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Mamablog: Altersabstand von Geschwistern
Perfekter Abstand? Unsinn!

Unberechenbares Wunder: Eltern können den Altersabstand ihrer Kinder nur begrenzt bestimmen.
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Bös gemeint sind sie nicht, im Gegenteil, die Kommentare, die der Gratulation zum erwarteten zweiten Kind folgen, aber etwas unbedarft. «Ihr gebt aber Gas», «Das ging aber flott», «Wie als ist Euer Sohn nochmals? Noch nicht mal eineinhalb, oder?». Offenbar leben wir nicht erst seit der Covid-Pandemie in einer Welt der Abstandsregeln. Diese Erfahrung habe ich in den letzten Wochen gemacht, in denen mein Bauch die Öffentlichkeitsarbeit übernommenen hat. Die Erörterung, wann das zweite auf das erste Kind folgt, ist ein Konversationsstandard. Ideal für einen Wortwechsel im Treppenhaus, auf der Gasse.

Eine sinnvolle, sinnlose Frage

Das Problem dabei ist, dass eine Frage, die man für sich schon beantwortet hat, wieder aufgeworfen wird. Die nach dem richtigen Abstand zwischen zwei Kindern. Es ist eine sinnvolle wie sinnlose Frage, weil man ja nur auf den Minimalabstand Einfluss hat. Ob und wann man schwanger wird, ob alles gut geht, entzieht sich der Kontrolle. Und doch ist die Frage mit Unsicherheit verbunden. Denn selbst das süssete Wunschkind ist ein Stressfaktor – für die Paarbeziehung, für die berufliche Laufbahn, für den Körper. Wer ein Kind hat, weiss das sehr genau. Das System der Kleinfamilie ist fragil. Jede neue Verpflichtung muss gut überlegt sein.

Kein Wunder befasst sich auch die Ratgeberliteratur damit, etwa das Buch einer deutschen Wissenschaftsjournalistin, das mir kürzlich in die Hände kam. Darin wird eine Theorie vertreten, die auch im Internet kursiert: dass ein Abstand von drei bis vier Jahren aus Sicht der Entwicklungspsychologie ideal sei. Der Ablöseprozess des ersten Kindes, so die Idee, beschleunige sich nach dem dritten Lebensjahr, das dämpft die Eifersucht des ersten gegenüber dem zweiten Kind. Gleichzeitig sind beide nah genug beieinander, um gemeinsame Interessen zu haben. Im Buch wird die Aussage damit unterstrichen, dass der fragliche Abstand bei den meisten Naturvölkern mindestens 33 Monate betrage.

Griffige Formeln für familiäre Fragen

Für mich war das eine augenöffnende Lektüre. Unser Kind erwarten wir mit einem Abstand von nicht ganz zwei Jahren. Für zwei Jahre, plus minus ein paar Monate, entscheiden sich die meisten hiesigen Paare. Und sie sind damit nicht auf dem Holzweg! Sie haben ihre Entscheidung aufgrund der Lebensumstände getroffen und sie sich wohl überlegt. Was bitteschön hat die Familienorganisation von Naturvölkern mit Schweizer Mittelstandsfamilien zu tun? Ganz davon abgesehen, dass die Behauptung nicht belegt ist und man sich wundert, wie diese Naturvölker so zuverlässig verhüten.

Wer auf familiäre Fragestellungen griffige Formeln findet, kann gut verdienen.

Zugegeben, das klingt trotzig. Aber es gibt gute Gründe, gegenüber Ratgeberliteratur kritisch zu sein, erst recht, wenn sie sich den Anstrich von Wissenschaftlichkeit gibt. Studien im Familien- und Erziehungsumfeld sind methodisch anspruchsvoll und teuer. Resultate bleiben oft isoliert, Metastudien fehlen. Der Ratgeberliteratur ist das egal. Wer auf familiäre Fragestellungen griffige Formeln findet, kann gut verdienen. Dabei lässt sich vieles, was Eltern beschäftigt, mit etwas Überlegung oder im Austausch mit anderen Eltern viel zuverlässiger klären.

Zwei, drei oder sechs? – Der Abstand ist richtig, wie er ist

Wie so oft ist dann die Antwort auch auf die Abstandsfrage relativ banal: Sind die Kinder nah beieinander, fördert das die Interaktion, positiv wie negativ. Sie können miteinander spielen. Das bringt Streit, aber die geteilten Erfahren stärken auch die Bindung. Je grösser der Abstand, desto asynchroner ist die Beziehung. Die Rivalität ist kleiner, die gemeinsamen Interessen sind es auch. Das ältere Kind kann in dieser Konstellation auch einmal auf das kleinere aufpassen. Dafür ist es komplizierter, ein Ferienprogramm zu finden, das allen gefällt.

Perfekt! Am Ende ist der Altersabstand genau so, wie er eben ist – und sein soll.

Gewissheiten gibt es wie immer nicht, nur Tendenzen. So hat die zweijährige Tochter einer Freundin ihre kürzlich geborene kleine Schwester sehr gut akzeptiert. Hingegen hatte eine Bekannte, wie ihre Mutter amüsiert erzählt, einst mit vier Jahren gefordert, ihre kleine Schwester im Abfall zu entsorgen. Heute haben die beiden eine enge Beziehung. Für mich lässt das nur einen Schluss zu. Egal ob zwei, drei, fünf oder sechs Jahre. Der Abstand ist so richtig, wie er ist.