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Meinung

Kommentar zur Einbürgerungsfrage
Der Nationalrat hat eine Chance vertan – gleich viermal 

SVP-Nationalrätin Therese Schläpfer verteidigte das geltende Regime im Rat damit, dass wegen einer einzigen falschen Antwort im Einbürgerungstest niemand durchfalle.
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1877 wurde in der Schweiz die Kinderarbeit verboten. Wissen Sie, wie es dazu kam? Oder welche Versicherung 1948 eingeführt wurde?

Wer sich in der Schweiz einbürgern lassen will, muss solches wissen. Muss Tests bestehen – und zwar auch dann, wenn er oder sie hier zur Schule gegangen ist. Muss sich der Willkür von Gemeindeversammlungen ausliefern. Muss mindestens zehn Jahre in der Schweiz gewohnt haben, je nach Kanton sogar fünf Jahre in derselben Gemeinde. (Und jetzt Sie: Würden Sie den Einbürgerungstest bestehen?)

Die Schweiz gehört bei der Einbürgerung zu den restriktivsten Ländern Europas. Das führt dazu, dass ein Viertel der Bevölkerung kein Mitspracherecht hat. 433’000 Menschen sind in der Schweiz geboren und trotzdem Ausländerinnen und Ausländer. Weitere 600’000 leben seit über 15 Jahren hier.

Die Initiative gehe zu weit, hiess es sogleich, viel zu weit.

Vor kurzem startete die Unterschriftensammlung für eine neue Einbürgerungsinitiative. Die Forderung: Ausländerinnen und Ausländer sollen nach fünf Jahren in der Schweiz einen Rechtsanspruch auf das Schweizer Bürgerrecht haben.

Die Initiative gehe zu weit, hiess es sogleich, viel zu weit. Am Mittwoch hatte der Nationalrat nun die Chance, moderate Änderungen in die Wege zu leiten. Doch er hat diese Chance vertan: Vier Vorstösse der Grünliberalen lagen ihm vor, viermal sagte er Nein. (Zum Ticker, Meldung von Mittwoch, 12.48 Uhr.)

Die GLP ist mit ihren Vorschlägen zur Einbürgerung gescheitert. Im Bild die Nationalrätinnen Corina Gredig und Tiana Angelina Moser. 

GLP-Nationalrätin Corina Gredig forderte, dass Personen, die mindestens fünf Jahre in der Schweiz zur Schule gegangen sind, ohne Prüfung eingebürgert werden. Die Schule sei «Schweizermacherin», argumentierte sie. Der Nationalrat glaubt offenbar nicht daran.

GLP-Nationalrätin Katja Christ setzte sich dafür ein, dass Einbürgerungswillige nicht länger vor Gemeindeversammlungen schaulaufen müssen. Vergeblich. Nein sagte der Nationalrat auch dazu, dass Einbürgerungswillige bereits nach sieben Jahren ein Gesuch stellen können und dass die Kantone höchstens drei Jahre Mindestaufenthalt in derselben Gemeinde fordern dürfen.

Wie besonders ist es, Schweizer zu sein?

Zugestimmt haben jeweils nur GLP, SP und Grüne. Aus der Mitte-Fraktion gab es vereinzelte Ja-Stimmen, von EVP-Mitgliedern und dem ehemaligen BDP-Präsidenten Martin Landolt. Die FDP – die Partei mit dem Wort «liberal» im Namen – lehnte geschlossen alles ab. Die SVP ebenfalls, mit der – eher überraschenden – Ausnahme von Andreas Glarner. Er findet, der Umzug in eine andere Gemeinde sollte möglich sein, ohne dass die Wartefrist von vorne beginnt.

Es ist offensichtlich: Die bürgerliche Mehrheit im Parlament will keinerlei Erleichterungen bei der Einbürgerung. Alles soll bleiben, wie es ist. Den roten Pass sollen Ausländerinnen und Ausländer sich hart verdienen müssen. Und ein grosser Teil der Bevölkerung soll von der demokratischen Mitbestimmung ausgeschlossen bleiben. 

Über die Gründe kann man nur spekulieren. SVP-Nationalrätin Therese Schläpfer verteidigte das geltende Regime im Rat damit, dass wegen einer einzigen falschen Antwort im Einbürgerungstest – etwa zum Skifahren oder Schwingen – niemand durchfalle.

Das mag sein. Trotzdem bleibt der Verdacht, dass das Parlament sich statt von rationalen Überlegungen von einem diffusen Gefühl leiten lässt, es sei etwas ganz Besonderes, Schweizerin oder Schweizer zu sein – obwohl die meisten von uns nicht das Geringste dafür tun mussten. Vielleicht gibt das Parlament auch dem Bedürfnis nach, Menschen in Gruppen einzuteilen: wir und die anderen. Dann aber sollten wir uns nicht wundern, wenn sich die anderen nicht zugehörig fühlen.