Kontrolle durch Hochsee-LogistikWie ein neuer Hafen Chinas globalen Einfluss stärkt
Mehr Kontrolle über Lieferketten geht nicht: Chinas Hafennetz umfasst über 110 Häfen in 67 Ländern. Nun hat Peking den jüngsten Baustein seiner «Seidenstrassen»-Initiative gesetzt.
![China's President Xi Jinping (L) and Peru's President Dina Boluarte applaud during the virtual inauguration ceremony of the Chancay "megaport" in the small town of Chancay, 78 kilometers north of the Peruvian capital, at the government palace in Lima on November 14, 2024, on the sidelines of the Asia-Pacific Economic Cooperation (APEC) Summit. (Photo by ERNESTO BENAVIDES / AFP)](https://cdn.unitycms.io/images/F4YdkO7V44CAPoV31LKIy7.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=-8cIdnBExuo)
- Der neue Hafen Chancay in Peru wird von Chinas Staatsreederei Cosco kontrolliert.
- Chinas Netz umfasst laut der Denkfabrik Merics über 110 Häfen in 67 Ländern.
- China fokussiert zunehmend auf Technologien statt traditioneller Infrastrukturprojekte.
- Peru änderte seine Gesetze, um Coscos Investition trotz Widerstand zu sichern.
Was noch vor wenigen Jahren ein verschlafenes Fischerstädtchen an der Pazifikküste war, hat sich nun zu einem Zankapfel im vermeintlichen Hinterhof der USA entwickelt: Vergangenen Freitag hat der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping zusammen mit Perus Präsidentin Dina Boluarte den Tiefseehafen von Chancay eingeweiht – per Videoschaltung.
Der Hafen von Chancay wird von der chinesischen Staatsreederei Cosco kontrolliert. Er soll einmal die grössten Containerschiffe der Welt aufnehmen und die Reisezeit zwischen China und Lateinamerika um mehr als ein Viertel verkürzen.
Chancay ist ein Baustein in Xis «Seidenstrassen»-Initiative, mit der er globale Handelsrouten kontrollieren und Chinas Zugriff auf strategische Rohstoffe ausbauen will. Die US-Regierung übt schon seit Jahren Druck auf andere Staaten aus, um den wachsenden Einfluss des Rivalen zurückzudrängen.
![241115 -- CHANCAY, Nov. 15, 2024 -- This photo taken on Nov. 14, 2024 shows a view of Chancay Port in Peru. The inauguration ceremony of Chancay Port was held on Nov. 14 local time. Chancay Port is not only an important project under Belt and Road cooperation, but also the first smart and green port in South America. The first phase of the project, when completed, will reduce the sea shipping time from Peru to China to 23 days, thus cutting logistics costs by at least 20 percent. PERU-CHINA-CHANCAY PORT-INAUGURATION LixMengxin PUBLICATIONxNOTxINxCHN](https://cdn.unitycms.io/images/1r6KIuMl4hO89UoP7veWHx.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=niZVNZpibKI)
Dabei kann Washington es insbesondere nicht leiden, wenn sich andere Grossmächte in Lateinamerika einmischen, das die Amerikaner mittels der sogenannten Monroe-Doktrin seit 200 Jahren als eigenes Einflussgebiet definieren. US-Militärs warnen, dass Chancay zu einem Brückenkopf für das chinesische Militär werden könnte.
Und ein Berater des künftigen US-Präsidenten Donald Trump forderte der Nachrichtenagentur Bloomberg gegenüber, dass die vorgeschlagenen Strafzölle von 60 Prozent auf Importe aus China auch auf Importe über Chancay gelten sollten. Sonst könnten chinesische Konzerne auf diesem Umweg die Zölle umgehen.
Nicht nur in Amerika, auch in Europa sorgt Pekings Hafen-Offensive seit Jahren für Dispute. In Deutschland zum Beispiel sind die Erinnerungen an die Debatte um die Beteiligung Coscos an einem Containerterminal des Hamburger Hafens noch frisch. Am Ende sprach Bundeskanzler Olaf Scholz ein Machtwort und erlaubte den Einstieg des wichtigsten Handelspartners, wenn auch in reduzierter Form.
Auf den ersten Blick habe China in jüngerer Vergangenheit bei Häfen insgesamt «mehr Rückschläge als Fortschritte» erlebt, wie die Ökonomen Clark Banach und Jacob Gunter in einem kürzlich veröffentlichten Kommentar für die China-Denkfabrik Merics in Berlin festhielten.
Über 110 Häfen in 67 Ländern
So hätten chinesische Firmen etwa ihren Anteil an einem Hafen in Australien verkauft, sich aus dem Rennen um den Betreibervertrag für ein Terminal in Angola zurückgezogen und den Vertrag für einen Hafen in Saudiarabien nicht erneuert bekommen.
![A container is lifted by a crane backdropped by the construction of the Chinese-funded port, in Chancay, Peru, Tuesday, Oct. 29, 2024. (AP Photo/Guadalupe Pardo)](https://cdn.unitycms.io/images/7SbfXX92a-e9AEbaCbuDTM.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=-7mWpUbJNIU)
Dennoch spannt sich das chinesische Netz laut Merics immer noch über 110 Häfen in 67 Ländern. Die Merics-Analysten zählen dabei staatseigene Firmen wie Cosco, aber auch die Hongkonger Firma Hutchison Port Holdings, formal unabhängig, aber dennoch im Einflussbereich der Kommunistischen Partei. Die US-Denkfabrik Council on Foreign Relations zählt sogar 129 Projekte in 71 Ländern.
Dazu gehören in Europa neben dem 25-Prozent-Anteil an dem Hamburger Terminal auch Terminals in den wichtigsten Containerhäfen Antwerpen und Rotterdam sowie der gesamte Hafen von Piräus in Griechenland.
Auf dem amerikanischen Kontinent kontrollieren chinesische Firmen etwa Häfen und Terminals in Brasilien, Argentinien und Mexiko, aber auch eine Handvoll kleinerer Häfen in den USA.
Die Autoren erklären den teilweisen Rückzug Chinas mit einem Strategiewechsel: Investierten chinesische Staatsfirmen zu Beginn der «Seidenstrassen»-Initiative vor zehn Jahren noch Hunderte Milliarden Dollar im Ausland, müsse Peking angesichts wirtschaftlicher Probleme zu Hause nun stärker haushalten.
Statt neuer Häfen, Strassen und Schienen stünden nun eher 5G-Mobilfunknetze, Solaranlagen und Elektrofahrzeuge im Fokus, wo die chinesischen Firmen ihre Investitionen schneller wieder zurückverdienen können.
Rohstoffe aus chinesisch kontrollierten Minen
Wo chinesische Konzerne bereits Häfen kontrollieren, gehe es nun darum, sie stärker mit anderen strategischen Interessen zu verknüpfen. In Peru etwa haben chinesische Unternehmen in den vergangenen Jahren massiv in Bergbau investiert. Metallerze, insbesondere das für die Energiewende zentrale Kupfer, macht mehr als die Hälfte des Handels zwischen den Ländern aus.
![China's President Xi Jinping (L) and Peru's President Dina Boluarte attend the virtual inauguration ceremony of the Chancay "megaport" in the small town of Chancay, 78 kilometers north of the Peruvian capital, at the government palace in Lima on November 14, 2024, on the sidelines of the Asia-Pacific Economic Cooperation (APEC) Summit. (Photo by Hugo Curotto / AFP)](https://cdn.unitycms.io/images/CPp3cNz3qVZ8qGv3OvuNgC.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=vM-AEP3yDfA)
Diese Rohstoffe aus chinesisch kontrollierten Minen können nun über einen chinesisch kontrollierten Hafen mittels chinesischer Schiffe zur Weiterverarbeitung nach China gebracht werden, die fertigen Produkte auf dem gleichen Weg zurück. Mehr Kontrolle über Lieferketten geht nicht.
Dabei war von peruanischer Seite ursprünglich gar nicht gewollt, dass Cosco die volle Kontrolle über Chancay erhält. Die Hafenbehörde hatte im März noch versucht, dies zu verhindern, indem sie den Vertrag wegen eines «administrativen Fehlers» gerichtlich anfechten liess.
US-Regierung tobt wegen des Projekts in Peru
Doch nachdem Cosco mit Rückzug und Schadenersatzforderungen drohte, änderte Perus Regierung lieber schnell entsprechende Gesetze. Präsidentin Boluarte wollte nicht auf versprochene 8000 Jobs und 4,5 Milliarden Dollar wirtschaftlicher Umsätze verzichten, die durch den Hafen generiert werden sollen. Nun hat Cosco mindestens die nächsten 30 Jahre in Chancay das Sagen.
Während die US-Regierung wegen des Projekts tobt, weisen viele Analysten darauf hin, dass Peru jahrelang vergeblich nach Investoren suchte, bevor Cosco einschlug und bis zu 3,5 Milliarden Dollar in die Hand nahm. Wie schon in Griechenland während der Staatsschuldenkrise sprang China ein, während die westlichen Regierungen zusahen.
Dabei hat China mit seinem undurchsichtigen Geflecht an Staatskonzernen – laut Merics-Analyst Gunter mit einem «Kartell» vergleichbar – einen massiven Kostenvorteil. Während westliche Firmen die meisten Güter und Dienstleistungen zu Marktpreisen einkaufen müssen, könnten sich die von Peking kontrollierten Stahlwerke, Hafen-, Kran- und Fahrzeugbauer durch Staatsbanken billig finanzieren und das gesamte Projekt quasi aus einer Hand stemmen.
Zudem nimmt der Handel über von China kontrollierte Häfen zumindest kurzfristig häufig deutlich zu, wie eine Merics-Analyse aus dem vergangenen Jahr zeigt. Zu beobachten ist das etwa in Piräus. Die Autoren warnen jedoch, dass der Preis dafür eine stärkere Abhängigkeit von China ist, die sich im Konfliktfall als kritisch herausstellen könnte.
Dabei müsste Europa Chinas Hafenplänen nicht tatenlos zusehen. So haben mit MSC und Maersk die zwei grössten Reedereien und einige der grössten Hafenbetreiber der Welt ihren Sitz in Europa.
Mit der «Global Gateway»-Initiative hat die EU zudem seit drei Jahren ein Gegenstück zur chinesischen «Seidenstrasse», über das eigene Infrastruktur in Drittländern finanziert werden könnte. Doch bleibt dieses Potenzial Gunter zufolge oft aus Mangel an Geld und politischem Willen ungenutzt.
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