Papablog: Tschannens persönliche BilanzEs war einmal eine Pandemie …
Wie soll eine Familie, die zum Fremdeln neigt, je zurück zur Normalität finden? Unser Papablogger sinniert über sein Post-Corona-Leben.
Mutti und Vati Tschannen sind durchgeimpft. Grosseltern ebenfalls und die Fallzahlen sinken wie der Brecht damals im Hallenbad vor dem ersten Schwimmkurs. Das Ende der Coronazeit ist absehbar und Eltern können sich langsam überlegen, was sie mit den Kindern aus den restlichen Maskenvorräten basteln.
Klar, das dachten wir im Sommer 2020 auch schon. Aber ich ziehe jetzt trotzdem mal Bilanz. Wir können ja dann in der fünften und sechsten Welle gemeinsam darüber lachen.
So eine Bilanz ist nicht einfach. Und man kann sie fast nur für sich, respektive für die eigene Familie ziehen – denn alle haben sich anders durch die Pandemie gewurstelt. Wir wurstelten ganz ordentlich. Fast schon in Dorfmetzger-Qualität.
Klar, wir hatten gute Voraussetzungen für eine Pandemie. Konnten uns von einem Tag auf den anderen komplett im Homeoffice verschanzen und mussten uns ohne Fremdbetreuung nie Sorgen um Seuchenherde in der Kita machen. Dafür traten wir uns in der Wohnung fast rund um die Uhr zu viert auf den Füssen rum. Zum Glück tragen wir im Haus keine Schuhe. Ausserdem sind wir ohnehin Drinnies. Wir bleiben gerne zu Hause und neigen zum Fremdeln.
Anpassungsfähig durch die Seuche
Dass die Wohnung für mich nicht zum Gefängnis wurde, habe ich meinem neuen Hobby zu verdanken. Halb zum Scherz kündigte ich während dem ersten Lockdown im Corona-Tagebuch des Mamablogs an, mich der Forstwirtschaft zuzuwenden. «Gemacht, getan!», wie der Brecht jeweils sagt. Ich fällte inzwischen etwa 50 Bäume und pflanzte mehrere hundert Setzlinge.
Eigentlich will ich gar nicht zurück zur alten Normalität.
Leider lässt sich ein Hobby, bei dem ständig Bäume zu Boden rummsen, schlecht mit der Kinderbetreuung kombinieren. Aber immerhin habe ich regelmässig Zeit an der frischen Luft verbracht und wir konnten die Wohnung heizen. Immer wieder etwas Neues auszuprobieren, ist ohnehin gut für die Psyche. «Veränderung als Chance» – hörte ich jeweils an Strategiemeetings, bevor ich beruflich kürzer trat, mir Bartextensions reinflocht und im Flanellhemd dem Ruf der Natur folgte.
Was ist ein «normales» Familienleben?
Die neue Pandemienormalität ist uns in 16 Monaten so vertraut geworden, dass ich manchmal denke: «Eigentlich will ich gar nicht zurück zur alten Normalität.» Aber einiges fehlt eben doch. Vor allem der persönliche Kontakt zu Verwandtschaft und Freunden – insbesondere Familien, die mit ihren Kindern weggezogen sind und denen wir regelmässige Besuche geschworen haben: «Wir kommen schon bald vorbei und ihr seid bei uns jederzeit willkommen. Ohne Schuhe.» Aber auch ausserschulische Aktivitäten der Kinder: Schwimmkurs, Skiferien und der Indoor-Spielplatz von Brechts Vertrauen. Beebers weiss vermutlich gar nicht, was Aktivitäten sind. Ausserdem haben wir nicht dringliche medizinische Termine und Abklärungen aufgeschoben.
So individuell der Umgang mit der Pandemie war, so unterschiedlich werden Familien ihr Post-Corona-Leben gestalten. Wir wollen einiges Beibehalten. Die häusliche Wohligkeit mit viel Homeoffice-Anteil. Und ich mein Hobby. Gewisse Aktivitäten werden wir wieder aufnehmen. In dem Zusammenhang beschäftigt uns schon länger eine schwierige Frage. Die nach einem dritten Kind. Unser Problem: Wir wissen nicht einmal, wie aufwendig ein regulärer Alltag mit zwei Kindern ist. Aktuell würde ich sagen: «Ein drittes schaffen wir locker.» Denke ich aber an unseren Terminkalender vor der Pandemie, durchfährt mich eine psychische Vasektomie.
Wie sind Sie durch die Pandemie gekommen, und wie gehen Sie die Zeit danach an? Hat Corona auch Ihre Familienplanung beeinflusst?
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