Gastbeitrag zur PensionskassenreformDas leere Rentenversprechen an Maria (55)
Im Abstimmungskampf um ein höheres Frauenrentenalter hatten die Bürgerlichen den Frauen versprochen, ihre Renten zu verbessern. Nun zeigt sich: Die Vorlage führt zu tieferen Renten und weniger Einkommen.
Maria ist 55 Jahre alt. Sie hat drei Kinder grossgezogen, arbeitet im Pflegeheim und betreut regelmässig das Enkelkind. Sie lebt heute schon von wenig Geld. In zehn Jahren, wenn sie in Rente geht, wird es noch weniger sein. Maria ist nicht allein. Es gibt Hunderttausende Frauen wie sie in der Schweiz. Frauen müssen im Schnitt mit einem Drittel tieferen Renten auskommen als die Männer.
Im Abstimmungskampf um ein höheres Frauenrentenalter haben die Bürgerlichen Maria und allen Frauen versprochen: «Wir sorgen dafür, dass ihr eine bessere Rente bekommt.» Was das bürgerliche Wort wert war, sahen wir bei der Beratung der Pensionskassenreform im Ständerat: nichts.
Statt höherer Renten gibt es höhere Lohnabzüge und weniger Geld im Alter. Erstens soll der Umwandlungssatz gesenkt werden. Dieser bestimmt, wie viel Prozent des Altersguthabens jährlich als Rente ausbezahlt wird. Die geplante Senkung führt zu einer Rentensenkung um 12 Prozent. Für die ersten fünfzehn Jahrgänge ist immerhin ein Rentenzuschlag vorgesehen. Der ist aber so knausrig, dass die Hälfte gar nichts bekommt. Alle, die jünger sind, gehen ebenfalls leer aus.
Das Chaos bei der Pensionskassenreform offenbart ein grundlegendes Problem. Die Renten sind seit zehn Jahren im Sinkflug.
Zweitens soll der Koordinationsabzug gesenkt werden. Dieser bestimmt, welcher Teil des Lohns nicht pensionskassenpflichtig ist. Ein tieferer Koordinationsabzug bedeutet, dass ein grösserer Teil des Lohns versichert ist. Das führt später zu einer höheren Rente. Er führt aber auch zu höheren Lohnabzügen und dementsprechend weniger Einkommen. Das ist vor allem für Menschen mit tiefen Löhnen ein Problem.
Umso unverständlicher ist es, dass die Frauenorganisation Alliance F in einem gesenkten Koordinationsabzug die Lösung für bessere Frauenrenten sieht. Das mag für eine junge Akademikerin attraktiv sein, die vorübergehend Teilzeit arbeitet. Doch die 55-jährige Maria hat nichts davon. Sie hat im Vergleich zu heute weniger Lohn für eine mickrige Rentenerhöhung.
Das Chaos bei der Pensionskassenreform offenbart ein grundlegendes Problem. Die Renten sind seit zehn Jahren im Sinkflug. Im Gegensatz dazu stehen hohe Gewinne für Banken und Versicherungen. Die Verwaltung der Pensionskassengelder ist für sie ein lukratives Geschäft. Dass die bürgerliche Mehrheit nichts gegen die Selbstbedienungsmentalität der Finanzindustrie unternimmt, erstaunt nicht. Denn dieselben, die für gute Renten sorgen sollten, sitzen in Verwaltungsräten von Pensionskassen, Banken und Versicherungen und kassieren ab.
Die vorliegende Pensionskassenreform kostet die Erwerbstätigen jährlich drei Milliarden Franken.
Für bessere Renten müssen wir die AHV stärken. Sie bringt keine Gewinne für Banken, sondern Renten für alle. Nur die AHV berücksichtigt unbezahlte Betreuungs- und Pflegearbeit. Sie ist für 92 Prozent der Erwerbstätigen die beste Altersvorsorge: Wegen der solidarischen Finanzierung zahlen sie weniger ein, als sie ausbezahlt bekommen.
Die vorliegende Pensionskassenreform kostet die Erwerbstätigen jährlich drei Milliarden Franken. Mit diesem Geld liesse sich nahezu eine 13. AHV-Rente finanzieren, wie es eine Initiative fordert.
Maria und ihre Freundinnen haben es verdient, ernst genommen zu werden von der Politik. Nach einem Leben voller Arbeit und Fürsorge für andere haben sie es verdient, mit einer anständigen Rente und in Würde alt werden zu können.
* Mattea Meyer ist Co-Präsidentin der SP Schweiz und Zürcher Nationalrätin.
Fehler gefunden?Jetzt melden.