Drei Szenarien für BrienzDer Berg kommt – nur wie?
Felsstürze, Schuttstrom, Bergsturz: Simulationen zeigen, wie weit die Sturzmassen jeweils reichen und ob Brienz oder gar die Albula verschüttet werden.
Wird das Bergdorf überleben? Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, wie der Berg herunterkommt. Eine instabile Insel aus zerrüttetem Gestein bewegt sich zunehmend losgelöst von der grösseren Basisrutschung des Bergs immer schneller ins Tal. Sie umfasst ein Volumen von rund 1,9 Millionen Kubikmeter – das ist etwas weniger als das Volumen der Cheopspyramide, die 2,6 Millionen Kubikmeter umfasst.
Drei Optionen für die Talfahrt der Insel stehen im Raum: Sie könnte in Form mehrerer Felsstürze herunterkommen, als eher gemächlicher Schuttstrom oder als gewaltiger Bergsturz.
Geologen haben anhand sogenannter Auslaufmodellierungen abgeschätzt, wie weit sich die abgehende Masse der Insel beim jeweiligen Szenario ins Tal ausbreiten könnte – und ob das Dorf Brienz, die Bahnlinie im Tal, die Kantonsstrasse oder sogar der Fluss Albula getroffen werden könnten. Ein Aufstauen des Flusses hätte unabsehbare Folgen.
Am wahrscheinlichsten ist gemäss den Berechnungen der Geologen mit circa 60 Prozent das Szenario Felssturz. Dabei kommt es aus der sich abwärtsbewegenden Insel wiederholt zu mehreren Felsstürzen mit Volumen von 1000 bis zu mehreren 100’000 Kubikmetern Material. Die Sturzmassen erreichen dabei generell geringe bis mittlere Reichweiten. Das Dorf Brienz kann, muss aber nicht betroffen sein.
Ein eher harmlos klingendes, aber möglicherweise verheerendes Szenario ist der Abgang der Insel als Schuttstrom. Dabei rutscht die Insel grösstenteils oder insgesamt ins Tal. Obwohl ein Schuttstrom nur mit einem gemächlichen Tempo von wenigen Metern pro Tag oder Woche ins Tal schleicht, kann er im Vergleich zu Felsstürzen eine grosse Zerstörungskraft entfalten – einfach wegen seiner grossen Masse.
Gemäss den Simulationen wird das Dorf Brienz von einem Schuttstrom, bestehend aus der ganzen Insel, mit einer Wahrscheinlichkeit von rund 30 bis 90 Prozent erreicht. Selbst der Fluss Albula könnte von der zäh fliessenden Masse mit einer, wenn auch kleinen, Wahrscheinlichkeit von rund 3 Prozent zugeschüttet werden.
Mit 10 Prozent am wenigsten wahrscheinlich, aber mindestens ebenso zerstörerisch wäre ein schlagartiger Bergsturz der gesamten Insel. Dabei können die Sturzmassen Geschwindigkeiten von mehr als 200 Kilometer pro Stunde erreichen und bis weit ins Tal hinunterrauschen. Brienz wird von einem Bergsturz der gesamten Insel mit rund 60 bis 90 Prozent Wahrscheinlichkeit erreicht, die Albula mit rund 20 Prozent Wahrscheinlichkeit.
Für welche Variante sich der Berg «entscheidet» und welche Massen sich tatsächlich ins Tal bewegen, werden die kommenden Tage, Wochen oder Monate zeigen.
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