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Mamablog: Postferiale Gedanken
Eigenartige Ferien

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 … mit unserem Höher-weiter-schneller-Reiseverhalten anheizen.
Wir suchen unermüdlich nach dem Ursprünglichen….
… und nach möglichst unberührter Natur.
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Ferien sind eine seltsame Sache. Nicht zuletzt darum, weil es sie per definitionem gar nicht geben kann, ohne das Leben «zuvor» und jenes «danach» in die Betrachtung mit einzubeziehen. Je fordernder das «Zuvor», desto heilsversprechender blinkt das Wort «Ferien» aus Windelbergen, Kita-Spurts, unbeantworteten Mails und Wocheneinkäufen hervor. Verströmt genauso viel Hoffnung, wie jenes Palmeninsel-Poster, das einst mein Jugendzimmer schmückte, um mich für einen Moment vergessen zu lassen, dass mein Leben aus wuchernden Pickeln, Liebeskummer und Streit mit der besten Freundin besteht. 

Manchmal werden es tatsächlich die allerschönsten Wochen des Jahres. Manchmal aber auch die allerschlimmsten.

Nachdem uns also im Büro auch noch der Hinterletzte «Geniess es! Erhol dich gut!» zuruft, in dem immer auch eine Prise «Damit du danach wieder richtig Gas geben kannst!» mitschwingt, freuen wir uns wie Bolle auf die Zeit, in der wir einfach in den Tag hineinleben können – sofern wir nicht gerade eine Animationswoche im Club Med oder die Seminarwoche «Juhui! Wir basteln den ganzen Tag!» gebucht haben.

Ausweichen geht nicht

Dann sind sie also endlich da, die Ferien. Und manchmal werden es tatsächlich die allerschönsten Wochen des Jahres. Manchmal aber auch die allerschlimmsten. Nie werden so viele Scheidungen eingereicht wie zu postferialen Zeiten. Denn selbst, wenn wir heute problemlos bis in die Südsee reisen können, gibt es doch etwas, das wir so sicher in den Urlaub tragen wie ein Hundehalter seinen Doggybag: uns selbst. Ausweichen geht nicht mehr. Nicht uns selbst, nicht dem Partner, nicht der Partnerin, nicht den Kindern. Je unterdrückter Konflikte schlummern, umso wahrscheinlicher paaren sie sich mit einer geballten Ladung an Erwartungen, die sich wie ein stumpfer schwarzer Balken über unser sorgfältig drapiertes Palmenposter legen. 

Auf der ständigen Suche nach Ursprünglichkeit sorgen wir dafür, dass diese immer mehr verschwindet.

Mein diesjähriger Urlaub war aber schön und unterschied sich von andern zum Beispiel darin, dass ich nie den Wetterbericht checkte. Warum auch? Regen ist in diesem Jahr schliesslich zu einem Gut geworden, das auch beim edelsten Reisebüro nicht buchbar ist. Womit wir gleich bei einem der grossen Widersprüche des Reisens angelangt wären: Über Strassen, Himmel und Meere ziehen gerade endlose Blechlawinen, deren perfekt eingecremter Inhalt sich vor Ort dann über Algen, Quallen und Hitze mokiert. Dabei sind es wir selbst, welche diese beängstigenden, lebensfeindlichen Zustände mit unserem Höher-weiter-schneller-Reiseverhalten anheizen. Auf der ständigen Suche nach Ursprünglichkeit sorgen wir dafür, dass diese immer mehr verschwindet. Wir wollen raus in die Natur und schaden ihr damit, indem wir sie uns zu eigen machen. Wir fliegen und fahren wie die Irren, suchen die Freiheit und bemerken gar nicht, dass wir sie damit verhindern.

Willkommen Müdigkeit

Mein persönlicher Entspannungsfaktor war aber – dank älteren Kindern – dieses Jahr höher als auch schon. Was daran abzulesen war, dass ich selten zu einem Buch griff, obwohl ich wie immer Berge davon mit mir trug. Als die Kinder klein waren, zückte ich jeweils in jeder Sekunde, in der sich die zwei gerade nicht mit der Schaufel eins überbrieten oder kopfüber im Sand feststeckten, zwanghaft nach einem Buch. Natürlich kam ich nie über die Einleitung hinaus. Aber ich klammerte mich an diese kleinen Momente der Illusion.

Doch jetzt, wo meine Kinder auch gerne mal chillen, konnte ich diese «Überlebensstrategie» in den Sand buddeln und fühlte zum ersten Mal, wie meine Müdigkeit sich ausbreitete, um mich stoisch in das Grün eines Blattes zu vertiefen, bis sich seine Schattierungen verwischten, Materie sich zersetzte und mich in eine Welt diesseits von Kindergeschrei und «waswämmerhütchoche?» trugen. 

Jede Zeit hat ihre Ferien

Und für alle müden Kleinkindeltern, die in ihren täglichen Sandburgendramen gerade weiss der Teufel was dafür gäben, in einen komaähnlichen Zustand zu fallen (beziehungsweise, wenn sie es mal für einen Augenblick tun, mit dramatischen Konsequenzen rechnen müssen – siehe kopfüber im Sand stecken!), mich und mein Entspannungsgesülze wohl am liebsten im Meer ertränken würden: Einmal habe ich am Strand einem Vater dabei zugeschaut, wie er mit seinen drei Kleinen eine Sandburg baute. Und ob Sie es glauben oder nicht – für einen Moment hätte ich ein Königreich dafür gegeben, genau dies wieder mal mit meinen Kindern zu tun. 

Stress? Nein, Sehnsucht: Ferien sind einzigartig – und lassen sich nicht wiederholen.

Doch jede Zeit hat ihre Ferien. Und jede Ferien haben ihre Zeit. Und genau die erleben wir nur einmal. Das ist das Wunderbare an Ferien – ganz egal, wie seltsam ihr Konstrukt auch sein mag.

Wie waren Ihre Ferien, liebe Leserinnen und Leser? Erzählen Sie uns davon in der Kommentarspalte.