben wollen – ein Viertel der gesamten Einlagen der Bank. Die Flut der Rückzüge zerstörte die Finanzen der Bank. Bei Geschäftsschluss am Donnerstag hatte sie einen negativen Bargeldbestand von einer Milliarde Dollar und konnte ihre Zahlungen an die Fed nicht mehr decken.

Angst vor Panik

Die Probleme weckten die Befürchtung, dass die jüngsten und noch geplanten Zinserhöhungen in den USA auch den Wert der Anleiheportfolios anderer Banken entwerten und das Risiko für die Finanzplätze weltweit steigt. «Angst ist ansteckend», sagte Angela Lee, eine Professorin für Risikokapitalismus an der Columbia Business School, dem «Guardian». «Ein Gerücht kann einen Sturm auf die Banken auslösen, und das hier ist viel mehr als ein Gerücht.» Sie mache sich Sorgen, dass die Leute überreagieren und überkorrigieren könnten.

Die Verluste querbeet durch die Banken sind eine Folge der aggressiven Inflationsbekämpfung durch die US-Notenbank. Steigende Zinssätze führten dazu, dass der Wert der bestehenden Anleihen mit niedrigeren Zinszahlungen stark gesunken ist. Die Banken sitzen auf Bündeln dieser Anleihen, darunter US-Staatsanleihen, und führen nun riesige, nicht realisierte Verluste in ihren Büchern. An sich wären solche Verluste kein Problem, es sei denn, eine Bank sei wie im Fall der SVB gezwungen, Anleihen zu verkaufen, um den Rückzug von Einlagen zu kompensieren. Banken tun das in der Regel nicht, auch wenn Kunden ihre Einlagen in höher rentierende Papiere umschichten.

Die Schwierigkeiten der Bank sind relativ einzigartig, da sie auf die Finanzierung von Start-ups im Technologiesektor spezialisiert war. Diese Mittel waren seit letztem Herbst parallel zur massiven Tieferbewertung etablierter Konzerne wie Meta oder Google zunehmend versiegt. Die hohe Risikobereitschaft während der Tiefzinsphase war der Angst um Arbeitsplätze, schwindende Gewinne und sanierungsbedürftige Geschäftsmodelle gewichen. Weil das Silicon Valley in dieser Hinsicht atypisch und isoliert ist, besteht kaum die Gefahr einer Ansteckung des Bankensektors, wie das in der Finanzkrise 2009 der Fall gewesen war. Die grossen Banken des Landes haben gemäss den jährlichen Stresstests gesunde Bilanzen und reichlich Kapital.

Stimmung im Silicon Valley kippt

Das Scheitern der SVB kam mit unglaublicher Geschwindigkeit, obwohl einige Analysten noch am Freitagmorgen von einem gesunden Unternehmen sprachen, das eine Investition wert sei. Bemerkenswert ist, dass die Finanzaufseher nicht bis zum Geschäftsschluss warteten, um die Bank zu beschlagnahmen. Weil die Kunden ihre Gelder so rasch abgezogen hatten, konnte kein Käufer für die Vermögenswerte gefunden werden und die Aufseher mussten handeln, um die verbliebenen Vermögenswerte in Sicherheit zu bringen.

Zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs hatte die Bank ein Vermögen von 209 Milliarden Dollar. Staatlich versichert sind aber nur Einlagen unter 250’000 Dollar. Der Rest wurde unter Zwangsverwaltung gestellt. Ob und wie viel davon übrig bleiben wird, ist unklar. Frühere Berichte der Aufsichtsbehörden zeigten, dass ein Grossteil der Einlagen, über 150 Milliarden Dollar, nicht versichert ist.

Risikokapitalgeber reagierten bestürzt über den Kollaps ihrer Hausbank. Viele hatten versucht, ihre Gelder noch abzuheben, was jedoch nicht rechtzeitig gelang. Unternehmen konnten deshalb nicht wie üblich am Freitag ihre Gehaltsabrechnung machen und ihre Mitarbeiter bezahlen. Auch wenn der Zusammenbruch der SVB ausserhalb der Techbranche kaum grössere Folgen haben dürfte, so werde er doch für Start-ups und das Klima im Silicon Valley «katastrophal» sein, meint Columbia-Professorin Lee. «Start-ups haben keinen Zugang zu ihren Geldern, und Unternehmen werden zur Geschäftsaufgabe gezwungen sein», sagte sie. «Die daraus entstehende Stimmung wird weltweit verheerend sein.»