Drohende WohnungsnotKaufverbot für Immobilieninvestoren funktioniert nicht wie gedacht
In der Schweiz überbieten sich die Parteien mit Vorschlägen, um den Wohnungsmarkt in den Griff zu kriegen. Der Fall Niederlande zeigt, dass das gründlich schiefgehen kann.
Plus 28 Prozent: So stark sind in der Schweiz gemäss Bundesamt für Statistik seit 2017 die Preise für Wohnimmobilien gestiegen. Durchschnittsverdiener können sich Wohneigentum nicht mehr leisten. Immobilienspekulanten und institutionelle Anleger wie Versicherungen, Pensionskassen und Immobiliengesellschaften trieben die Preise und die Mieten hoch, klagt die politische Linke.
Die Wohnungsnot ist ein Wahlkampfthema. Die Parteien wetteifern mit Regulierungsvorschlägen. So wollen etwa die Grünen eine Mindestbelegung der Wohnungen einführen und die FDP den Lärmschutz lockern. Der Mieterverband fordert ein Vorkaufsrecht für Gemeinden, die SP will Airbnb verbieten.
Doch Regulierung hat ihre Tücken: Beabsichtigte und tatsächliche Wirkungen müssen nicht übereinstimmen. Ein interessantes Beispiel dafür liefern die Niederlande. Die stark steigenden Immobilienpreise führten dort wie in der Schweiz dazu, dass viele Haushalte mit mittlerem Einkommen zunehmend weniger in der Lage sind, eine Wohnung zu erwerben.
Solche Käufer wurden zunehmend von kapitalkräftigen Immobilieninvestoren verdrängt, die die Wohnungen vermieten oder in Business-Appartements für Expats umwandeln. Zudem verschlechtere sich die Lebensqualität in den Quartieren, weil sich die Bewohner nicht mehr kennen würden, argumentierten die Befürworter eines neuen Gesetzes, das Anfang vergangenen Jahres in Kraft trat.
Es erlaubt den Gemeinden, die Vermietung von ehemals selbst genutzten oder leer stehenden Häusern zu verbieten. Der Käufer der Immobilie muss diese selbst bewohnen und darf sie für die Dauer von vier Jahren nicht vermieten. Es gibt wenige Ausnahmen, zum Beispiel für die Vermietung an Familienmitglieder.
Der Anteil der Erstkäufer von Wohneigentum steigt
Die Regelung gilt nicht für Immobilien, die bereits mindestens ein halbes Jahr vor dem Kauf vermietet sind. Bestehende Miethäuser sind also nicht betroffen. Ebenfalls ausgenommen sind teure Wohnungen über einem von der Gemeinde zu bestimmenden Grenzwert.
Alle Städte mit mehr als 200’000 Einwohnern haben im vergangenen Jahr eine solche Regelung eingeführt. Die meisten wenden das Verbot in der ganzen Stadt an. Rotterdam beschränkt das Verbot auf 16 von 71 Quartieren.
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Dies ermöglichte es Forscherinnen und Forschern der Universität Amsterdam und der Erasmus-Universität Rotterdam in Zusammenarbeit mit dem Grundbuchamt, ein sogenannt natürliches Experiment durchzuführen: Was geschieht in den betroffenen Quartieren im Vergleich zu Stadtteilen, wo das Gesetz nicht gilt?
Kürzlich veröffentlichten sie die ersten Resultate: Das Gesetz verdrängte die renditeorientierten Investoren; deren Käufe gingen drastisch zurück. Dafür stieg der Anteil von Erstkäufern von Wohneigentum deutlich an. So weit erfüllte das Gesetz die politischen Erwartungen.
Die Preise sinken nicht
Die wichtigste Begründung für das Gesetz war, dass die Investoren die Preise hochtreiben. Seine Einführung hätte also eine dämpfende Wirkung auf die Immobilienpreise in den betroffenen Quartieren haben müssen. Das war jedoch nicht der Fall – es waren keine nennenswerten Auswirkungen feststellbar.
Und das Gesetz hatte unbeabsichtigte Nebeneffekte: Die Forscher stellten bei den Mietpreisen einen deutlichen Anstieg von 4 Prozent im Vergleich zu den nicht regulierten Quartieren fest, weil das Gesetz das Angebot an Mietwohnungen verminderte.
Das Verbot der Investoren trug ausserdem zu einer Gentrifizierung bei, also einer Verdrängung Ansässiger durch wohlhabendere Bevölkerungsschichten. Denn die neuen Käufer haben ein wesentlich höheres Einkommen als die Mieter in von Investoren gekauften Immobilien. Sie sind deutlich älter und haben seltener einen Migrationshintergrund.
Mit Nebenwirkungen von Regulierung ist zu rechnen
Die Untersuchung ist auch deshalb interessant, weil es sich nicht nur um eine wissenschaftliche Studie, sondern auch um eine Politikbewertung handelt. Die Stadt Rotterdam wird die Ergebnisse nutzen, um die Regulierung zu beurteilen und möglicherweise anzupassen.
Was lässt sich daraus für die Schweiz lernen? Die Wohnungskrise hat viele Ursachen. Punktuelle Massnahmen können in Teilen Verbesserungen bewirken. Aber mit Risiken und Nebenwirkungen ist zu rechnen. Die Politik wäre gut beraten, Massnahmen nach dem Vorbild Rotterdams wissenschaftlich begleiten zu lassen.
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