Gipfel in BrüsselWas, wenn Donald Trump die Unterstützung der Ukraine einstellt?
EU und Nato bereiten sich auf Donald Trumps Rückkehr vor, ohne zu wissen, was er mit Blick auf Ukraine oder Handelsbeziehungen vorhat.
Es ist eine heikle Gratwanderung: Wie kann man sich auf Donald Trump vorbereiten, ohne falsche Signale zu setzen oder vorwegzunehmen, was der Rückkehrer ins Weisse Haus dann tatsächlich tun wird? Hier einen Weg zu finden, ist die schwierige Aufgabe, die sich der neue EU-Rats-Präsident António Costa laut Diplomaten für seinen ersten Gipfel am Donnerstag gesetzt hat. Dieselbe Frage dürfte auch am Mittwochabend beim diskreten Treffen in der Residenz von Nato-Generalsekretär Mark Rutte im Raum gestanden sein. Einiges hat der künftige US-Präsident zwar angekündigt, doch gleichzeitig gilt der Rückkehrer als unberechenbar. Zu früh die Weichen falsch zu stellen, könnte sich rächen.
Selenski als Gast
António Costa hat Wolodimir Selenski für die Diskussion zur Ukraine am Donnerstag hinzugeladen. Geplant war eher ein Brainstorming, keine Entscheidungen. Der ukrainische Präsident war schon am Vorabend in Brüssel, zuerst allein für ein Rendez-vous bei Rutte. Selenski wollte dort über weitere Unterstützung für sein Land reden. Thema dürften aber auch Sicherheitsgarantien und anderen Konditionen für den Fall eines Waffenstillstandes gewesen sein, zu dem Donald Trump die Ukraine zwingen könnte. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und andere Staats- und Regierungschefs sollten nach einem parallelen Abendessen mit den Kandidatenländern des Westbalkans später zur kleinen Runde in der Residenz des Nato-Generalsekretärs hinzustossen.
Olaf Scholz kam mit dem deutlichen Anliegen nach Brüssel, die öffentlichen Spekulationen über Friedensverhandlungen zu unterbinden. Manche begingen den Fehler, den dritten und vierten Schritt vor dem ersten zu machen, sagte der Bundeskanzler bei der Ankunft für das Treffen mit den Westbalkanländern. Einige beschäftigten sich nicht genug mit der Frage, wie der Ukraine weiter geholfen werden könne: «Es muss klar sein, dass wir die Ukraine so lange wie nötig unterstützen.» Es dürfe jedenfalls keinen Frieden über die Köpfe der Ukrainerinnen und Ukrainer geben. Und das Land dürfe keinem Diktatfrieden unterworfen werden. Olaf Scholz zeigte sich zuversichtlich mit Blick auf die Zusammenarbeit mit der künftigen US-Administration: Bei den Gesprächen mit Trump sei ihm klar geworden, dass es möglich sei, gemeinsam vorzugehen, damit die Ukraine eine gute Perspektive haben werde.
Stärken für Verhandlungen
Nicht überraschend war die deutliche Ansage der neuen EU-Aussenbeauftragten Kaja Kallas: Die Situation sei die, dass Russland keinen Frieden wolle. Deshalb müsse die Ukraine so gut wie möglich unterstützt werden. Je stärker die Ukraine auf dem Schlachtfeld sei, desto stärker werde sie später am Verhandlungstisch sein. Ähnlich versuchte Donald Tusk angesichts der Spekulationen über baldige Friedensverhandlungen gegenzusteuern: Es sei jetzt an der Zeit, dass der gesamte Westen an seine eigene Stärke glaube. Die Ukraine verdiene einen gerechten Frieden, ebenso wie den Respekt für ihre territoriale Integrität.
Die Spekulationen über Friedenstruppen und Sicherheitsgarantien werden aber nicht so schnell verstummen. Die beste Sicherheitsgarantie sei es, die Ukraine so aufzurüsten, dass sie für Russland «unverdaulich» werde, so Diplomaten. Dann könne sich auch ein Szenario wie die Krim-Annexion von 2014 nicht wiederholen. Ohne die USA werde es aber kaum gehen. Die Frage von Friedenstruppen dürfte ohnehin nicht in Brüssel, sondern in den nationalen Hauptstädten entschieden werden. Immerhin ist die Hilfe für die Ukraine bis Ende 2025 durchfinanziert, insbesondere dank Weichenstellungen bei den Windfall-Profits auf den russischen Staatsbankgeldern. Da kann auch Donald Trump keinen grossen Schaden anrichten.
Die Ukraine habe grosse Defizite beim Schutz der Infrastruktur und bei der Energieversorgung, die von Russland zerbombt werde, so Diplomaten. Dies sei für Moral und Widerstandskraft in der Ukraine ein grosses Problem. Gefragt wären mehr Systeme zur Raketenabwehr, wo die Europäer auf die Hilfe der USA angewiesen wären. Die Europäer müssten sich generell auf das Szenario einstellen, dass die USA etwa keine Munition mehr lieferten. Der Ukraine mangle es zudem nicht nur an Waffen, sondern immer mehr auch an Soldaten. In die Diskussion über die Senkung des Alters für die Wehrpflicht auf 18 Jahre wollen sich die europäischen Partner aber nicht einschalten. Diese sensible Frage müsse die Ukraine entscheiden. Schliesslich gehe es darum, ob eine Generation für den Krieg geopfert werden solle oder nicht.
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