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Reporter des «Wall Street Journal»
Urteil gegen Evan Gersh­kovich – kommt nun der Gefangenen­austausch?

US journalist Evan Gershkovich, accused of espionage, stands inside a glass defendants' cage during the verdict announcement at the Sverdlovsk Regional Court in Yekaterinburg on July 19, 2024. (Photo by Alexander NEMENOV / AFP)
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Am Ende hatte es das Gericht plötzlich sehr eilig: Nur drei Verhandlungstage dauerte es, bis das vernichtende Urteil gesprochen war: 16 Jahre Haft für Evan Gershkovich, verurteilt wegen Spionage, so geht das im Schnellverfahren in Russland, wenn es das Gericht will. Zuvor hatte der Journalist des «Wall Street Journal» mehr als ein schleppend langes Jahr in Untersuchungshaft verbracht – ohne adäquaten Prozess, ohne zu wissen, wie es mit ihm weitergeht.

An diesem Freitag dann sah es das Gericht in Jekaterinburg, etwa 1800 Kilometer östlich von Moskau, als erwiesen an, dass der Reporter als Spion in Russland tätig war. In Russland ist das einer der schwersten Vorwürfe überhaupt, darauf stehen besonders hohe Strafen.

Freisprüche sind äusserst selten. Vorher hatte das Gericht die Verhandlung kurzerhand um gut einen Monat vorgezogen. Nun wurde ein einziger Zeuge gehört und der Prozess in aller Kürze zu Ende gebracht. Üblicherweise werden für solche Fälle Monate oder Jahre angesetzt.

Gershkovich nickt, winkt und wird abgeführt

Gershkovichs Redaktion sowie frühere Arbeitgeber kritisierten das Urteil aufs Schärfste. «Diese schändliche Verurteilung kommt, nachdem Evan 478 Tage im Gefängnis verbracht hat, zu Unrecht inhaftiert (…) und das alles nur, weil er seine Arbeit als Journalist gemacht hat», teilte das «Wall Street Journal» mit. Auch die US-Regierung übte deutliche Kritik. «Journalismus ist kein Verbrechen», teilte Präsident Joe Biden am Freitag mit. «Wir setzen uns mit Nachdruck für Evans Freilassung ein und werden dies auch weiterhin tun.» International rief das Urteil Empörung hervor.

Gershkovich nahm das Urteil im Gerichtssaal hinter einer Glasscheibe mit einem Nicken zur Kenntnis und winkte kurz. Dann führten ihn Sicherheitsleute ab. Der Amerikaner soll nun in einem Hochsicherheitsstraflager unter besonders strengen Haftbedingungen untergebracht werden. Die Staatsanwaltschaft hatte 18 Jahre gefordert.

Das Verfahren gilt als politisch motiviert

Der 32-jährige Sohn sowjetischer Emigranten ist seit Jahren als Journalist tätig und berichtete für das «Wall Street Journal» aus Russland. 2023 war er während einer Recherche in Jekaterinburg festgenommen worden. Ihm wird vorgeworfen, für einen US-Geheimdienst ein russisches Rüstungsunternehmen ausspioniert zu haben.

US journalist Evan Gershkovich, accused of espionage, stands inside a glass defendants' cage during the verdict announcement at the Sverdlovsk Regional Court in Yekaterinburg on July 19, 2024. (Photo by Alexander NEMENOV / AFP)

Kritiker halten das für frei erfunden, das Verfahren gilt als politisch motiviert und Gershkovich als Faustpfand Putins. Der Kreml hatte bereits in der Vergangenheit mit US-Bürgern russische Staatsbürger freigepresst, die in den USA inhaftiert waren. Weil die Arbeitsbedingungen für westliche Journalistinnen und Journalisten in Russland extrem erschwert sind, haben viele amerikanische Medienhäuser inzwischen ihre Reporterinnen und Reporter abgezogen.

Das hohe Tempo des Verfahrens im Fall Gershkovich nährte sogleich den Verdacht, dass hinter den Kulissen ein Gefangenenaustausch verhandelt wird und womöglich vor dem Abschluss steht. Einen solchen hatte Wladimir Putin in der Vergangenheit angedeutet, am Mittwoch hatte Aussenminister Sergei Lawrow erklärt, es liefen vertrauliche Gespräche. Russland hatte in der Vergangenheit erst nach Urteilsverkündungen Gefangene ausgetauscht. Das Urteil von diesem Freitag könnte also paradoxerweise den Weg für Geshkovichs Freilassung bedeuten.

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Gegen wen der Reporter freikommen könnte, ist unklar. Spekuliert wird, dass er gegen Wadim Krassikow ausgetauscht werden könnte. Krassikow war nach dem sogenannten Tiergartenmord in Berlin verhaftet und später verurteilt worden. Er sitzt eine lebenslange Haftstrafe ab, Moskau machte aber immer wieder deutlich, dass es den früheren russischen Geheimdienstmitarbeiter zurückholen würde. Die deutsche Regierung lehnte ab. Ob sich an dieser Haltung etwas geändert hat, war zunächst offen.

Ein Dreier-Tausch mit Nawalny kam nicht zustande

In der Vergangenheit war zudem die Rede von einem Dreier-Tausch, bei dem neben Krassikow und Gershkovich auch der Oppositionelle Alexei Nawalny aus russischer Haft hätte freikommen sollen. Nawalny starb jedoch im Februar in einem Lager in Sibirien. In Russland sitzen weitere US-Bürger in Haft, unter ihnen der frühere US-Soldat Paul Whelan.

Sollte es zu einem Austausch kommen, könnte er jenem der US-Basketballspielerin Brittney Griner ähneln. Sie war wegen Hanföls in ihrem Gepäck verurteilt worden, konnte aber Russland nach zehn Monaten verlassen. Sie wurde gegen den in den USA inhaftierten russischen Waffenhändler Wiktor But ausgetauscht.