Verdacht der AbzockeDarf eine 60-minütige Massage nur 40 Minuten dauern?
Ein Leser ärgert sich darüber, dass er bei sieben verschiedenen Anbietern nicht wie gebucht eine ganze Stunde massiert wurde. Der Geschäftsführer des Schweizerischen Verbands der Berufsmasseure sagt, was in der Praxis üblich ist.
Nach dem Tod seines langjährigen Masseurs buchte ein Leser nacheinander bei sieben verschiedenen Anbietern eine klassische Sportmassage über 60 Minuten für 120 Franken. Dabei wurden für das Vorgespräch und das Umziehen jeweils rund 10 Minuten abgezogen. Er sei vorgängig nicht darüber informiert worden, dass die Massage nicht 60, sondern nur 40 Minuten dauere. «Anscheinend ist das eine allgemein branchenübliche Abzocke», schreibt der Leser verärgert.
Gewiss ist dies nicht eine «branchenübliche Abzocke». Allein schon der frühere Masseur beweist, dass es auch anders geht. Doch die Frage, welche Leistung der Preis für eine Massage beinhalten sollte, ist durchaus berechtigt. Es gibt allerdings keine eindeutigen Richtlinien, die festlegen, wie viel Zeit für das Umkleiden, das Vorgespräch und die Massage verwendet werden sollten.
Eine Orientierungshilfe sind Erfahrungswerte eines Branchenkenners. Und selbst hier gibt es Interpretationsspielraum: «Wofür wie viel Zeit aufgewendet wird, liegt immer im Ermessen des Masseurs oder der Masseurin», sagt Rémy De Tomasi, Geschäftsführer des Schweizerischen Verbands der Berufsmasseure.
«Werden fürs Umkleiden zehn Minuten angerechnet, so ist das extrem viel Zeit.»
Wenn jedoch fürs Umkleiden zehn Minuten angerechnet werden, so ist das nach Einschätzung von De Tomasi «extrem viel Zeit». Üblich seien ein bis zwei Minuten. Entschuldbar wäre dies, wenn die Kundin oder der Kunde von sich aus derart viel Zeit beansprucht. Nicht akzeptiert werden muss aber, wenn der Masseur sich zurückzieht und erst nach zehn Minuten wieder erscheint.
Warum es zu Beginn ein Vorgespräch braucht
Für das Vorgespräch nennt De Tomasi hingegen nachvollziehbare Gründe: «Die Anamnese ist allein schon aus Sicherheitsgründen wichtig.» So muss der Masseur vorab nicht nur wissen, was die Kundschaft wünscht, sondern auch, ob Beschwerden vorliegen. Wenn er beispielsweise nichts von Bandscheibenproblemen am Rücken weiss, könnte es bei der Behandlung zu einer Verletzung kommen.
Hinzu kommt, dass der Therapieverlauf aus Haftpflichtgründen dokumentiert werden muss. Aus diesen Gründen hält De Tomasi bei neuen Kundinnen und Kunden ein zehnminütiges Vorgespräch für angemessen.
Doch das gilt nur für die ersten Sitzungen. «Wenn sich beide Parteien kennen gelernt haben, braucht es oft nur noch wenige Worte bis zum Beginn der Massage», sagt De Tomasi. Auf jeden Fall sollte der Masseur offen dafür sein, das Vorgespräch zugunsten der Massage zu verkürzen.
Wer für 60 Minuten bezahlt, sollte also zumindest nach mehreren Sitzungen auch eine nahezu 60-minütige Massage erhalten. Wenn dies – wie offenbar im vorliegenden Fall – nicht möglich ist, empfiehlt sich ein Wechsel.
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