Neues Gerichtsurteil Jetzt muss die Johnson-Regierung über Assange entscheiden
Ein Gericht erlaubt die Auslieferung des Wikileaks-Gründers Julian Assange an die USA durch London. Liefert Innenministerin Priti Patel den Enthüllungs-Journalisten jetzt an Washington aus?
Mit einem erneuten Gerichtsbescheid ist die Auslieferung des Wikileaks-Gründers Julian Assange an die USA am Mittwoch einen entscheidenden Schritt nähergerückt in London. Das Magistrats-Gericht von Westminster gab in aller Form grünes Licht für Assanges Überstellung nach Washington – so Grossbritanniens Innenministerin Priti Patel die Auslieferung bewilligt und unterschreibt.
Um Assanges Schicksal war in den letzten beiden Jahren hart gerungen worden. Ursprünglich hatte eine Richterin die Auslieferung, unter Verweis auf die Haftverhältnisse in den USA und auf Selbstmord-Neigungen Assanges, blockiert. Der High Court hatte dieses Urteil aber im vorigen Dezember aufgehoben, nachdem er von der US-Verwaltung «Zusicherungen» über die Behandlung Assanges erhalten hatte. Und der von Assange angerufene Supreme Court, das oberste britische Gericht, hatte ihm ein generelles Berufungsverfahren verwehrt. Nun befürchtet der 50-Jährige, dass ihm wegen angeblicher Spionage in den Vereinigten Staaten 175 Jahre Haft drohen.
Geheimdokumente veröffentlicht
Assange wird von den USA beschuldigt, in den Jahren 2010 und 2011 mit der Veröffentlichung «einer riesigen Menge an Geheimdokumenten» zur amerikanischen Kriegführung in Afghanistan und im Irak die nationale Sicherheit der USA gefährdet zu haben. Assange und seine Wikileaks-Mitstreiter bestehen wiederum darauf, dass sie verpflichtet waren, das Material an die Öffentlichkeit zu geben – um «amerikanische Kriegsverbrechen» aufzudecken, die Washington geheim halten wollte. Bürgerrechtsverbände und linke und liberale Medien hatten sich dieser Einschätzung angeschlossen. Amnesty International nannte die Spionage-Anklage gegen Assange «eine ernste Menschenrechtsverletzung», aber auch «eine schwere Bedrohung der Pressefreiheit» weltweit.
Assange sitzt bereits seit drei Jahren im Hochsicherheits-Gefängnis Belmarsh in London – die letzten zwei Jahre nur, weil er sich verzweifelt stemmt gegen die Auslieferung an die USA, die auch Joe Bidens Administration unbeirrt verfolgt. Vor wenigen Wochen heiratete er hinter Gittern seine langjährige Partnerin Stella Moris, die Mutter seiner zwei jüngsten Kinder, die hernach erklärte: «Was wir hier durchmachen, ist wirklich unmenschlich.» Moris hatte wiederholt geklagt über «die schlechte seelische Verfassung» des Enthüllungs-Journalisten und gebürtigen Australiers. Der High Court und der Supreme Court sahen darin aber kein Problem.
Nachdem die Westminster-Richter den Auslieferungsbeschluss nun in aller Form bestätigt haben, muss dieser von Ministerin Patel abgezeichnet werden. Patel zählt zur Tory-Rechten und zu den ausgesprochenen Law-and-Order-Politikern der Partei. Von ihr wird kaum erwartet, dass sie ein Auslieferungsbegehren der USA ablehnt. In früheren Jahren war sie noch für die Wiedereinführung der Todesstrafe eingetreten im Vereinigten Königreich.
Einspruch noch möglich
Assanges Anwälten bleiben nun nur noch wenige letzte Manöver. Sie können gegen den Magistratsbeschluss und gegen das kommende Urteil Patels Einspruch einlegen und möglicherweise weitere Verfahren beantragen, weil sich ihrer Ansicht nach «neue Entwicklungen» ergeben haben an der juristischen Front. Julian Assange habe jedenfalls «absolut nichts anderes getan, als der Welt die Wahrheit zu sagen», erklärte gestern vor dem Gerichtsgebäude in Westminster der frühere Labour-Vorsitzende und Oppositionsführer Jeremy Corbyn. «Wir setzen uns weiter für ihn ein.»
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