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Verzollen ab 150 Franken
Keller-Sutter will Einkaufs­touristen stärker zur Kasse bitten

A Swiss border guard controls in the trunk of a Swiss car the goods purchased in a French supermarket close to the border at the Swiss-French border of Bardonnex near Geneva, Switzerland, Tuesday, August 16, 2011. (KEYSTONE/Salvatore Di Nolfi)
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Darauf haben die Schweizer Detailhändler lange gewartet: Der Bund will Einkäufe ennet der Grenze bei der Einfuhr stärker besteuern. Konkret soll die sogenannte Wertfreigrenze von 300 auf 150 Franken halbiert werden. Ab diesem Betrag will Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP) künftig die Schweizer Mehrwertsteuer draufschlagen. Das haben mehrere Quellen gegenüber dieser Redaktion bestätigt. Demnächst soll der Bundesrat eine entsprechende Vernehmlassung starten.

Ganz freiwillig macht die Landesregierung dies nicht. Lange sah sie keinen Handlungsbedarf, weil sie Probleme beim Vollzug befürchtete. Der einstige Finanz- und Zollminister Ueli Maurer sprach gar vor einer «Mission impossible». Er warnte angesichts der vielen Grenzgänger vor kilometerlangen Staus am Zoll und vor einem unverhältnismässigen Aufwand.

Inzwischen ist Maurer zurückgetreten. Und mit Keller-Sutter hat eine St. Gallerin das Departement übernommen. Sie ist als einstige Standesvertreterin eines Grenzkantons mit den Folgen des Einkaufstourismus vertraut.

Der zurueckgetretene Bundesrat Ueli Maurer, rechts, und seine Nachfolgerin im EFD, Bundesraetin Karin Keller-Sutter, posieren bei der Schluesseluebergabe im EFD, am Dienstag, 20. Dezember 2022, in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)

Vor allem aber hat das Parlament den Bundesrat zum Handeln gezwungen. Sowohl der National- als auch der Ständerat haben vor gut zwei Jahren mehrere verbindliche Vorstösse gutgeheissen, die ein Ende der «Subventionierung des Einkaufstourismus» verlangen. Gefordert werden gleich lange Spiesse im Detailhandel beidseits der Grenze.

Heute ist das nicht der Fall: Wer im Ausland einkauft, kann die dortige Mehrwertsteuer zurückfordern. Dafür muss man am Zoll einen Ausfuhrschein abstempeln lassen, was allein an der deutschen Grenze Jahr für Jahr millionenfach geschieht. Möglich ist dies bereits ab einer sogenannten Bagatellgrenze von 50 Euro.

Bei der Einfuhr in die Schweiz hingegen müssen die Einkäufe erst versteuert werden, wenn sie einen Gesamtwert von 300 Franken übersteigen. Will heissen: Wer zwischen 50 Euro und 300 Franken in Deutschland einkauft, kann dies komplett mehrwertsteuerfrei tun. Dadurch hat der Einkaufstourismus einen Wettbewerbsvorteil.

Mehr Steuergerechtigkeit gefordert

Daran stören sich natürlich die Schweizer Detailhändler, die von einem unfairen Konkurrenzkampf sprechen. Zusätzlich zu den hohen Löhnen und dem starken Franken sehen sie sich einem Steuernachteil ausgesetzt. Denn während ihre Kunden Mehrwertsteuer entrichten müssen, kommen Einkaufstouristen darum herum. Dies ist mit ein Grund, weshalb Schweizerinnen und Schweizer jährlich für über 8 Milliarden Franken im Ausland einkaufen.

Betroffen sind vor allem Detailhändler in Grenzregionen – etwa in den Kantonen St. Gallen und Thurgau. Beide Ostschweizer Kantone sind daher mit einer Standesinitiative in Bern vorstellig geworden. Darin fordern sie die Abschaffung der Wertfreigrenze von heute 300 Franken. Neben diesen beiden Initiativen hat das Parlament auch eine verbindliche Motion der nationalrätlichen Finanzkommission gutgeheissen, die ebenfalls eine «Verbesserung der Steuergerechtigkeit» fordert.

Dem will Keller-Sutter nun Rechnung tragen. Zwar möchte sie die Wertfreigrenze nicht ganz abschaffen, aber von 300 auf 150 Franken halbieren. Einkaufstouristen in Deutschland könnten also nach wie vor zwischen 50 Euro und 150 Franken mehrwertsteuerfrei einkaufen. Ähnliches gilt für Österreich und Frankreich, wo die Bagatellgrenze bei 75 Euro respektive 100 Euro liegt. Hingegen kennt Italien eine Grenze von 155 Euro.

Eine App macht vieles einfacher

Die Halbierung der Schweizer Wertfreigrenze dürfte für den Zoll zu einer grösseren Herausforderung werden. Kommt es wie von Ueli Maurer befürchtet zu Staus und Chaos?

Dagegen hilft eine App des Bundes namens Quickzoll. Mit ihr lassen sich Mehrwertsteuer und Zölle abrechnen, ohne einen Beamten behelligen zu müssen. Bereits vor dem Grenzübertritt kann man in der App Einkäufe erfassen. Sie überprüft dann unter Berücksichtigung der Freimengen und der Wertfreigrenze, ob man überhaupt Zoll oder Mehrwertsteuer zahlen muss. Falls ja, begleicht sie den Betrag über die Kreditkarte.

Dank dieser App können die Waren an jedem beliebigen Grenzübergang eingeführt werden. Man braucht lediglich ein zweistündiges Zeitfenster anzugeben. Die App hat aber auch einen Nachteil: Sie verrechnet für alle Waren den ordentlichen Mehrwertsteuersatz von 7,7 Prozent – auch für Lebensmittel, die eigentlich einem reduzierten Satz von 2,5 Prozent unterlägen.

Öfter, dafür weniger einkaufen

Es gibt freilich mehrere Tricks, um auch bei einer tieferen Wertfreigrenze steuerfrei einkaufen zu können. Man kann zum Beispiel öfter ins Ausland fahren und pro Mal weniger einkaufen. Allerdings muss man dies über mehrere Tage verteilt tun. Pro Tag und Person darf die Wertfreigrenze nur einmal geltend gemacht werden.

Ein weiterer Trick besteht darin, mit der ganzen Familie oder mit Freunden einkaufen zu gehen. Die Wertfreigrenze kann nämlich pro Person geltend gemacht werden – auch für Kinder. Eine vierköpfige Familie kann also gegenwärtig für 1200 Franken steuerfrei einkaufen, künftig voraussichtlich noch für 600 Franken.

Kauft die Familie jedoch ein einzelnes Produkt, dessen Wert die Freigrenze von 300 respektive 150 Franken übersteigt, muss sie dieses trotzdem versteuern. Sie kann nämlich einen Gegenstand nicht auf mehrere Personen aufteilen. Auch wird die Mehrwertsteuer auf dem gesamten Betrag fällig, falls dieser über der Freigrenze liegt. Letztere kann also nicht davon abgezogen werden.

«Wir sind froh, dass die ungleiche Behandlung von Einkaufstouristen und Schweizer Kunden angegangen wird.»

Dagmar Jenni, Direktorin der Swiss Retail Federation

Die Schweizer Detailhändler begrüssen die geplante Verschärfung. «Wir sind froh, dass die ungleiche Behandlung von Einkaufstouristen und Schweizer Kunden bei der Mehrwertsteuer endlich angegangen wird», sagt Dagmar Jenni, Direktorin der Swiss Retail Federation. Damit auch ein Effekt erzielt werde, müsse die Wertfreigrenze aber weiter gesenkt werden. Die Detailhändler hatten 50 Franken vorgeschlagen.

Zustimmende Worte gibt es auch aus der Ostschweiz. «Das ist ein pragmatischer Weg», sagt der St. Galler Volkswirtschaftsdirektor Beat Tinner. Und sein Thurgauer Kollege Walter Schönholzer spricht von einem «Schritt in die richtige Richtung». Er habe die Hoffnung ob des jahrelangen Widerstands der Verwaltung fast verloren, ergänzt Kurt Egger, die treibende Kraft hinter der Thurgauer Standesinitiative. Nun sei er «froh, dass sich endlich etwas bewegt». Viele glauben, dass das Auswechseln des Zolldirektors in diesem Frühjahr geholfen hat.

Weniger glücklich ist Sara Stalder von der Stiftung für Konsumentenschutz. Sie spricht von «Symptombekämpfung», die wenig bringe und allenfalls gar zu vermehrten Fahrten ins Ausland führe. Sie hofft, dass die Reduktion der Wertfreigrenze am Ende weniger markant ausfällt und vielleicht bei 250 Franken festgelegt wird.

In einer früheren Version war von einer französischen Bagatellgrenze von 175 Euro die Rede. Diese wurde aber auf 100 Euro gesenkt.