Ukraine-Blog: Fotos, Fakes und FragenSo gelangen Waffen aus dem Iran auf direktem Weg nach Russland
Neue Analysen von Schiffsverkehrsdaten zeigen, wie Schiffsrouten im Kaspischen Meer für die Lieferung von iranischen Waffen nach Moskau genutzt werden. Der Westen ist dagegen machtlos.
Seit Monaten beliefert der Iran Russland mit Waffen für den Krieg in der Ukraine, vor allem die iranischen Shahed-136-Drohnen sind für die russische Kriegsführung von grosser Bedeutung. Die letzten Tage gab es eine ganze Serie von Angriffen mit iranischen Drohnen, mehrere Menschen starben bei den Attacken. Auch in der Nacht auf Dienstag ging der Beschuss weiter, ein Zivilist starb bei einer Attacke in Kiew. Neue Analysen von Schiffsverkehrsdaten geben nun Aufschluss darüber, wie diese Waffen mutmasslich von Teheran nach Moskau gelangen: Die Kriegsmaterialien sollen auf direktem Weg über das Kaspische Meer per Schiff geliefert werden.
Eine Auswertung von Lloyd’s List Intelligence, einem Unternehmen, das Daten und Zahlen aus dem Schiffsverkehr liefert, konnte Unstimmigkeiten in den Aufzeichnungen von Schiffsortungssystemen im Kaspischen Meer aufdecken: Die Daten von Ortungssystemen zeigen, dass seit Ende des vergangenen Jahres die Anzahl von Schiffen, die plötzlich vom Radar verschwinden, gestiegen ist. Ab September sei die Anzahl der Lücken in der Schiffsverfolgung plötzlich sprunghaft angestiegen. Das war kurz nachdem die Ukraine und die USA verkündeten, dass Moskau Drohnen aus dem Iran erworben habe.
Normalerweise verfügen Schiffe über ein Ortungssystem, das automatisch Standort- und Identifikationsinformationen an andere Schiffe und Küstenbehörden weitergibt. Diese automatischen Identifikationssysteme (AIS) müssen nach Verordnung der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation mit wenigen Ausnahmen jederzeit Daten übertragen. Man kann die AIS-Verfolgung jedoch auch ausschalten. Das wird laut Lloyd’s List Intelligence häufig als Taktik genutzt, «um Herkunft und Ziel der Reise zu verschleiern sowie für andere illegale Aktivitäten».
Grösstenteils russische und iranische Schiffe
Ende 2022 zeigten Daten von Lloyd's List Intelligence, dass es einen Anstieg von nicht getrackten, sogenannten «dunklen Hafenanläufen» nach Russland und den iranischen Häfen am Kaspischen Meer gab, wie Bridget Diakun, eine Analystin, die sich auf globale maritime Daten spezialisiert hat, gegenüber CNN sagte. Laut Diakun ist das Phänomen grösstenteils auf Schiffe zurückzuführen, die unter iranischer oder russischer Flagge fahren. Ausserdem trete das Muster bei Frachtschiffen auf, die aufgrund der Bauweise Waffen transportieren könnten.
CNN gelang es, sechs unter russischer und zwei unter iranischer Flagge fahrende Schiffe mit Hilfe von Daten im Kaspischen Meer zu verfolgen, die das verdächtige Verhalten zeigten und «wahrscheinlich mit dem Waffenhandel in Verbindung» stehen. Gemäss dem Fernsehsender zeichneten sich mehrere Muster ab: Einige der Schiffe waren auf der Reise von iranischen Häfen zur russischen Stadt Astrachan zu sehen, obwohl sie dort offiziell nicht anlegten. Andere Schiffe, die von Experten als verdächtig eingestuft wurden, waren bei der Annäherung an den iranischen Hafen Amirabad und den russischen Hafen Astrachan vom Radar verschwunden oder hatten ihre Trackingdaten für längere Zeiträume ausgeschaltet.
Obwohl die Ladung der Schiffe ohne Augenzeugenberichte schwierig auszumachen sei, lieferten die beobachteten Muster Hinweise auf den vermuteten Waffenhandel im Kaspischen Meer, sagte Martin Kelly, leitender Geheimdienstanalyst beim Sicherheitsunternehmen EOS Risk Group, gegenüber CNN: «Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Anforderung von Drohnen durch Russland aus dem Iran, dunklen Hafenanläufen im Kaspischen Meer und einer Zunahme der verdächtigen AIS-Aktivitäten», sagte Kelly.
Der Westen könne wenig tun, um diese Waffenlieferungen zu verhindern, erklärte Kelly: «Es besteht kein Risiko für iranische Exporte im Kaspischen Meer, da die angrenzenden Länder weder die Fähigkeit noch die Motivation haben, diese Art von Austausch zu verbieten.» Es sei «ein perfektes Umfeld, damit dieser Handel ungehindert ablaufen kann», so Kelly.
Selenski appelliert an den Iran
Vergangenen Mittwoch forderte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski den Iran in einer Rede dazu auf, Waffenlieferungen an Russland zu unterlassen. «Die einfache Frage lautet: Welches Interesse haben Sie daran, ein Komplize des russischen Terrors zu sein?», sagte Selenski. Die Drohnenangriffe auf Zivilisten würden von Russland verübt, «aber mit Ihren Waffen», sagte er den Iranern. Laut dem Präsidenten wurden bisher rund 900 von etwa 1160 Shahed-Drohnen abgeschossen, die die russischen Streitkräfte eingesetzt hatten. Die meist mit Sprengladungen versehenen Drohnen können in der Luft kreisen, bevor sie sich auf ihr Ziel hinunterstürzen. Obwohl inzwischen die Mehrheit der Drohnen vom ukrainischen Militär abgewehrt wird, fordern sie in der Ukraine immer wieder zahlreiche Tote.
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