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Meinung

Kommentar zur Zertifikate-Enthüllung
Die CO₂-Kompensation hat ein Glaubwürdig­keits­problem

Demo auf dem Waisenhausplatz in Bern: Das Kompensieren von CO₂ sollte einen wichtigen Beitrag leisten für das Erreichen des 1,5-Grad-Ziels. 
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Eigentlich klingt das ja nach einer guten Sache: Im afrikanischen Zimbabwe sind 785’000 Hektaren Wald von der klimaschädlichen Rodung bedroht. Doch die Bäume bleiben stehen – dank dem Projekt Kariba der in Zürich ansässigen Firma South Pole. Also eigentlich dank Konzernen wie Nestlé, Gucci oder Holcim.

Diese kompensieren ihren CO₂-Ausstoss, indem sie bei South Pole CO₂-Zertifikate kaufen – und damit Klimaschutzprojekte wie jenes in Zimbabwe finanzieren. Dass sich Firmen dadurch ein «klimafreundliches» Image verschaffen, bringt Fachleute (Stichwort «Greenwashing») schon länger auf die Palme

Was die Unternehmen aber nicht wissen: Die CO₂-Kompensation passiert häufig nur auf dem Papier. Denn wie eine internationale Recherche jüngst enthüllte, basieren gerade Waldschutzprojekte auf teils massiv überschätzten Prognosen. Auch Kariba sei um 50 Prozent überschätzt worden, gibt South Pole zu – und verkauft vorläufig keine Zertifikate mehr aus dem Projekt.

Das ist ein Skandal – und schadet der Glaubwürdigkeit des CO₂-Kompensierens massiv.

Die Folge dieser Fehleinschätzungen: Millionen Tonnen an CO₂ werden gar nicht eingespart. Das ist ein Skandal – und schadet der Glaubwürdigkeit des CO₂-Kompensierens massiv.

Nicht nur wegen der unzuverlässigen Prognosen und lästigen Konjunktive (hätte es das Projekt nicht gegeben, wären 785’000 Hektaren Wald gerodet worden, was Millionen Tonnen Schadstoffe freigesetzt hätte).

Es ist ein systemisches Problem.

Je mehr Zertifikate verkauft werden, desto mehr verdienen die Beteiligten

Obwohl der freiwillige Zertifikatemarkt mittlerweile über 1,8 Milliarden Franken wert ist, gibt es keine unabhängige Kontrollinstanz, die den Zertifikateverkäufern auf die Finger schaut. Wie beispielsweise die Finma den Banken, Börsen und Versicherungen. 

Im Gegenteil: Jene, die darüber entscheiden, ob aus einem Klimaschutzprojekt Zertifikate verkauft werden dürfen, sind gleichzeitig jene, die die Kriterien dafür aufstellen. Und je mehr Zertifikate verkauft werden, desto mehr verdienen sie daran.

Das Waldschutzprojekt Kariba in Zimbabwe wurde 2011 lanciert und gilt als Prestigeprojekt von South Pole.

Die noch junge Branche muss dringend über die Bücher und mehr Transparenz schaffen.

Denn diese aufgeblähten Prognosen über Emissionseinsparungen führen auch dazu, dass zahlreiche wichtige Klimaschutzprojekte an Glaubwürdigkeit verlieren. Dass der Wald in Zimbabwe nun doch viel weniger CO₂-Einsparpotenzial hat – weil aus diversen Gründen weniger gerodet wird – ist nämlich ein gutes Zeichen.

Vor allem aber verspielen sich die Player im Markt das Vertrauen der Firmen und letztlich der Konsumentinnen. Denn der Wille, CO₂ zu kompensieren, ist da.

Das zeigt nur schon der Umstand, dass beim grössten Schweizer Onlinehändler Digitec Galaxus jede achte Bestellung mit einem Extrabatzen klimakompensiert wird. Sogar der Milchschäumer.