LiveDeutschlandwahl im LivetickerUnion und SPD nehmen Gespräche auf – Merz bei ScholzMerz: USA schaden sich bei Abkehr von Europa selbst Scholz, Habeck und Lindner ziehen Konsequenzen aus Wahlniederlage
Nach der Bundestagswahl werden die Karten in der deutschen Politik neu gemischt. Lars Klingbeil will an der SPD-Spitze bleiben. Die aktuellen Entwicklungen im Ticker.
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Friedrich Merz mit grosser Mehrheit als Unions-Fraktionschef bestätigt
CDU-Chef und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz ist mit grosser Mehrheit als Vorsitzender der Unionsfraktion im deutschen Bundestag bestätigt worden.
Der 69-Jährige erhielt bei der konstituierenden Sitzung der neuen Fraktion nach Angaben aus Fraktionskreisen 98 Prozent der Stimmen. Es wurden 205 Stimmen abgegeben, 201 Abgeordnete stimmten für Merz, es gab 4 Nein-Stimmen.

Die Union rechnet bei den Wahlergebnissen Enthaltungen heraus. Merz hatte das Amt des Fraktionsvorsitzenden schon von 2000 bis 2002 inne. (DPA)
Union und SPD nehmen Gespräche auf – Merz bei Scholz
Christdemokraten und Sozialdemokraten haben nach der Bundestagswahl in Deutschland erste Gespräche mit Blick auf eine Regierungsbildung aufgenommen.
Wahlsieger und CDU/CSU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz kam am Vormittag im Kanzleramt mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zusammen. Der Unionsfraktionsvorsitzende traf gegen 10.30 Uhr an der Regierungszentrale ein. Bei dem Gespräch dürfte es um die Gestaltung der Übergangsphase zwischen der Bundestagswahl am Sonntag und der Bildung einer neuen Regierung gehen.
Der CDU-Vorsitzende hatte schon für den gestrigen Montag ein Gespräch mit SPD-Chef Lars Klingbeil angekündigt. Am Morgen waren die Spitzen von CDU und CSU zu Beratungen über das weitere Vorgehen zusammengekommen.
In der CDU-Zentrale stimmte sich Merz mit CSU-Chef Markus Söder, den Generalsekretären Carsten Linnemann (CDU) und Martin Huber (CSU) sowie CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), ab. (DPA)
Juso-Chef nennt SPD-Spitzenpolitiker «Architekten des Misserfolgs»
Der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer übt nach der Wahlniederlage der SPD scharfe Kritik an der Parteispitze. «Die ganze Kampagne war eine einzige Stolperpartie», sagte Türmer dem Spiegel. Zur Nominierung von Olaf Scholz als Kanzlerkandidat ergänzte er, die Kandidatenaufstellung sei «vom Prozess und im Ergebnis» ein Fehler gewesen.
Die Verantwortung für die Niederlage bei der Bundestagswahl liege bei den Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil, betonte Türmer. Scharf wandte er sich gegen die Ankündigung, dass Klingbeil neuer Fraktionsvorsitzender werden soll. «Durch dieses Vorgehen entstand der fatale Eindruck: Als erste Reaktion greift einer der Architekten des Misserfolgs nach dem Fraktionsvorsitz.»
Türmer, der im vergangenen November an die Spitze der SPD-Jugend gewählt worden war, hatte sich auch in den vergangenen Monaten bereits kritisch zur erneuten Kanzlerkandidatur von Scholz und dem Kurs seiner Partei geäußert. (SZ)

Merz: USA schaden sich bei Abkehr von Europa selbst
CDU-Chef Friedrich Merz hat die US-Regierung vor einer Abkehr von Europa gewarnt. «Wenn diejenigen sich durchsetzen, die in Amerika nicht nur ’America First’, sondern fast schon ’America Alone’ zu ihrem Motto wählen, dann wird es schwierig», sagte der Wahlsieger in Berlin. Er hoffe aber, dass es gelinge, das transatlantische Verhältnis aufrechtzuerhalten. «Wie gesagt, es liegt in unserem gegenseitigen Interesse. Wenn es zerstört werden sollte, wird es nicht nur zum Schaden von Europa sein, es wird auch zum Schaden von Amerika sein.»
Dafür sei aber dringend erforderlich, dass die Europäer geeint auftreten würden, sagte Merz. Er habe am Sonntag mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron während dessen Flug nach Washington telefoniert. «Wir haben über die Themen gesprochen, die er mit dem amerikanischen Präsidenten besprechen will. Und ich habe eine vollkommene Übereinstimmung festgestellt zwischen dem, was er vortragen will und was ich auch in der Sache will», betont der CDU-Vorsitzende. Er forderte Kanzler Olaf Scholz (SPD) erneut auf, ab jetzt alle aussenpolitischen Aktivitäten mit ihm abzustimmen.

Es sei gut, dass Macron und der britische Ministerpräsident Keir Starmer gemeinsam nach Washington reisten. Künftig müssten auch ein Bundeskanzler und der polnische Ministerpräsident dabei sein, mahnte Merz. Mit Blick auf die Nato sagte Merz, dass das Verteidigungsbündnis immer noch gut funktioniere und er hoffe, dass dies auch weiter der Fall sein werde. Merz hatte zuvor mit Blick auf Äußerungen von US-Präsident Donald Trump Zweifel geäußert, ob die Nato im Juni, wenn Deutschland seinen 70. Jahrestag der Mitgliedschaft feiert, noch so vorhanden sei. (DPA)
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Noch kein Merkel-Glückwunsch für Friedrich Merz
Den deutschen CDU/CSU-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz haben viele schnelle Gratulationen zum Wahlsieg erreicht – eine der früheren Regierungschefin und Parteivorsitzenden Angela Merkel war wohl vorerst nicht dabei.
«Also, ich hab› bis jetzt von Angela Merkel keine Glückwünsche gesehen», sagte der CDU-Chef bei einer Pressekonferenz nach den CDU-Gremiensitzungen am frühen Nachmittag. Er fügte aber hinzu: «Es kann sein, dass ich sie übersehen habe, weil ich ein paar hundert SMS im Verlauf der letzten Nacht bekommen habe.»
Das Verhältnis zu Merkel hatte sich zuletzt eingetrübt, nachdem die Ex-CDU-Chefin sich mit einem öffentlichen Tadel für ihren Nachfolger in den Wahlkampf eingeschaltet hatte. Merkel nannte es «falsch», dass die Christdemokraten im Bundestag bei einem Antrag für eine Verschärfung der Migrationspolitik erstmalig eine Mehrheit mit Stimmen der AfD ermöglicht hatten.
Die Beziehung Merz-Merkel war lange belastet, nachdem die damalige CDU-Chefin ihn nach der Wahl 2002 als Fraktionschef im Bundestag verdrängt hatte. Bei einer CDU-Feier zu ihrem 70. Geburtstag im Spätsommer gingen beide zuletzt aber ausgesprochen freundlich miteinander um. (DPA)
Scholz, Habeck und Lindner ziehen Konsequenzen aus Wahlniederlage
Nach der Wahl in Deutschland haben die Köpfe von SPD, Grünen und FDP ihre politische Zukunft klargestellt.
Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz will nicht Mitglied einer von CDU/CSU geführten Regierung werden. Im ARD-Fernsehen sagte er, dass er im Fall von Koalitionsgesprächen auch nicht als Verhandlungsführer seiner Partei zur Verfügung stehe. Zunächst wolle er das offizielle Endergebnis abwarten. Dennoch stehe für ihn fest: Er habe sich im Wahlkampf um das Amt des Bundeskanzlers beworben. Allerdings will er nach seiner Zeit als Kanzler als Abgeordneter im Bundestag bleiben.

Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck will keine wichtige Funktion in seiner Partei mehr ausfüllen. «Ich werde keine führende Rolle in den Personaltableaus der Grünen mehr beanspruchen oder anstreben», sagte Habeck in Berlin. Habeck war das Gesicht der Grünen im Wahlkampf, die Kampagne war ganz auf ihn zugeschnitten. Die Grünen hätten in der schwierigen «Ampel»-Koalition viel weniger stark verloren als die beiden Partner von SPD und FDP, heisst es in der Partei. Dennoch: Habeck war mit dem klaren Ziel Kanzleramt angetreten. «Mein Vorsatz für 2025: Kanzler werden, Mensch bleiben» stand auf einem seiner Wahlplakate.
Auch der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat das Ende seiner politischen Karriere verkündet. «Nun scheide ich aus der aktiven Politik aus», schrieb Lindner am Abend auf der Plattform X, nachdem sich seine Partei in Hochrechnungen von ARD und ZDF immer weiter von der Fünf-Prozent-Hürde entfernt hatte. Aus der FDP-Spitze wurde ein offizieller Rücktritt noch nicht bestätigt. Es gelte auch, Formalien einzuhalten, die mögliche Folgen für die Parteiorganisation hätten. Lindner hatte bereits in der «Berliner Runde» von ARD und ZDF gesagt: «Wenn die FDP aus dem Bundestag ausscheidet, ist das völlig klar, dass ich dann auch aus der Politik ausscheide.» (DPA)
Esken und Klingbeil wollen an SPD-Spitze bleiben
Die SPD-Chefin Saskia Esken will auch nach dem Debakel der deutschen Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl Parteivorsitzende bleiben.
Sie habe mehr als fünf Jahre mit grosser Freude an der Geschlossenheit der Partei gearbeitet, sagte Esken in der Berliner Parteizentrale. «Und das gedenke ich auch weiter zu tun.»
Ihr Co-Vorsitzender Lars Klingbeil will ebenfalls an der Parteispitze bleiben und greift zusätzlich nach dem Fraktionsvorsitz. Die SPD hat bei der Wahl ein historisch schlechtes Ergebnis von 16,4 Prozent eingefahren. (DPA)
Merz: Wahlrecht «muss geändert werden»
Die CDU will das Wahlrecht erneut reformieren. Das sei einer der ersten Punkte, über die er mit der SPD reden werde, sagt CDU-Chef Friedrich Merz. Diesen Auftrag habe ihm das Präsidium deiner Partei erteilt. Die von SPD, Grünen und FDP beschlossene Reform des deutschen Wahlrechts sei eine «einseitig gegen die Union gerichtete» Massnahme gewesen, sagt Merz, denn es seien zum Großteil Direktkandidaten von CDU und CSU trotz gewonnener Erststimme nicht in den Bundestag eingezogen. Vier Wahlkreise in Deutschland seien nun ganz ohne eigenen Abgeordneten im Parlament. «Ein solches Wahlrecht beschädigt unsere Demokratie», so Merz. «Das muss geändert werden.»
Infolge der Wahlrechtsänderung, mit der die Ampelregierung den stark angewachsenen Bundestag verkleinern wollte, konnten bei der aktuellen Wahl 23 direkt gewählte Kandidaten nicht ins Parlament einziehen, davon gehören 18 den Unionsparteien an. Auch CSU-Chef Markus Söder hat eine Änderung dieser sogenannten Zweitstimmendeckung gefordert. (SZ)
Habeck will keine wichtige Rolle bei deutschen Grünen mehr
Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck will in Deutschland keine wichtige Funktion in seiner Partei mehr ausfüllen. «Ich werde keine führende Rolle in den Personaltableaus der Grünen mehr beanspruchen oder anstreben», sagte er in Berlin.
Seine Partei ist bei der Bundestagswahl vom Sonntag auf 11,6 Prozent abgesackt, nach 14,7 Prozent bei der letzten Bundestagswahl.

«Es war ein grossartiger Wahlkampf», sagte der bisherige Wirtschaftsminister und Vizekanzler. Aber auch: «Es ist kein gutes Ergebnis, ich wollte mehr, und wir wollten mehr.»
Habeck war das Gesicht der Grünen im Wahlkampf, die Kampagne war ganz auf ihn zugeschnitten. Die Grünen hätten in der schwierigen «Ampel»-Koalition viel weniger stark verloren als die beiden Partner von SPD und FDP, heisst es in der Partei. Dennoch: Habeck war mit dem klaren Ziel Kanzleramt angetreten. «Mein Vorsatz für 2025: Kanzler werden, Mensch bleiben» stand auf einem seiner Wahlplakate.
Nun hat Habeck seine Partei nur auf Platz vier geführt. Den Grünen bleibt nur die Opposition. Die beiden Parteichefs Franziska Brannter und Felix Banaszak wollen weitermachen. (DPA)
Merz möchte rasch mit der SPD-Spitze reden
CDU-Chef Friedrich Merz will nach dem erfolgreichen Abschneiden seiner Partei bei der Bundestagswahl «noch heute» mit den Vorsitzenden der SPD reden. Dabei gehe es vor allem um die europäische Verteidigungsfähigkeit, die Migrationspolitik und die Lage der deutschen Industrie. Er gehe davon aus, dass die Sozialdemokraten bei diesen Themen gesprächsbereit seien.
«In diesen Tagen» werde er dann auch mit dem Bundeskanzler sprechen, kündigt Merz an, um eine «vernünftige Übergangsphase» vorzubereiten, «die ja einige Wochen zwangsläufig dauern wird». Gespräche mit der SPD über die Bildung einer Koalition werde es «spätestens» kommende Woche geben, nach der Bürgerschaftswahl in Hamburg am Sonntag. (SZ)
Scholz will seine Arbeit als Kanzler ordentlich zu Ende führen
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz will nach der Wahlschlappe der Sozialdemokraten seine Arbeit als Regierungschef bis zum letzten Tag «ordentlich zu Ende» führen. Das sei ihm ganz wichtig, sagte Scholz in Berlin nach Beratungen der Parteigremien.
Es sei eine grosse Ehre, der neunte Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zu sein, der vierte Sozialdemokrat, der in der Geschichte der Bundesrepublik dieses wichtige Amt ausfüllen dürfe.
Das Amt des Bundeskanzlers und seiner Minister endet zwar mit dem Zusammentreten des neuen Bundestages. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird den Kanzler dann aber bitten, die Geschäfte bis zur Ernennung eines Nachfolgers weiterzuführen.
Scholz sprach von einem bitteren Wahlergebnis der SPD, für das er Verantwortung trage. Die SPD werde dringend gebraucht, als Kämpferin für Demokratie und Recht, aber als auch eine Stimme für diejenigen, die auf Gerechtigkeit und ein gutes Miteinander angewiesen seien. Scholz sagte, er werde in diesem Jahr 50 Jahre Mitglied der Sozialdemokratischen Partei sein. «Das ist für mich ein besonderes Ereignis.» (DPA)
Merz will schwarz-rote Koalition bilden
Als fast letzte Partei äusserten sich nun auch noch die Spitzen von CDU und CSU. Friedrich Merz spricht von einem «aussergewöhnlich guten Wahlergebnis». Man habe drei Millionen Stimmen mehr erhalten als bei der letzten Bundestagswahl.
«Wir haben einen Regierungsauftrag und wollen eine schwarz-rote Koalition», so Merz. (nic)
BSW-Chefin Wagenknecht prüft Wahlanfechtung
BSW-Chefin Sahra Wagenknecht will wohl weitermachen, zumindest vorerst. Vor dem Hintergrund ihrer Ankündigung, dass sie zurücktreten werde, sollte ihre Partei den Einzug in den Bundestag verpassen, sagt sie lediglich: «Was unsere zukünftige Aufstellung angeht, werden wir uns beraten.» An anderer Stelle spricht die Spitzenkandidatin davon, das nach ihr benannte Bündnis Sahra Wagenknecht 2029 in den Bundestag führen zu wollen. Zum äusserst knappen Wahlergebnis (4,97 Prozent für ihre Partei) sagt sie: «Wir verstehen das auch als Auftrag.»
Zugleich kündigt sie an, eine Wahlanfechtung zu prüfen: Viele Deutsche im Ausland hätten offenbar nicht wählen können. Und wenn dann das BSW um gut 13’000 Stimmen den Einzug in den Bundestag verpasse, dann «stellt sich schon die Frage nach dem rechtlichen Bestand des Wahlergebnisses», sagt Wagenknecht. «Wir werden das prüfen.» Man werde sich auch mit Juristen beraten.
Die vorgezogene Neuwahl sei für ihre Partei zu früh gekommen, sagt Wagenknecht. Drei Landesverbände hätten hastig gegründet werden müssen. Auch die Fixierung des Wahlkampfs auf das Thema Migration habe dem BSW nicht geholfen. Schliesslich habe eine «mediale Negativkampagne» gegen ihre Partei stattgefunden. Dem Umfrageinstitut Forsa wirft sie gar eine «gezielte Manipulation» vor, weil kurz vor der Wahl eine Umfrage erschienen sei, die das BSW bei drei Prozent sah. (SZ)
CDU-Manager appelliert an Sozialdemokraten
CDU/CSU-Fraktionsmanager Thorsten Frei hat nach dem Sieg der Christdemokraten bei der deutschen Bundestagswahl an die SPD appelliert, sich der Regierungsverantwortung zu stellen.
«Es geht jetzt darum, Verantwortung für unser Land zu übernehmen. Und das bedeutet, dass man die Interessen des Landes weit über parteipolitische Einzelinteressen stellt», sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag vor Beratungen der Spitzengremien der CDU in Berlin. Er ergänzte: «Jetzt muss zunächst einmal der Pulverdampf sich verziehen über dem gestrigen Wahlabend.»
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch hatte zuvor im ARD-«Morgenmagazin» gesagt, er erwarte schwierige Verhandlungen mit den Christdemokraten. Er bekräftigte, dass die SPD eine Mitgliederentscheidung über einen Koalitionsvertrag plane. Zwischen SPD und CDU/CSU hatte es im Wahlkampf harte Auseinandersetzungen gegeben.
Frei: Zweierkoalition wichtig, um Reformstau aufzulösen
Frei verneinte die Frage, ob er sich vorstellen könne, dass sich die SPD der Regierungsverantwortung verweigere. «Die SPD ist eine alte Partei, die in der Vergangenheit grosse Verantwortung für unser Land schon übernommen hat.» Er fügte hinzu: «Es ist jetzt nicht die Situation, über Wünsche zu diskutieren. Auch wir hätten uns gegebenenfalls andere Rahmenbedingungen für die Regierungsbildung gewünscht.»
Dass eine Zweierkoalition aus CDU/CSU und SPD möglich sei, sei «eine wichtige Voraussetzung dafür, dass man sowohl den innenpolitischen Reformstau auflösen kann, als auch jetzt den zunehmend grösser gewordenen aussenpolitischen Herausforderungen begegnen kann», sagte Frei. Die nächsten Tage würden zeigen, «wie schnell wir es schaffen können, eine starke Regierung fürs Land zu bilden».
Die Christdemokratie mit Kanzlerkandidat Friedrich Merz hatte die Bundestagswahl vom Sonntag mit 28,5 Prozent gewonnen, ein Ergebnis, das unter ihren Erwartungen blieb. Die SPD stürzte auf 16,4 Prozent ab, ihr schlechtestes Ergebnis aller Bundestagswahlen seit 1949. (DPA)
Netanyahu: Merz hat mich trotz Haftbefehls eingeladen
Der CDU-Chef und Wahlsieger Friedrich Merz will den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu nach dessen Angaben zu einem offiziellen Besuch nach Deutschland einladen.
Netanyahu habe am Sonntagabend ein «herzliches Gespräch» mit dem wahrscheinlich künftigen Kanzler geführt und ihm zu seinem Erfolg gratuliert, teilte Netanyahus Büro mit.
Dabei habe Merz eine offizielle Einladung Netanyahus angekündigt, «als offene Herausforderung gegen die skandalöse Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs, den Ministerpräsidenten als Kriegsverbrecher zu bezeichnen», so Netanyahus Büro. Die CDU bestätigte das Telefonat, äusserte sich aber nicht zu dem Inhalt.
Gegen Netanyahu sowie gegen den damaligen israelischen Verteidigungsminister Joav Galant waren vergangenes Jahr wegen mutmasslicher Kriegsverbrechen im Gaza-Krieg internationale Haftbefehle erlassen worden.
Merz hatte der «Jüdischen Allgemeinen» dazu vor knapp zwei Wochen gesagt: «Unter meiner Führung wird der israelische Ministerpräsident unbehelligt nach Deutschland reisen können. Ich werde Mittel und Wege finden, das zu ermöglichen.» (DPA)
Deutsche Grünen-Parteichefs wollen weitermachen
Nach dem enttäuschenden Ergebnis der Grünen bei der deutschen Bundestagswahl wollen die beiden Parteichefs Felix Banaszak und Franziska Brantner im Amt bleiben.
«Wir sind im November 2024 gewählt und haben vor, das Amt jetzt auch in dieser Situation weiter auszuüben», sagte Banaszak auf eine entsprechende Frage. Die Grünen haben 11,6 Prozent der Stimmen bei der Wahl erhalten, 2021 waren es noch 14,7 Prozent gewesen.
«Kommen aus unbeliebtester Regierung, die dieses Land jemals hatte»
Banaszak gestand ein, dass die Grünen mehr erwartet hatten. Aber: «Wenn man noch mal ein bisschen zurückblickt, wir kommen aus der unbeliebtesten Regierung, die dieses Land jemals hatte. Und ohne das eigene Ergebnis relativieren zu wollen, sieht man, dass auch unsere Koalitionspartner davon ein bisschen was mitgenommen haben.»
Die beiden früheren «Ampel»-Partner SPD und FDP haben starke Verluste eingefahren. Banaszak sagte weiter: «Die Grünen kennen Opposition, die Grünen können Opposition.»
Die Ökopartei hatte nach dem Ende der rot-grünen Koalition unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD, 1998-2005) 16 Jahre lang die Oppositionsbänke gedrückt. In der «Ampel»-Koalition von Kanzler Olaf Scholz (SPD) übernahmen sie 2021 fünf Ministerien, darunter auch das Aussenministerium. (DPA)
AfD-Chef erwartet baldige Regierungsbeteiligung im Osten
Der deutsche AfD-Chef Tino Chrupalla hat die Ergebnisse seiner Partei als «sensationell» bezeichnet und geht in Ostdeutschland von einer baldigen Regierungsbeteiligung aus. «Die Ostdeutschen haben ganz klar gesagt, sie wollen keine Brandmauer mehr», sagte der AfD-Bundessprecher im RBB-Inforadio.
Die deutschen Christdemokraten hätten mit dem Ergebnis der Bundestagswahl grössere Probleme als seine Partei. Die AfD bleibe geduldig. «Da muss man ein bisschen Mut zur Gelassenheit haben. Das haben wir», so Chrupalla. Die AfD werde sich programmatisch weiterentwickeln und professionalisieren. «Und dann werden wir bei der nächsten Wahl noch mal fünf bis sechs Prozent mehr bekommen», so Chrupalla.
In Fachgebieten «Personen nach vorne stellen»
Im ARD-»Morgenmagazin» sagte Chrupalla mit Blick auf die Abgrenzung der CDU/CSU von seiner Partei: «Wer Brandmauern errichtet, wird dahinter selbst gegrillt, das wird Herr Merz schon noch erleben.» Die AfD werde programmatisch und personell weiter an sich arbeiten. So wolle sie in den einzelnen Fachgebieten wie etwa der Sozialpolitik «ihre Personen nach vorne stellen».
Die in Teilen als rechtsextremistisch eingestuften AfD kommt nach dem vorläufigen Ergebnis der Bundestagswahl auf 20,8 Prozent der Stimmen, die CDU/CSU auf 28,5 Prozent.
Chrupalla selbst hat in seinem Wahlkreis im sächsischen Görlitz mit grossem Vorsprung die meisten Erststimmen geholt. Auch nach dem neuen Wahlrecht gelingt ihm somit der Wiedereinzug ins Parlament über ein Direktmandat. Auf den 49-Jährigen entfielen 48,9 Prozent der Erststimmen im Wahlkreis 156. (DPA)
CDU/CSU gewinnt die Wahl – FDP und BSW draussen
Die CDU/CSU mit ihrem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz hat die Bundestagswahl gewonnen – mit grossem Abstand vor der zweitplatzierten AfD und der SPD, die auf ein historisches Tief stürzt. Das geht aus dem vorläufigen Ergebnis der Bundeswahlleiterin in der Wahlnacht hervor. BSW und FDP scheitern demnach an der Fünf-Prozent-Hürde und verpassen den Einzug ins Parlament.

Die CDU/CSU kommt auf 28,5 Prozent. CDU-Chef Merz hat nun beste Chancen, nächster Kanzler nach Olaf Scholz (SPD) zu werden. Die AfD erreicht 20,8 Prozent, die SPD erzielt mit 16,4 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl. An vierter Stelle folgen die Grünen mit 11,6 Prozent, und auch die Linke ist mit 8,8 Prozent sicher im Bundestag vertreten. Raus ist die FDP mit 4,3 Prozent, das erstmals angetretene BSW verpasst den Sprung ins Parlament denkbar knapp mit 4,97 Prozent.

Die CDU/CSU kommt damit auf 208 Sitze im neuen Parlament. Die SPD erringt 120 Mandate. Eine Regierungskoalition der beiden Fraktionen ist damit möglich. Für eine schwarz-grüne Koalition reichen die Ergebnisse nicht: Die Grünen bekommen lediglich 85 Abgeordnete. Die AfD vergrössert ihre Fraktion mit 152 Sitzen deutlich. Die Linke stellt 64 Abgeordnete. Ein Mandat erringt erneut der Südschleswigsche Wählerverband, der als Partei der dänischen und friesischen Minderheit von der Fünf-Prozent-Hürde befreit ist.
Auszählung beendet: BSW scheitert an Fünf-Prozent-Hürde
Das Bündnis Sahra Wagenknecht schafft den Einzug ins Parlament nicht. Mit 4,972 Prozent scheitert die Partei äusserst knapp an der Fünf-Prozent-Hürde, wie aus Informationen der Bundeswahlleiterin hervorgeht. Alle Wahlkreise sind mittlerweile ausgezählt. CDU/CSU gewinnen die Bundestagswahl demnach mit grossem Abstand vor der zweitplatzierten AfD und der SPD. Auch die FDP schafft den Einzug ins Parlament nicht.

Mit diesem Ergebnis hätte eine mögliche Zweier-Koalition aus den Unionsparteien und der SPD rechnerisch eine Mehrheit im Bundestag. (SZ)
Die Stimmenanteile in der Übersicht
TA/DPA
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