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Ukraine-Blog
Diesen fünf ukrainischen Städten droht die Auslöschung

«Vorerst ist Bachmut nur noch in unseren Herzen – an diesem Ort gibt es nichts mehr», sagte Wolodimir Selenski über Bachmut: Die Stadt ist Schauplatz schwerster Gefechte.

Kiew hat Wladimir Putin nicht erobern können. Seine Truppen hinterliessen vor den Toren der ukrainischen Hauptstadt eine Blutspur und zogen sich im Frühjahr 2022 zurück. Der Widerstand der Ukraine überraschte damals nicht nur die Russen. Seither versuchen Moskaus Truppen, die Kontrolle über den grössten Teil der Ostukraine zu festigen. Sie haben mehrere Städte erobert, die sich nahe der seit 2014 bestehenden Frontlinie befanden.

Die teilweise grossen Ortschaften wurden durch russische Angriffe fast vollständig zerstört. Den Ruinenstädten droht die Auslöschung, die vom Kreml eingesetzten Regionalgouverneure wiederholen Wort für Wort Putins Wiederaufbau-Propaganda. Die kalkulierte Grausamkeit der russischen Truppen hat nach einer Analyse von Radio Free Europe vor allem fünf ukrainische Städte schwer getroffen. Im Folgenden eine Übersicht.

Popasna – von 20’000 auf noch 200 Einwohner

Ein ukrainischer Sanitätssoldat in einem Feldlazarett in Popasna. Mittlerweile hat die ukrainische Armee die Stadt verlassen. 

In Popasna sei «alles bis auf die Grundmauern zerstört», teilte Serhi Hajdaj, der Gouverneur der Region Luhansk, vor mehr als einem Jahr mit. Damals wurde die Stadt in der Ostukraine von den russischen Truppen erobert. Von den einst 20’000 Einwohnern sollen sich in Popasna inzwischen nur noch etwa 200 aufhalten.

Es war nicht die erste russische Besatzung, die die Menschen im Frühling 2022 erlebten. Nach der Annexion der Krim 2014 besetzten prorussische Separatisten auch Popasna. Nach drei Monaten konnten die ukrainischen Streitkräfte die Eroberer vertreiben. Bis 2017 seien die Wohnungen und die Infrastruktur wiederhergestellt worden, sagt der frühere Verwaltungschef von Popasna Roman Wlasenko gegenüber Radio Free Europe. Auch sei es gelungen, Investoren anzulocken.

Nach dem monatelangen Beschuss durch russische Truppen wurde Popasna von der Landkarte fast getilgt. Im vergangenen Sommer erklärten die russischen Besatzungsbehörden, dass die Kleinstadt nicht wieder aufgebaut werde, später hiess es, auch die von Russland eingesetzte Verwaltung sei aufgelöst. Gegründet wurde Popasna 1878 als Eisenbahnstation, die laut Unesco in Trümmern liegt. 

Rubischne – zerstört und verlassen

Wie viele Einwohnerinnen und Einwohner geblieben sind, ist unbekannt: Spuren der Verwüstung in Rubischne.

Nach Beginn der russischen Invasion liefen in der Ostukraine einige Bürgermeister zu den Russen über. Einer von ihnen war Sergei Chortiw, Bürgermeister der etwa 55’000 Menschen zählenden Stadt Rubischne. Chortiw hatte in einem Video den russischen Angriff gegen die angeblichen «Nazis» der ukrainischen Streitkräfte begrüsst. Wie viele Einwohner noch in Rubischne unter russischer Besatzung geblieben sind, ist unbekannt.

Die Stadt liegt am linken Ufer des Flusses Siwerski Donez, unweit der Städte Sjewjerodonezk und Lissitschansk. Vor dem jüngsten Krieg gab es in Rubischne mehrere Fabriken, die chemische Produkte, Papier oder Socken herstellten. Die meisten Betriebe mussten schliessen, das Unternehmen Dodo ist nach Lemberg in die Westukraine gezogen und produziert dort weiterhin Socken.

Rauch steigt auf nach einem russischen Angriff in der etwa 55’000 Menschen zählenden Stadt Rubischne. 

Wie Popasna wurde auch Rubischne 2014 von den russischen Truppen erobert – und später von den Ukrainern zurückerobert. Hier fanden sehr viele Menschen aus den besetzten Gebieten Zuflucht und bauten eine neue Existenz auf. Vier Monate nach der russischen Invasion im Februar 2022 lag Rubischne in Trümmern, die ukrainischen Soldaten verliessen die Stadt.  

Bachmut – fast vollständig zerstört

«Es gibt nichts mehr»: Wolodimir Selenski über die umkämpfte Stadt Bachmut.

Bachmut wird seit Monaten umkämpft. Weite Teile der Stadt stehen unter russischer Kontrolle. Doch die Ukrainer leisten Widerstand und wollen Bachmut nicht einfach aufgeben. Vor dem Krieg lebten hier etwa 70’000 Einwohner, nun harren laut ukrainischen Behörden nur noch etwa 500 Menschen aus. «Es gibt nichts mehr. Sie haben alles zerstört. Es gibt keine Gebäude. Es ist schade, es ist eine Tragödie, aber vorerst ist Bachmut nur in unseren Herzen. An diesem Ort gibt es nichts mehr», sagte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski im vergangenen Monat.

Bachmut wurde 1571 gegründet: Iwan der Schreckliche wollte mit dem Aussenposten die Angriffe der Krimtataren abwehren. Die Stadt war lange bekannt für ihre Salzvorkommen und für ihren Sekt. Die Kellerei in Bachmut produzierte bis 2014 jährlich 19 Millionen Flaschen Sekt, die auch in Westeuropa verkauft wurden. Angeblich wurde die Fabrik Anfang Dezember von den Russen erobert. Die Söldnertruppe Wagner erklärte kürzlich, sie habe der russischen Armee die Stadt übergeben.

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Die Kämpfe um die symbolträchtige Stadt gehen weiter. Bilder, Videos und Satellitenbilder zeigen gemäss Radio Free Europe, dass die Stadt fast vollständig zerstört wurde. Das Ausmass der Verwüstung dokumentierte im Mai auch die «New York Times»: Die US-Zeitung veröffentlichte Aufnahmen aus Bachmut, die offenbar eine Drohne lieferte.  

Awdijiwka – von 32’000 Einwohnern auf noch 1800

In Awdijiwka wurden viele Wohnungen und Fabriken fast komplett zerstört.

Awdijiwka liegt im ostukrainischen Donbass und wird von den ukrainischen Kämpfern gehalten. Doch seit dem russischen Angriff vor mehr als 15 Monaten wurden dort viele Wohnungen und Fabriken fast komplett zerstört. Awdijiwka war eine Industriestadt, in der Kokskohle, Schwefelsäure und Mineraldünger hergestellt wurden. Die 1778 gegründete Ortschaft hatte bis 2022 etwa 32’000 Einwohner, nun sollen nur noch etwa 1800 Menschen dort leben. In einer der grössten Kokereien Europas, die dem Oligarchen Rinat Achmetow gehörte, arbeitete jeder fünfte Bewohner Awdijiwkas. Im April 2022 wurde die Kokskohlefabrik stillgelegt.

Mariupol – bedeutende Hafenstadt in Trümmern

Gemäss UNO-Angaben wurden in Mariupol seit Frühjahr 2022 rund 90 Prozent der Wohnblöcke und 60 Prozent der Privathäuser von russischen Truppen zerstört.

Bis zum russischen Angriff lebten fast eine halbe Million Menschen in Mariupol am Schwarzen Meer. Die Stadt war das Zentrum der griechischen Minderheit in der Ukraine. Gegründet wurde sie Ende des 18. Jahrhunderts von Zarin Katharina der Grossen, die ihr Reich nach dem russisch-türkischen Krieg bis in die südliche Ukraine ausweiten konnte.

Gemäss UNO-Angaben wurden in Mariupol seit Frühjahr 2022 rund 90 Prozent der Wohnblöcke und 60 Prozent der Privathäuser von russischen Truppen zerstört. Die Besatzungsbehörden behaupten, in Mariupol lebten noch 230’000 Menschen. Unabhängige Kenner der Lage bezweifeln diese Angaben. Mitte April 2022 bombardierte die russische Armee das Theater von Mariupol. Es war ein Anschlag auf Zivilisten, die sich dort versteckt hatten. Nach einer Recherche der Nachrichtenagentur AP starben bei dem mutmasslichen Kriegsverbrechen 600 Ukrainer und Ukrainerinnen. Mariupol war eine wichtige ukrainische Hafenstadt mit einem der grössten Stahlwerke Europas.