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Preisunterschied zu Deutschland
Persil 120 Prozent teurer, Nivea 61 Prozent – warum?

Ansturm der Einkauswilligen aus der Schweiz beim Edeka-Markt in Jestetten im Landkreis Waldshut an der Schweizer Grenze am Freitag, 16. Januar 2015. Fuer den kommenden Samstag wird aufgrund der gestrigen Aufhebung des Euro-Mindeskurses von 1,20 Franken durch die Schweizer Nationalbank ein Ansturm der Einkaufswilligen aus der Schweiz erwartet.  (KEYSTONE/Walter Bieri)
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Finanzministerin Karin Keller-Sutter will Einkaufstouristen stärker zur Kasse bitten. Bisher lag die Freigrenze bei 300 Franken. Nun sollen im Ausland gekaufte Waren schon ab der Hälfte des Betrags am Zoll versteuert werden. Damit soll der Schweizer Handel besser vor der Konkurrenz aus dem Ausland geschützt werden. Das Vorhaben sorgt für rege Debatten in den Kommentarspalten der Tamedia-Newsportale.

Fast 900 Personen äusserten sich Stand Dienstagnachmittag dazu, und viele sind der Meinung, dass das Problem nicht die Preise im Ausland oder geizige Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten sind, sondern die «Hochpreisinsel» Schweiz. Auch die höheren Löhne und höheren Lebenskosten in der Schweiz würden die «extremen» Preisunterschiede nicht rechtfertigen. Einen Preisaufschlag von 10 Prozent im Vergleich zu Deutschland sei er bereit zu zahlen, schreibt ein Leser, mehr aber sicher nicht.

Einkauf in Deutschland zum halben Preis

Doch ist das wirklich so? Auf den ersten Blick sind Waren in der Schweiz immer noch teurer als in Deutschland. Diese Redaktion hat ohne Anspruch auf Vollständigkeit im Internet auffindbare Preise einiger Markenartikel der Edeka-Gruppe in Deutschland und des hiesigen Detailhändlers Coop verglichen. Alle waren in Deutschland günstiger, und dies teils deutlich.

Beispielsweise das Waschmittel von Persil, das in Franken umgerechnet in Deutschland rund 7.30 Franken kostet. In der Schweiz sind es knapp 13. Oder die Gewürzgurken von Kühne, die nahezu doppelt so teuer sind wie in Deutschland. Lässt man sich jetzt noch die Mehrwertsteuer zurückerstatten, fällt der Preisunterschied noch markanter aus:

Der Schweizer Detailhandel hat durch den Einkaufstourismus im letzten Jahr rund 8,4 Milliarden Franken verloren, wie die jüngste Ausgabe der Langzeitstudie «Einkaufstourismus» des Forschungszentrums für Handelsmanagement an der Universität St. Gallen zeigt. Der durchschnittliche Betrag pro Einkauf in Geschäften im Ausland betrug 216 Franken.

Die Corona-Pandemie hatte die Wertschätzung gegenüber lokalen Produkten gesteigert, Qualität und Nachhaltigkeit wurden wichtiger. Die auch in der Schweiz gestiegene Inflation hat jedoch das Preisbewusstsein vieler Konsumentinnen wieder erhöht.

A border guard at the boarder station Chiasso Brogeda checks the traffic between Switzerland and Italy, in Chiasso, Switzerland, on Monday, 15 June 2020. Switzerland today reopens its boarders to the EU neighbouring countries after the Corona-Lockdown with closed boarders and travelling restrictions. (KEYSTONE/Ti-Press/Elia Bianchi)

Etwa die Hälfte der Kundinnen und Kunden aus der Schweiz lässt sich an der Grenze die Mehrwertsteuer zurückerstatten. Das macht einiges aus: Der Satz für Lebensmittel liegt in Deutschland bei 7 Prozent, bei normalen Gütern bei 19 Prozent.

Das Bundesamt für Statistik führt einen internationalen Vergleich der Preisniveaus. Gemäss den jüngsten Daten von 2021 ist die Schweiz das teuerste Land Europas. Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke sind hierzulande demnach 58 Prozent teurer als in Deutschland.

Woher die Unterschiede stammen

Wie lässt sich die Differenz erklären? Gemäss Untersuchungen liegen die wichtigsten Ursachen bei der Warenbeschaffung. Bei den Nahrungsmitteln wirkt sich besonders der sehr hohe Schutz für landwirtschaftliche Güter aus, vor allem für Fleisch und Gemüse.

Ein Forscherteam stellte fest, dass die Preise für die meisten Gemüsesorten während der Haupterntezeit um mehr als 20 Prozent, für einige sogar bis zu 90 Prozent gegenüber den Preisen in den Nachbarländern höher sind.

Ein wichtiger Grund für Preisunterschiede bei importierten Produkten im Non-Food-Sektor sind Grössennachteile der Schweizer Händler. Einkäufer der grossen Handelsketten aus Deutschland, Frankreich oder Italien geniessen dank ihrer Grösse günstigere Konditionen als Einkäufer für den kleinen Schweizer Markt.

Eine Rolle spielen auch die höheren Beschaffungskosten im Inland. Höhere Miet- und Bodenkosten, kostentreibende Bauvorschriften, höhere Kosten für Werbung, Transport, Beratung, Bankdienstleistungen, Gebäudereinigung und weitere Dienstleistungen erhöhen die Preise in der Schweiz. Dazu kommen die Mehrsprachigkeit und Schweizer Sonderregeln und Normen.

Die starke Marktstellung von Migros und Coop mit ihrem dichten Filialnetz fördert den Wettbewerb nicht.

Die hohen Löhne spielen dagegen keine grosse Rolle für die Preisunterschiede. Wegen der höheren Produktivität und der tieferen Lohnnebenkosten hat die Schweiz hier keinen Nachteil, wie eine Untersuchung des Forschungsinstituts BAK Economics zeigt.

Die starke Marktstellung von Migros und Coop mit ihrem dichten Filialnetz fördert den Wettbewerb nicht. Die Discounter fahren – anders als im Ausland – keine harte Discountstrategie mit Preiskämpfen, sondern unterbieten die Marktführer nur relativ leicht.

Das liegt auch daran, dass es in der Schweiz im Vergleich zu den umliegenden Ländern deutlich weniger Menschen gibt, die am Existenzminimum leben und jeden Franken mehrfach umdrehen müssen. Die hohe Kaufkraft führt zu einer geringen Preissensibilität der Schweizer Konsumenten. Die Ansprüche an Qualität und Service sind hoch, ebenso die Markentreue.

Wo die Lösungen liegen

Preisüberwacher Stefan Meierhans sieht Handlungsmöglichkeiten bei den verschiedenen Preistreibern: «Gerade bei der stark regulierten Einfuhr von Agrargütern sehe ich ein Sparpotenzial in Milliardenhöhe.» Vergessen werden dürfe auch nicht der administrative Aufwand bei der Zollabfertigung etwa durch Zollvorlagekosten bei Internetbestellungen. Er fordere schon seit langem den Abbau der Zollschranken, so Meierhans. Und auch zur Marktmacht der zwei grossen Detailhändler würden Abklärungen laufen.

Meierhans verweist aber auch darauf, dass es seit Anfang 2022 ein neues Mittel zur Bekämpfung der höheren Preise gibt. Die Wettbewerbskommission kann tätig werden, wenn Schweizer Händler nicht die Möglichkeit bekommen, die Waren zu den im Ausland marktüblichen Preisen zu beziehen – und somit die Schweizer Kunden mit höheren Preisen belastet werden.