Erste AnalyseVier Lehren aus der Wahlnacht – vieles spricht für einen Sieg Trumps
Kamala Harris liegt hinter Donald Trump zurück. Es dürfte ihr schwerfallen, noch aufzuholen.
Der verrückte Wahlkampf zwischen Donald Trump und Kamala Harris ist zu Ende. Das Resultat ist noch nicht bekannt. Doch aus den bisherigen Zahlen lassen sich einige Schlüsse ziehen.
Die aktuellen Resultate finden Sie hier im Liveticker.
Hohe Wahlbeteiligung dürfte Trump helfen
Mehr als sechs Stunden Wartezeit haben Stimmberechtigte im wichtigsten Swing-State Pennsylvania auf sich genommen, um ihren Wahlzettel einzuwerfen. Das waren Extremwerte, zu beobachten in der Kleinstadt Bethlehem in Northampton County. Der Bezirk hat seit 1920 fast immer für den späteren Sieger gestimmt. Es ist eines der anekdotischen Beispiele, die auf eine Rekordwahlbeteiligung deuten. In Bethlehem wurden die Verantwortlichen des Wahllokals vom Stimmeifer der lokalen Studenten der Lehigh University überrascht. Abends um 20 Uhr, als die Urnen eigentlich schliessen sollten, zog sich die Warteschlange immer noch um den halben Strassenblock. Wer zu jenem Zeitpunkt in der Reihe stand, durfte seine Stimme noch abgeben. Ob Harris oder Trump von der hohen Beteiligung stärker profitieren wird, ist allerdings offen. Traditionell konnten die Demokraten mehr Sitze gewinnen, wenn mehr Amerikaner an der Wahl teilnahmen. Donald Trump hat es aber geschafft, Leute an die Urnen zu bewegen, die normalerweise eher fernbleiben – eine rekordhohe Wahlbeteiligung könnte also durchaus ihm zugute kommen.
Harris schwächelt, Trump geht in Führung
Wenige Stunden nach dem Ende des Wahlabends deutet vieles darauf hin, dass Donald Trump stark abschneidet. Als ersten Staat konnte er Florida für sich entscheiden, was zu erwarten war, weil der südlichste Ostküstenstaat zahlreiche konservative Einwohner angezogen hat in den vergangenen Jahren und nach rechts gerückt ist. Trump gewann ausserdem zum Beispiel in Iowa deutlich, im Herzen der USA, ein zutiefst republikanischer Staat. Kurz vor dem Wahltag hatte eine Umfrage Aufregung ausgelöst, die überraschend einen deutlichen Vorsprung von Kamala Harris ergab. Ein schlechtes Zeichen für die Demokraten waren die Resultate aus Virginia, der mehrheitlich blau wählt wegen der dicht besiedelten Städte im Norden des Staats, im Agglomerationsgürtel der Hauptstadt Washington, DC. Nach Auszählung einer Mehrheit der Stimmen lag Harris nur hauchdünn vor Trump – aber mit den später eintreffenden Resultaten aus den grossen Bezirken im Norden könnte die Demokratin noch davonziehen. Als ersten Swing-State gewann Trump North Carolina mit rund 51 Prozent der Stimmen – einer der Staaten, auf den Kamala Harris durchaus Hoffnungen gesetzt hatte. Im wichtigen Swing-State Georgia verliert die Demokratin.
Entscheidung fällt in den Blue-Wall-States
Alle Werte deuten darauf hin, dass sich das wahrscheinlichste Szenario bewahrheitet: Kamala Harris kann nur noch mit den Stimmen der Blue-Wall-States gewinnen, der Swing-States Pennsylvania, Michigan und Wisconsin im Norden der Vereinigten Staaten. Einst war das der Steel Belt, die Industriezone der USA, dank der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter eine Hochburg der Demokraten. Mit dem Niedergang der Schwerindustrie wurde die Gegend zum Rostgürtel, eine fruchtbare Region für Donald Trump, der enttäuschte weisse Arbeiter auf seine Seite zog. Am späten Abend Ortszeit war der Wahlausgang in Michigan noch höchst ungewiss. Dort leidet Harris unter anderem daran, dass sie wegen ihrer Unterstützung für Israel im Gaza-Krieg die Stimmen von gegen 300’000 arabischstämmigen Wählern verlieren könnte.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
In Wisconsin ging Trump in Führung, wobei die Resultate der grösseren städtischen Zentren und vor allem der brieflichen Stimmen noch nicht komplett waren und in der Vergangenheit oft mehrheitlich an die Demokraten gingen Allerdings hinkte Harris selbst in Hochburgen der Demokraten wie Dane County um die Hauptstadt Madison knapp hinter Donald Trump zurück, auch schnitt sie in stark republikanischen Gegenden schwächer ab als Biden. Auch in Pennsylvania ging Trump in Führung, unter anderem in Northampton County, einem Bezirk, der als besonders repräsentativ für die Vereinigten Staaten gilt. Joe Biden hatte den Staat mit 80’000 Stimmen gewonnen, Kamala Harris blieb nun in wichtigen Bezirken um 2 Prozentpunkte hinter seinen Werten zurück. Am späten Abend lag Trump in Pennsylvania unter dem Strich um 170’000 Stimmen vorne. Es zeichnet sich ab, dass es schwierig wird für Harris, diesen Rückstand in den Agglomerationsgürteln um die Städte Pittsburgh und vor allem Philadelphia noch wettzumachen.
Verlieren die Demokraten die wichtigen Blue-Wall-States, würde ihnen selbst ein Sieg in anderen Staaten des Sonnengürtels, in Arizona und Nevada, nicht mehr helfen. In Arizona lagen Trump und Harris bei der Auszählung der Hälfte der Stimmen gleichauf, Aussagekraft haben diese Zahlen allerdings noch fast keine. Aus Nevada lagen noch keine vorläufigen Resultate vor. In beiden Staaten wurden mehrere Zehntausend Stimmzettel aussortiert zu einer genaueren Prüfung, weil etwa die Unterschrift nicht den Mustern entsprachen. Die betroffenen Stimmberechtigten können diese Wahlzettel bis in einer Woche noch korrigieren. Allerdings besteht derzeit die Gefahr, dass sie keine Rolle mehr spielen werden, sofern Trump die Blue-Wall-States für sich entscheidet.
Die Republikaner erobern den Senat
Die Republikaner haben die Erwartungen bei den Kongresswahlen übertroffen. In West Virginia nahm Gouverneur Jim Justice den Demokraten einen Senatssitz ab, alles andere wäre eine Überraschung gewesen. Doch in Ohio besiegte Herausforderer Bernie Moreno den Amtsinhaber Sherrod Brown in einem harten Wahlkampf. Auch in Pennsylvania lag David McCormick vorläufig vor Bob Casey, dem derzeitigen Senatoren der Demokraten. Damit ist klar, dass die Demokraten ihre knappe Mehrheit in der kleinen Parlamentskammer verlieren werden. Zur Wahl stand ein Drittel der 100 Senatoren. Die vorläufigen Resultate für das Abgeordnetenhaus liessen am Dienstagabend Ortszeit noch keine Rückschlüsse auf die zu erwartenden Mehrheitsverhältnisse zu.
Fehler gefunden?Jetzt melden.