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Diskussion um Druck am Mietmarkt
Avenir Suisse sieht keinen Wohnungsmangel – SP widerspricht

Wer schafft mehr Wohnraum? Marktorientierte Investoren oder gemeinnützigen Bauträger? Gebäude einer Wohngenossenschaft in Zürich.
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Wohnungsnot, träge Bautätigkeit, sinkender Leerstand und steigende Mieten führen gegenwärtig zu hitzigen Diskussionen unter Immobilienvertretern und Politikerinnen. Nun schaltet sich Avenir Suisse mit einer Studie mit dem Namen «Mieten und Mythen» in die Debatte ein und kommt zu dem Ergebnis: alles gar nicht so schlimm.

Dabei stellt der Thinktank unter Studienleiter Marco Salvi acht Aussagen zum Mietmarkt auf den Prüfstand. «Weil das Thema Wohnen derart persönlich ist, wird in der politischen Debatte noch mehr als sonst schon anekdotisch argumentiert», heisst es in der Studie. Zahlen und Fakten seien Mangelware. Dem will die Studie nun Abhilfe schaffen.

In acht Punkten geht sie den dringendsten Fragen rund ums Mieten nach. Darunter: Haben wir wirklich eine Wohnungsnot, sind die Mieten zu hoch und was für einen Mehrwert bringen Wohnbaugenossenschaften in der Debatte um günstigen Wohnraum?

«Natürlicher» Leerstand

Bei der Frage der Wohnungsnot kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass die Lage am Wohnungsmarkt «(noch) nicht besorgniserregend» erscheine. Als Begründung zieht sie die «natürliche» Leerwohnungsziffer heran. Diese markiert die kritische Grenze zwischen steigenden und fallenden Mieten: Bei einem «natürlichen» Leerstand bleiben die Mieten demnach konstant. Nach Schätzung von Avenir Suisse liegt diese Grenze bei 1,1 Prozent. Die Prognosen für dieses Jahr deute auf eine Leerwohnungsziffer von rund einem Prozent hin.

Allerdings sind Avenir Suisse nicht die Ersten, die eine eigens geschätzte «natürliche» Leerwohnungsziffer präsentieren. Ihnen zuvorgekommen ist bereits die Immobilienberatungsfirma Wüest Partner, die diese Ziffer bei 1,27 Prozent verortet, und die Wirtschaftsberatung Wellershoff und Partner legt die «optimale Leerstandsquote» zwischen 1,5 und 2,0 Prozent fest. Die Unterschiede sind also gross.

Dass die Nachfrage nach Wohnraum hoch und das Angebot klein ist, erkennen die Studienautoren jedoch an. Sie kommen zum Schluss, dass in der Schweiz rund 10’000 Wohneinheiten fehlten, um konstante Realmieten zu sichern. Besonders in den Grossstädten bremsten Rekurse und rechtliche Hürden die schnelle Realisierung von Bauprojekten. «Diese Verzögerungen nehmen zu, denn wo bereits gebaut ist, sind konkurrierende Interessen häufiger», heisst es in der Studie.

Dennoch deute zurzeit wenig auf eine «nachhaltige, landesweite Verteuerung der Mieten» hin. Selbstverständlich bestünden erhebliche regionale Unterschiede, halten die Studienautoren fest. So liegen die Transaktionsmieten in den grösseren Städten seit einigen Jahren deutlich über den Bestandsmieten. Diese Differenz verringere sich jedoch ausserhalb der Zentren.

Die Kritik, private Investoren würden aufgrund ihrer Renditeorientierung nicht genügend «preisgünstigen» Wohnraum erstellen, lassen die Studienautoren von Avenir Suisse nicht gelten. Diese Sicht verkenne das sogenannte Filtering. Dieser Abschreibungsprozess führe dazu, dass Wohnungen im Lauf ihres Lebenszyklus im Vergleich zu Neubauten günstiger werden. So kämen jedes Jahr schätzungsweise um die 40’000 Wohnungen zum Pool der «preisgünstigen» Wohnungen hinzu. Auf dem Wohnungsmarkt sei dies die «grösste Quelle von preisgünstigem Wohnraum».

Wohnbaugenossenschaften hingegen seien kaum die Lösung, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Denn sie seien nicht selbsttragend und könnten sich nur dank Subventionen der öffentlichen Hand günstig finanzieren, heisst es in der Studie. Auch seien sie weniger nachhaltig als Wohnliegenschaften der marktorientierten Investoren. Im Vergleich zu gemeinnützigen Bauträgern sei die bauliche Dichte in fast allen Kreisen der Stadt Zürich höher.

Laut Genossenschaften verbreite Avenir Suisse «falsche Behauptungen»

Diese Kritik will der Verband der Wohnbaugenossenschaften Schweiz nicht auf sich sitzen lassen. Avenir Suisse verbreite mit seinem Thesenpapier «gezielt falsche Behauptungen zum gemeinnützigen Wohnungsbau», heisst es in einer Mitteilung, die im Anschluss an die Präsentation verschickt wurde. Dass der gemeinnützige Wohnungsbau stark mit Steuergeldern subventioniert werde, stimme nicht: Schätzungsweise 85 Prozent der gemeinnützigen Wohnungen beanspruchten keinerlei Förderung. Und die wenigen Förderinstrumente des Bundes – rückzahlbare Darlehen und Bürgschaften – kosteten die Steuerzahlenden keinen Rappen.

Auch der Vorwurf, gemeinnützige Bauträger seien weniger nachhaltig, stimme nicht: Eine nationale Studie des Forschungsbüros Sotomo beweise, dass sowohl der Wohn- als auch der Grundflächenverbrauch bei gemeinnützigen Wohnungen schweizweit gesehen deutlich tiefer seien. Der Landverbrauch pro Kopf in Ersatzneubauten liege gegenwärtig bei 11,4 Quadratmetern pro Person.

«Die Kritik an den hohen Renditen im Wohnungsmarkt und der Ruf nach mehr gemeinnützigem Wohnungsbau machen der Immobilienwirtschaft offenbar Sorgen», wird Eva Herzog, Ständerätin BS und Präsidentin von Wohnbaugenossenschaften Schweiz, in einem Communiqué zitiert. Anders lasse sich nicht erklären, dass derzeit vermehrt Falschaussagen zum gemeinnützigen Wohnungsbau in Umlauf gebracht würden.

Auch vonseiten der SP wird scharf gegen die neue Studie geschossen: Diese stelle sich «mit falschen Behauptungen in den Dienst der Immobilien-Anleger», heisst es in einer Mitteilung. Avenir Suisse werde nicht zuletzt von den beiden börsenkotierten Immobilienkonzernen Allreal und Swiss Prime Site finanziert. Die Studie verteidige mit «fadenscheinigen Behauptungen» und «fraglichen Fakten» die Interessen der Immobilienkonzerne.

In Bezug auf die Mieten brauche es «wirksame Massnahmen, um diesen Irrsinn zu stoppen und die Kaufkraft zu schützen», wird SP-Nationalrätin Jacqueline Badran zitiert.