Kampf um PressefreiheitDie Briten kennen keine Gnade für Julian Assange
Der Wikileaks-Gründer hat Berufung gegen den Auslieferungsentscheid der britischen Regierung eingelegt. Doch eine Auslieferung an die USA rückt näher.
Heftige Proteste hat am Freitag in Grossbritannien die Entscheidung der britischen Regierung ausgelöst, den Wikileaks-Gründer Julian Assange an die USA auszuliefern, wo er wegen Spionage vor Gericht gestellt werden soll. Doch Innenministerin Priti Patel, die die Bewilligung der Auslieferung unterzeichnet hatte, betonte, dass die britische Justiz bis hinauf zum obersten Gericht keine Einwände gegen den Abtransport Assanges geltend gemacht habe. Die Gerichte seien «nicht zum Schluss gekommen, dass diese Auslieferung unvereinbar wäre mit seinen Menschenrechten». In den USA erwarten Assange 17 Anklagen wegen angeblicher Spionage. Seine Anwälte befürchten, dass ihm 175 Jahre Haft drohen, falls er verurteilt wird.
Zunächst einmal hat der 50-jährige Australier nun vierzehn Tage Zeit, um Berufung gegen den Patel-Beschluss einzulegen. Das werde unmittelbar geschehen, hat sein Team erklärt. Danach dürfte es zu einem erneuten langwierigen Rechtsstreit in London kommen, der sich nach Ansicht von Experten bis in den Herbst hinziehen kann. Der ministerielle Bescheid bringt Assange aber seiner Auslieferung, gegen die er sich seit Jahren verzweifelt wehrt, einen erheblichen Schritt näher. Die Optionen des Wikileaks-Begründers verringern sich, auch wenn einer seiner Sprecher trotzig erklärte, dies sei «noch nicht das Ende des Kampfes». In Wirklichkeit sei es «nur der Anfang einer neuen Schlacht».
Amnesty International nannte die Spionageanklage «eine ernste Menschenrechtsverletzung».
Von den USA wird Assange beschuldigt, in den Jahren 2010 und 2011 mit der Veröffentlichung von Geheimdokumenten insbesondere zur amerikanischen Kriegsführung in Afghanistan und im Irak die nationale Sicherheit der USA gefährdet zu haben. Die betreffenden Dokumente hatte Wikileaks damals, mit weltweiter Resonanz, ins Netz gestellt. Angeblich handelte sich dabei um 90’000 Berichte über den Krieg in Afghanistan, 400’000 über den im Irak, 800’000 über Guantánamo-Gefangene sowie um zahlreiche Videos und vertrauliche Depeschen von US-Diplomaten aus aller Welt.
Die Wikileaks-Leute um Assange argumentierten stets, sie hätten im öffentlichen Interesse gehandelt und unter anderem auch zahlreiche Kriegsverbrechen ans Tageslicht befördert, von denen niemand gewusst habe, weil Washington sie geheim zu halten versucht habe. Assanges Anwälte bestehen darauf, eine Auslieferung ihres Mandanten würde «einen Präzedenzfall schaffen für eine Kriminalisierung von Aktivitäten, die für alle Aufklärungsarbeit von Journalisten von entscheidender Bedeutung sind». Auch die Europaratskommission für Menschenrechte sprach von der Gefahr einer «Abschreckungswirkung in Sachen Medienfreiheit» durch die US-Initiative. Amnesty International nannte die Spionageanklage gegen Assange in den USA «eine ernste Menschenrechtsverletzung» und «eine schwere Bedrohung der Pressefreiheit» weltweit.
«Eine absolute Schande»
Bedenken äusserte auch ein Londoner Magistratsgericht, das die Auslieferung zeitweise blockierte. Doch im April hatte der High Court grünes Licht gegeben für die Auslieferung – vorausgesetzt, dass Ministerin Patel das Auslieferungsdokument unterschreiben würde, was sie nun getan hat. In ihrem Bescheid unterstrich Patel, dass Assange in den USA «auf angemessene Weise behandelt» würde, «auch in Bezug auf seine Gesundheit» und auf seine Verfassung generell. Dennoch erntete Patel heftige Kritik. «Eine absolute Schande» nannte die Grünen-Abgeordnete Caroline Lucas die Anweisung zur Auslieferung.
Der konservative Ex-Minister David Davis sagte, er glaube «leider nicht», dass Assange mit einem fairen Prozess rechnen könne in den Vereinigten Staaten. Es sei Zeit, die britischen Auslieferungsgesetze zu ändern. Stella Morris, Assanges Ehefrau, die auch zu seinem Anwaltsteam gehört, klagte, ihr Mann sei «ein politischer Gefangener». Die britische Innenministerin sende Julian Assange «in ein Land, das schon Pläne schmiedete, ihn zu ermorden». Assange habe kein Verbrechen begangen, sagte Morris. Er sei «ein Journalist und ein Publizist, der dafür bestraft wird, dass er seinen Job getan hat».
Fehler gefunden?Jetzt melden.