Naturkatastrophen in EuropaVulkane und Erdbeben: In diesen Regionen lauert die grösste Gefahr
Die Ereignisse auf der Insel Santorini haben es ins Bewusstsein gerückt: Viele Gebiete in Europa sind stark von Vulkanen und Erdbeben bedroht – darunter auch beliebte Ferienorte wie Italien und Island.

- Santorini erlebt seit Wochen Erdbebenschwärme.
- Experten weisen auf Verbindung zwischen Erdbeben und Vulkanausbrüchen hin.
- Vulkanische Aktivitäten in Europa konzentrieren sich vor allem entlang tektonischer Plattengrenzen.
- Vulkanismus gibt es auch in Regionen, wo man ihn nicht vermuten würde.
Am Montagnachmittag wackelte in Portugal die Erde. Ein Beben mit der Stärke 4,7 erschütterte die Region Lissabon sowie die Stadt Setúbal 40 Kilometer südöstlich. Nach ersten Angaben sei der Schaden gering gewesen. Das war im Jahr 1755 in Lissabon anders. Damals führte ein grosses Beben, gefolgt von Bränden und einer bis zu 20 Meter hohen Flutwelle, zu einer der grössten Naturkatastrophen Europas, Zehntausende Menschen starben.
Derweil hat die Frequenz der Erschütterungen auf der Ferieninsel Santorini in der Ägäis nachgelassen. Entwarnung gibt es aber noch nicht. Mitte Januar begann auf der griechischen Insel die Erde zu beben. Was Anwohner und Feriengäste in Panik versetzte, überraschte Experten wenig. «Die Region um Santorini gehört zu den seismisch aktivsten in Europa», sagte Erdbebenforscher Men-Andrin Meier vom Schweizerischen Erdbebendienst (SED).
Dabei waren die verzeichneten Erdstösse mit einer maximalen Stärke von 5,3 auf der Richterskala bisher vergleichsweise moderat. Im Jahr 1956 hatte ein verheerendes Beben der Stärke 7,7 die Insel erschüttert.
Auch ein Vulkan bedroht die Inselwelt der Ägäis. 1650 ereignete sich nordöstlich von Santorini eine gewaltige Eruption. Der Krater des nach wie vor aktiven Unterwasservulkans Kolumbos hat einen Durchmesser von 1,5 Kilometer. Er wird vermutlich früher oder später wieder ausbrechen.
Plattentektonik als Ursache
Der Zusammenhang zwischen Vulkanismus und Erdbeben erklärt sich daher, dass beide Phänomene besonders – aber nicht ausschliesslich – entlang der Grenzen der beweglichen Erdkrustenplatten auftreten. Die Erdkruste ist in acht grosse und zahlreiche kleinere tektonische Platten aufgeteilt. Diese Platten verschieben sich jedes Jahr um mehrere Zentimeter.
Durch die Reibung der Platten entstehen Erdbeben. Kurz hinter den Plattengrenzen liegen die Zonen, wo die Erdkruste besonders viele Risse und Spalten hat. Magma (flüssiges Gestein) kann dort aus dem Erdmantel aufsteigen, wodurch sich an der Oberfläche Vulkane bilden.
So ist es nicht verwunderlich, dass fast alle Gebiete in Europa, die häufig von starken Erdbeben heimgesucht werden oder in denen es aktive Vulkane gibt, im Bereich solcher tektonischer Plattengrenzen liegen.
Dazu gehört die Ägäis. Südlich der Insel Kreta liegt eine Subduktionszone, wo die afrikanische Platte unter die europäische Platte taucht. Ein Teil des dabei entstehenden Magmas steigt nördlich von Kreta Richtung Erdoberfläche wieder auf – und erzeugte unter anderem den Vulkan Kolumbos bei Santorini.
Vergleichbare Prozesse sorgen auch in anderen Regionen Europas dafür, dass regelmässig die Erde bebt oder Berge Feuer speien.
Italien: Der «Supervulkan» Phlegräische Felder

Heftige Erdbeben und grosse Vulkanausbrüche ereignen sich in Italien regelmässig.
Verantwortlich für diese Aktivität ist grundsätzlich das Aufeinandertreffen der Kontinentalplatten von Afrika und Europa. «Vor 35 Millionen Jahren war Italien noch mit Südfrankreich verbunden», erklärt Luca Caricchi, Professor für Petrologie und Vulkanologie an der Universität Genf. Das westliche Mittelmeer in seiner heutigen Form existierte also nicht.
Durch die Nordostbewegung Afrikas riss der italienische Stiefel von Frankreich ab und wurde gezwungen, sich gegen den Uhrzeigersinn zu drehen. Die Lithosphäre, also die äusserste feste Hülle der Erde, wurde gedehnt und dadurch dünner, was zur Produktion von Magma führt. Die Erdbeben und der Vulkanismus in Italien sind grösstenteils darauf zurückzuführen.
Das Land wird gleich von vier Vulkanketten durchzogen: der Appennin mit dem Vesuv, die Liparischen Inseln mit dem Stromboli, der Ätna im Osten Siziliens und die in der Strasse von Sizilien gelegenen Unterwasser-Vulkane.
Der wohl potenziell gefährlichste Vulkan Italiens findet sich im Golf von Pozzuoli, zehn Kilometer von Neapel entfernt. Dort liegen die Phlegräischen Felder (Campi Flegrei). Dieses aus mehreren Vulkankratern bestehende Gebiet gab der Forschung lange Zeit Rätsel auf. Mittlerweile ist aber klar, dass es sich um eine riesige Caldera, also eine kesselförmige Vertiefung vulkanischen Ursprungs handelt. Sie hat einen Durchmesser von 15 mal zwölf Kilometer.
Die Caldera entstand durch einen gewaltigen Ausbruch vor 36’000 bis 39’000 Jahren. Diese Eruption beförderte bis zu 350 Kubikkilometer fragmentierte Lava in die Atmosphäre, die sich über ein Gebiet ausdehnte, das etwa drei Viertel der Schweiz entspricht. Die Campi Flegrei gelten daher als Supervulkan.
Ausbruch könnte dramatische Folgen haben
Der Untergrund im Bereich des Gebiets ist sehr instabil. Entlang der Küste im Golf von Pozzuoli kommt es immer wieder zu Erdbewegungen. In den 1970er- und 1980er-Jahren gab es zwei Phasen, in denen sich die Küste um fast zwei Meter hob und wieder senkte.
Etwa seit 2011 verzeichnen Wissenschaftler wieder eine Intensivierung dieser Prozesse. Gemäss Luca Caricchi beträgt die Bodenhebung derzeit etwa 10 Millimeter pro Monat. Es kommt zu Erdbebenschwärmen. «Zwischen dem 3. und 9. Februar wurden 118 Erdbeben mit einer maximalen Stärke von 3,2 registriert», sagt Caricchi. Ausgelöst werden die Beben durch Bodenverformungen, die in etwa vier Kilometer Tiefe durch den Aufstieg magmatischer Fluide oder Magma verursacht werden.
Eine Supervulkaneruption der Phlegräischen Felder könnte dramatische Folgen haben. Ein Ausbruch würde je nach Intensität die Heimat von mehreren Millionen Menschen zerstören. Die Aschewolke könnte die Alpen überwinden und einen «Fallout» über Mitteleuropa bewirken. Langfristige Auswirkungen auf das globale Klima wären zu befürchten. «Normalerweise kommt es nach so grossen Eruptionen zu einem Temperaturrückgang und verringerter Sonneneinstrahlung», beschreibt Geologe Marc Szeglat das Szenario auf seiner Wissensplattform vulkane.net.
Neue Studien besagen, dass sich der Vulkan auf eine Eruption vorbereitet. Es ist jedoch unsicher, ob diese tatsächlich so katastrophal wäre wie geschildert. Auch eine kleinere Eruption, die sich «nur» regional auswirken würde, wäre möglich.
Türkei: Gefährliche «Triple Junction»

Eines der verheerendsten Erdbeben der jüngeren Geschichte ereignete sich im Februar 2023 im Grenzgebiet zwischen der Türkei und Syrien. Das Hauptbeben am 6. Februar erreichte eine Magnitude von 7,8. Laut offiziellen Angaben forderte dieses Erdbeben mehr als 50’000 Tote.
Das Gebiet, auf dem sich der moderne türkische Staat befindet, wurde in der Vergangenheit immer wieder von extremen Erdbeben heimgesucht.
Die Ursache: Im Osten der Türkei treffen drei tektonische Platten aufeinander. Die arabische Platte kollidiert mit der eurasischen Platte und taucht unter die anatolische Platte. In der Geologie wird das als «Triple Junction» (Dreibruchstruktur) bezeichnet. «Die anatolische Platte gleicht dabei einer Insel in einem Meer aus anderen Platten», sagt Geologe Marc Szeglat. Sie werde von allen Seiten in die Zange genommen.
Dadurch entstehen vor allem an der rund 900 Kilometer langen Nordgrenze enorme Spannungen im Untergrund. Diese Grenze heisst nordanatolische Verwerfung. Weil sich die Platten hier in entgegengesetzter Richtung bewegen, entstehen viele starke Erdbeben. Im Bereich dieser Gefährdungszone liegt unter anderem auch die Millionenmetropole Istanbul, für die im Fall eines starken Erdbebens wohl schlimme Auswirkungen zu befürchten sind.
Vulkanismus findet sich in der Türkei hingegen eher entlang der ostanatolischen Verwerfung. Dort gibt es mehrere Vulkane, die als aktiv eingestuft sind, derzeit aber nicht eruptieren, darunter der 5165 Meter hohe Ararat.
Island: Feuer und Eis

Das im Nordatlantik gelegene Island ist die grösste Vulkaninsel weltweit. Es gibt dort rund 130 Vulkane, wobei 30 davon als potenziell aktiv gelten. Eine Besonderheit stellen die Tafelberg-Vulkane dar. «Weil diese Vulkane unter Gletscherbedeckung entstanden sind, haben sie keine Spitze, sondern eine flache Hochebene», sagt Marc Szeglat.
Viele Vulkane auf Island sind Teil grosser Systeme. Ausgehend von einem Zentralvulkan ziehen sich Spalten durch die Insel. Entlang dieser Spalten kommt es immer wieder zu Eruptionen. Im langjährigen Durchschnitt bricht auf Island etwa alle fünf bis zehn Jahre ein Vulkan aus. Der bekannteste Vulkan ist der Eyjafjallajökull. Bei dessen explosiver Eruption im Frühling 2010 wurden riesige Mengen an Asche in die Atmosphäre gestossen, was starke Behinderungen des Flugverkehrs zur Folge hatte.
Seit 2023 kommt es auf der Reykjanes-Halbinsel zu Erdbeben und Eruptionen. Gemäss Forscher könnte diese Aktivitätsphase, die mit der Bildung eines magmatischen Gangs zusammenhängt, lange Zeit andauern.
Auch Erdbeben und Erdbebenschwärme kommen auf Island regelmässig vor. Diese haben jedoch selten Magnituden grösser als 7.
Zu verdanken hat Island diese seismische und vulkanische Aktivität zwei Faktoren. Einerseits verläuft die Nahtstelle zwischen der eurasischen Platte und der nordamerikanischen Platte mitten durch die Insel. Andererseits steigt unter Island auch eine gewaltige Magma-Blase aus dem Erdmantel auf. Dadurch wird die Erdkruste nach oben gewölbt.
Eifel: Rätselhafter Vulkanismus in Deutschland

Die Eifel ist eine beliebte Ausflugsregion in Westdeutschland. Es ist eine sanft geschwungene Hügellandschaft, geprägt von Wäldern und Seen.
Der äussere Eindruck steht jedoch im krassen Widerspruch zur hochexplosiven Vergangenheit dieser Region. Vor 10’000 Jahren war die Eifel ein Gebiet mit aktivem Vulkanismus. «Eruptionen von Vulkanen, die sogar den gewaltigen Ausbruch des Mount St. Helens in den Schatten stellen, sind bekannt», sagt Marc Szeglat. Der Mount St. Helens liegt im US-Bundesstaat Washington. Er eruptierte am 18. Mai 1980, wobei eine riesige Aschewolke bis in eine Höhe von 18 Kilometer aufstieg. Der Berg verlor durch die Eruption etwa 400 Meter an Höhe.
Die Hinweise auf den früheren Vulkanismus sind in der Eifel noch heute gut erkennbar, zum Beispiel die Maar-Seen. Dabei handelt es sich um kreisrunde Seen, die von Hügeln umgeben sind. Der bekannteste ist der Laacher See bei Maria Laach in Rheinland-Pfalz.
Entstanden sind diese Seen durch sogenannte phreatomagmatische Eruptionen. Dabei trifft aufsteigendes Magma kurz unter der Erdoberfläche auf Grundwasser. Dieses verdampft sofort, was gewaltige Wasserdampfexplosionen verursacht. Das Gestein in der Umgebung wird zertrümmert und lagert sich als Ringwall um den Krater ab. Geschieht dies mehrere Male, vergrössert sich der Krater nach unten. Die malerischen Seen der Eifel sind also mit Wasser gefüllte Vulkankrater.
Erneuter Ausbruch ist möglich
Woher das Magma unter der Vulkaneifel kommt, ist nicht ganz klar. Die Region liegt weit entfernt von tektonischen Plattengrenzen. Eine Hypothese besagt, dass sich unter der Eifel ein sogenannter Mantelplume befindet. Dabei handelt es sich um röhrenförmige Körper, die einen kleinen Anteil Magma enthalten, die in die Erdkruste eindringen. Diese spezielle Form nennt man Hotspot-Vulkanismus.
Gemäss Luca Caricchi wird die Mantelplume-Hypothese im Fall der Eifel aber zunehmend angezweifelt. Wahrscheinlicher sei es, dass es durch die Annäherung der afrikanischen und der eurasischen Platte zu Brüchen und Dehnungen der Lithosphäre kommt und Magma entsteht. «Man kann sich das so vorstellen: Zwei harte Gesteinsblöcke werden gegeneinander gepresst und irgendwann beginnen Teile davon zu brechen und Risse zu bilden», sagt Caricchi.
Bemerkenswert im Fall der Eifel ist, dass die Region vulkanisch nach wie vor aktiv ist. Im Untergrund ereignen sich regelmässig leichte Erdbeben. Messungen ergaben, dass sich der Boden im Durchschnitt um einen Millimeter pro Jahr hebt. Ein neuerlicher Ausbruch der Vulkaneifel ist also möglich. Bis es so weit ist, dürften aber Tausende Jahre vergehen.