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Meinung

Leitartikel zu Chinas Seidenstrasse
Eine Strasse ins Nichts

Russian President Vladimir Putin, left, and Chinese President Xi Jinping pose for a photo during their meeting on the sidelines of the Belt and Road Forum in Beijing, China, on Tuesday, Oct. 17, 2023. (KEYSTONE/Sergey Savostyanov, Sputnik, Kremlin Pool Photo via AP)
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Ein «Jahrhundertprojekt» hatte Xi Jinping vor zehn Jahren bei einer Reise nach Kasachstan angekündigt: Mit seiner romantisch klingenden «Seidenstrasse» versprach der chinesische Präsident ein weltumspannendes Netz aus Handelsrouten und Wirtschaftskorridoren. Dabei war von Anfang an klar: Beim Lieblingsprojekt von Xi ging es um den massiven Ausbau von Einfluss in Asien, Europa und im Rest der Welt.

Um den Einfluss der USA und westlich geprägter Kreditinstitute einzudämmen, stellte der chinesische Staat viele Milliarden Dollar für Infrastrukturprojekte bereit, kaufte Häfen, investierte in Stromnetze, neue Strassen und Flughäfen. Nun feiert Peking den runden Geburtstag des Projekts. Doch die Bilanz ist mehr als durchwachsen.

Staaten von Kasachstan über Pakistan bis Ägypten haben Pekings Investitionen bereitwillig akzeptiert, auch weil China kaum umwelt- oder menschenrechtliche Bedingungen stellte. In manchen Ländern haben die Chinesen lange benötigte Infrastruktur gebaut. Es gibt Erfolgsprojekte und auch Dankbarkeit. Als der Westen während der Pandemie mit sich selbst beschäftigt war, schickte China unter dem Slogan «Gesundheitsseidenstrasse» medizinische Ausrüstung in Länder weltweit.

Doch vielerorts ist der Boom ausgeblieben. Die meisten Aufträge gingen an chinesische Firmen und Arbeiter, ein grosser Teil der Projekte ist kaum profitabel. Anstelle von Partnern ist chinesische Konkurrenz gekommen, es profitieren die Mächtigen im Land und in China selbst. Andere Länder können Chinas Mega-Kredite nicht mehr bedienen, Gründe dafür sind auch die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg, die ärmeren Staaten schwer zugesetzt haben.

Viele Chinesen fragen sich, warum Geld anderswo investiert wird, wenn zu Hause die Wirtschaft kollabiert.

Das Peking der Gegenwart will seine Empfängerstaaten vor allem gefügig machen.

Die gescheiterten Investitionen setzen das Regime inzwischen auch zu Hause unter Druck. Peking hat sich als Helfer in der Welt inszeniert. Doch viele Chinesen fragen sich, warum Geld für Menschen in fernen Ländern übrig ist, während die eigene Wirtschaft kollabiert. Peking hatte vielen Regionen im Zuge der Seidenstrasse grosse Wachstumsversprechen gemacht, die sich bisher kaum erfüllt haben.

Aussenpolitisch stand die Initiative von Anfang an für den Versuch, die globalen Machtansprüche Pekings voranzutreiben. China sprach von Kooperationen und Win-win. Über die historische Seidenstrasse wurden nicht nur Gewürze, sondern auch Ideen transportiert. Doch das Peking der Gegenwart will seine Empfängerstaaten vor allem gefügig machen.

An der heutigen Seidenstrasse zeigt sich, wie sehr sich Chinas aussenpolitischer Kurs im letzten Jahrzehnt verändert hat. 2013 hatten die Verbindungen zwischen China und Europa noch Priorität. Dort wetteiferten Städte darum, das Ende dieser besagten neuen «Strasse» zu sein. Übrig geblieben ist von der Euphorie nicht viel.

Dass der höchste EU-Vertreter bei der Konferenz der isolierte Viktor Orbán ist, zeigt Pekings Status in Europa.

Die grossspurigen Ankündigungen, die chaotische Durchführung, mangelnde Transparenz und die Versuche in Europa, mit Strassen und Zügen nicht zu verbinden, sondern zu spalten, haben der Initiative massiv geschadet. Chinas Image ist schlecht wie nie. Dass der höchste EU-Vertreter bei der Konferenz der isolierte Viktor Orbán ist, zeigt Pekings Status in Europa.

Und auch in anderen Teilen der Welt wachsen die Kosten dieses aggressiven Kurses: In Südostasien, wo China mit seiner maritimen Seidenstrasse auf engere Wirtschaftskooperationen abzielte, überschatten seine Ansprüche auf weite Teile des Südchinesischen Meers jeden Brückenbau. Peking schickt Kriegsschiffe, baut Inseln und neuerdings schwimmende Barrieren, um Fischerboote zu behindern. Immer wieder kommt es auch zu gefährlichen Provokationen in der Luft und zu Wasser, die Menschenleben und Frieden in Gefahr bringen.

Für den Traum einer chinesischen Weltordnung hat Xi seine Pläne in Eurasien geopfert, zu der auch die Ukraine als «Tor zu Europa» gehörte.

Die Seidenstrasse sollte Partnerschaften stärken. Doch nach zehn Jahren ist China abgeschottet, der wirtschaftliche und wissenschaftliche Austausch von Misstrauen geprägt. Im Land ist eine ideologische Verhärtung zu spüren, die es weiter isoliert. Längst propagiert die Parteiführung eine Zweiteilung der Welt, macht die USA und den Westen für die eigenen Wirtschaftsprobleme verantwortlich, für den Ukraine-Krieg und die Lage im Nahen Osten.

Zum Seidenstrassen-Gipfel hat Präsident Xi seinen «Freund» Putin geladen. Beide Staaten teilen den Glauben an das Recht des Stärkeren, mit dem Grossmächte kleinere Staaten bedrohen und überfallen können. Für den Traum einer chinesischen Weltordnung hat Xi seine Pläne in Eurasien geopfert, zu der auch die Ukraine als «Tor zu Europa» gehörte.

Viele Länder des globalen Südens sind von der internationalen Ordnung zutiefst desillusioniert. Doch sie sind auf Lösungen angewiesen. Der Westen muss lernen zuzuhören, flexibler werden und eigene Initiativen stärken. Pekings «Gegenmodell» jedenfalls hat seine Strahlkraft verloren. Übrig geblieben sind viele leere Versprechen, eine lange Strasse ins Nichts.