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Zürcher Firma South Pole
«Teure Projekte, die als undurchführbar galten, sind nun plötzlich stark gefragt»

Renat Heuberger, Chef des Zürcher Unternehmens South Pole.
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Geplant für das Telefongespräch war eine halbe Stunde. Am Schluss dauerte es mehr als zwei Stunden, und Marc Benioff und Renat Heuberger wurden sich einig, einen in dieser Form einmaligen Marktplatz für Klimaschutzprojekte auf die Beine zu stellen. Die ersten neunzig Projekte mit einem Investitionsvolumen von rund einer Milliarde Dollar werden in diesem Monat für US-Firmen angeboten.

Das Projekt des milliardenschweren US-Softwarekonzerns Salesforce und von South Pole, einem führenden Anbieter von Klimaschutzprojekten mit Sitz in Zürich, richtet sich in einem ersten Schritt an Unternehmen, die bis spätestens 2050 klimaneutral werden wollen. Weltweit haben sich bereits mehr als tausend Firmen dazu verpflichtet, ihre klimaschädlichen Emissionen zu eliminieren. 

Das Problem ist jedoch, dass viele Unternehmen Mühe haben, ihren Schadstoffausstoss ausreichend zu verringern. Andererseits gibt es Unternehmen, darunter Salesforce, die ihr Netto-null-Ziel bereits erreicht haben, aber aus gesellschaftlichen Gründen mehr für den Klimaschutz tun wollen. Der Markt für diese «freiwilligen Emissionsreduktionen» sei noch wenig transparent, sagt Salesforce-Chef Benioff. «Viele Unternehmen wissen nicht, wie der Markt funktioniert, oder misstrauen der Sache.»

Der Verdacht des «Ablasshandels» sei fehl am Platz, betont South-Pole-Chef Heuberger. «Es handelt sich ausschliesslich um freiwillige Projekte, die zusätzlich und nicht anstelle von Emissionsreduktionen stattfinden. Wenn ein Unternehmen meint, den Marktplatz fürs Greenwashing missbrauchen zu können, fliegt es raus.»

Das grosse Umdenken nach Covid

Die Nachfrage nach Emissionszertifikaten ist nach einer langen Phase der Stagnation explosiv gewachsen. Die Beratungsfirma McKinsey schätzt, dass der Markt für CO₂-Zertifikate von derzeit unter zehn auf über fünfzig Milliarden Dollar im Jahr 2030 zunehmen wird.

Nach Ansicht von Benioff hat die Pandemie zu einem Umdenken in der Wirtschaft geführt. «Covid hat ein Massentrauma ausgelöst. Viele Firmen wollen sich neu ausrichten und orientieren. Der Klimawandel ist zu einem Hauptthema geworden», sagte er kürzlich an einer Konferenz.

«Wir erleben seit dem vergangenen Herbst eine totale Veränderung in der Nachfrage. Teure Projekte, die als undurchführbar galten, sind nun plötzlich stark gefragt.»

Renat Heuberger, Chef von South Pole

South Pole ist nach Angaben von Heuberger der grösste Anbieter von Klimaschutzprojekten. Die langjährige Erfahrung dürfte der Grund gewesen sein, weshalb Benioff das Zürcher Unternehmen mit mehr als fünfzig der neunzig ersten Projekte auf seinem neuen Marktplatz beauftragt hat. Benioff entschied auch, sich mit rund zehn Prozent an South Pole zu beteiligen und einen Verwaltungsratssitz mit der Salesforce-Topmanagerin Suzanne DiBianca zu besetzen.

South Pole ist das erste Unternehmen mit einem Marktwert von mehr als einer Milliarde Dollar in einem Markt, der sich in den vergangenen Monaten rasant verändert hat. Wie Benioff glaubt auch Heuberger, dass die Pandemie Unternehmen zu einem längerfristigen Denken gezwungen hat. «Wir erleben seit dem vergangenen Herbst eine totale Veränderung in der Nachfrage. Teure Projekte, die als undurchführbar galten, sind nun plötzlich stark gefragt.»

Aus unfruchtbarer Savanne soll wertvolles Landwirtschaftsland werden

Es sind diese Vorhaben, die Jahrzehnte in Anspruch nehmen werden und keine schnellen Resultate bringen. Beispiel Südafrika: Hier soll früheres Weideland, das durch die europäischen Besiedler übernutzt und zu unfruchtbarer Savanne gemacht wurde, wieder bepflanzt und längerfristig zu wertvollem Agrarland gemacht werden. Unternehmen seien froh, sich mit einem Projekt wie in Südafrika am Klimaschutz beteiligen zu können, sagt Heuberger.

Ganz uneigennützig tun sie das nicht. Mehr und mehr wollen Mitarbeitende, Kunden, Aktionäre und auch Aufsichtsbehörden wissen, ob, wie und wie stark sich ein Unternehmen im Klimaschutz engagiert. «Ohne eine langfristige Klimastrategie hat ein Unternehmen heute einen klaren Nachteil auf dem Arbeitsmarkt», sagt Heuberger. «Es hat mehr Mühe, gute Leute zu finden und zu behalten.»

Die hohe Nachfrage schlägt sich auf die Preise nieder. Klimazertifikate dümpelten wegen der geringen Nachfrage lange Jahre bei wenigen Dollar pro Tonne CO₂. Der Tiefpunkt war 2019 mit drei Dollar erreicht. Gemäss dem Marktforschungsinstitut IHS ist der Preis im Schnitt inzwischen weltweit auf gut dreissig Dollar gestiegen. «Alle günstigen Kredite sind nun aufgebraucht», sagt Heuberger. «Deshalb wird der Preis weiter steigen. Das erlaubt uns, teure und technisch aufwendige Projekte an die Hand zu nehmen.»

Die Amerikaner bringen Tempo in die Klimaschutzprojekte

South Pole beschäftigt mehr als 1100 Mitarbeitende in fünfzig Ländern und expandiert weiter mit Filialen in Kenia, Brasilien, Japan und Kanada. Das 2006 gegründete Unternehmen ist nach eigenen Angaben seit zehn Jahren profitabel und investiert die Gewinne vollständig in das Wachstum des Geschäfts.

Benioff und Heuberger sagen, der Klimaschutz sei zu lange politisiert worden. Das sei ein Grund, weshalb Benioff sich mit 100 Millionen Dollar am Projekt zur Anpflanzung von weltweit einer Milliarde Bäumen beteiligt habe. «Bäume sind politisch nicht umstritten. Jedermann kann sich damit anfreunden», sagt er.

Eigentlich wäre der Netto-null-Marktplatz schon vor zwanzig Jahren möglich gewesen, meint Renat Heuberger. Doch erst jetzt sei mit Salesforce viel Zug in das Vorhaben gekommen. «Wir Europäer loben uns gern, in Sachen Klimaschutz einen Vorsprung zu haben. Doch wenn es darum geht, die grossen Brötchen zu backen, gehen die Amerikaner voran.»